Ist die plebiszitäre Demokratie in der Schweiz ein Vorbild?
29. Dezember 2010Diese Form der Bürgerbeteiligung geht zurück auf die Mitte des 19. Jahrhunderts, als in fast allen Schweizer Bundesländern der Volksentscheid als Teil der sogenannten "Abstimmungsdemokratie" etabliert wurde. In den 1930er Jahren eroberten viele faschistische Regime in Europa die Regierungen. In diesem Zeitraum gab es auch in der Schweiz Bestrebungen, die "halbdirekte" Demokratie abzuschaffen oder zumindest einzuschränken. Die Versuche scheiterten aber an der Rechtssprechung des Schweizer Bundesgerichts.
Angesehene Demokratieform
Seither ist die plebiszitäre Demokratie die Staatsform der Schweiz. Sie erfreut sich bei der Mehrheit ihrer Bürger großer Beliebtheit, wenn auch Kritik an ihr nicht zu überhören ist. Die Befürworter der direkten Demokratie heben hervor, dass sie Identitäts stiftend sei, die Akzeptanz von politischen Entscheidungen und Eigenverantwortung fördere, mehr Sachverstand beinhalte als die Entscheidungen von Politikern oder Behörden allein und wegen der Kontrolle der Staatsfinanzen zu verantwortungsbewusstem Haushalten führe.
Zudem genießen Volksentscheide in der Schweiz deshalb hohes Ansehen, weil sie in der Lage sind, strittige gesellschaftliche Themen schnell und verbindlich zu lösen. Da das Votum eines Volksentscheids von allen akzeptiert wird, ist das zur Abstimmung stehende Thema damit zumindest vorerst gelöst. Momentan wird die direkte Demokratie – zum Beispiel von der Schweizerischen Volkspartei - als Gegenmodell zum "Bürokratiemoloch" der Europäischen Union in Brüssel gepriesen.
Direkte Demokratie in Deutschland?
Die Schweiz hat rund 7,7 Millionen Einwohner. Die Bundesrepublik Deutschland hat mehr als zehnmal so viele. Eine auf allen politischen Ebenen funktionierende plesbiszitäre Demokratie mit mehreren Volksentscheiden pro Jahr ist angesichts dieser Größenunterschiede nicht realisierbar. Zudem müsste – wie in der Schweiz - die repräsentative Demokratie in eine Form der "Konkordanzdemokratie" umgewandelt werden, in der das Volk tatsächlich entscheidet. Dann wäre ein formaler Regierungschef überflüssig und aus den Reihen des Bundesrates müsste jährlich eine Art Staatsoberhaupt gewählt werden, der tatsächlich nur der "Erste unter Gleichen" ist und nur im Ausland als Staatsoberhaupt behandelt wird. In der direkten Demokratie nehmen de facto alle politischen Institutionen die Aufgaben des Staatsoberhauptes wahr.
Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Wolfgang Dick / Gero Rueter