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Hisbollah - eine Terrorgruppe?

Naomi Conrad13. Februar 2013

Hinter dem Anschlag auf israelische Touristen in Bulgarien soll möglicherweise die Hisbollah stehen. Jetzt werden Rufe laut, die schiitische Organisation auf die EU-Terrorliste zu setzen. Das könnte dem Libanon schaden.

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Hisbollah-Parade im Libanon (Foto: AFP/Getty)
Bild: Mahmoud Zayyat/AFP/Getty Images

Wenn die Hisbollah in Bedrängnis gerät, dann erteilt sie ihren Mitgliedern ein Redeverbot. "Bulgarien? Nein, kein Kommentar." Rana, eine Pressesprecherin der Organisation in Beirut, ist freundlich, aber bestimmt. Sie fügt dann hinzu: "Es tut mir leid, wirklich."

Das Pressezentrum liegt an einer vielbefahrenen Straße in Dahiye. Der Stadtteil im Süden Beiruts wird von der Hisbollah dominiert. Sie ist allgegenwärtig, in den Schulen und Krankenhäusern, die sie aufgebaut hat, oder aber den Hochhäusern, deren Bau sie finanziert hat. "Die Hisbollah ist aus dem Libanon gar nicht mehr wegzudenken", sagt Björn Blaschke, Nahost-Korrespondent der ARD. "Sie ist an der libanesischen Regierung beteiligt und im Parlament vertreten. Sie ist gleichzeitig aber auch eine soziale Bewegung." Denn die Hisbollah vergibt zum Beispiel auch Stipendien und finanziert Waisenhäuser.

"Die Hisbollah ist alles"

Aber die Hisbollah ist noch mehr: denn sie verfügt über eine bewaffnete Miliz, die in den 1980er Jahren aus dem Widerstand gegen die israelische Besatzung des Südlibanon erwachsen ist und im libanesischen Bürgerkrieg erstarkte. Im Südlibanon, der lange Zeit weniger entwickelt als der Rest des Landes war, leben viele schiitische Muslime - deshalb ist die Hisbollah, die Partei Gottes, ausdrücklich eine schiitische Partei. Ihre Anführer sind schiitische Gelehrte. Der schwarze Turban des Generalsekretärs Hassan Nasrallah zeigt, dass er direkt vom Propheten abstammen soll. Kurz: "Die Hisbollah ist alles", so Blaschke.

Hisbollah-Anhänger mit einem Poster gegen Israel (Foto: AFP/Getty Images)
Die Hisbollah spricht sich gegen den Staat Israel aus - Demonstranten in MoskauBild: Andrey Smirnov/AFP/Getty Images

Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU wählt andere Worte: "Die Hisbollah ist keine Wohlfahrtsorganisation, so wie sie manchmal tut, sondern eine politische, aggressive, fundamentalistische Einheit, die auch nicht davor zurückschreckt, gewaltsam ihre Ziele durchzusetzen." Er nimmt damit Bezug auf Ermittlungen, wonach die Hisbollah an einem Attentat auf fünf israelische Touristen und ihren Busfahrer im vergangenen Sommer beteiligt gewesen sein soll. Nach Angaben der bulgarischen Regierung, sollen die Attentäter Mitglieder der Hisbollah sein.

"Westen hat nicht genug Härte gezeigt"

Mißfelder fordert deshalb, die Hisbollah auf die Terrorliste der EU zu setzen. Aufgelistet sind dort bereits Organisationen wie die Hamas in Gaza oder Al-Kaida. Also Organisationen, die, so die EU-Definition, eine Reihe schwerer Straftaten begangen haben - etwa Geiselnahme oder Mord - unter anderem mit dem Ziel, die Bevölkerung einzuschüchtern und die "Grundstrukturen eines Landes ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören."

"Der Westen hat bislang nicht genug Härte gegenüber der Hisbollah gezeigt", so Mißfelder: Die Hisbollah könne ungestört in Europa agieren. Über legale und illegale Geschäfte finanziere sie so ihre Aktivitäten. Stehe die Hisbollah aber erst einmal auf der Terrorliste, könnten europäische und deutsche Sicherheitsorgane "viel härter und schärfer dagegen vorgehen". Das würde auch die Möglichkeit für Sanktionen eröffnen oder Einreiseverbote für Hisbollah-Mitglieder.

Die USA und Israel, die die Hisbollah bereits als Terrororganisation einstufen, würden den Schritt begrüßen. Doch mehrere EU-Staaten sträuben sich. Deshalb fordert Mißfelder notfalls auch einen deutschen Alleingang. Möglich sei auch ein Kompromiss, wie ihn die britische Regierung mit der irischen IRA praktizierte: Gespräche mit dem politischen Zweig, ein Terror-Label für den militanten Arm. "Das ist eine künstliche Trennung, aber das könnte man in Brüssel auch in Betracht ziehen", so Mißfelder.

Sitzende Frauen mit Hisbollah-Fahnen (Foto: AFP/Getty Images)
Hisbollah-Anhängerinnen bei einer Versammlung in BeirutBild: Anwar Amro/AFP/Getty Images

Gefahr, Hisbollah zu stärken

Doch Nadim Shehadi vom renommierten Chatham House, einem britischen Think-Tank warnt vor "voreiligen Schritten". Zwar könnten gewisse Definitionen von Terrorismus tatsächlich auf Teile der Hisbollah, die während des libanesischen Bürgerkrieges auch Anschläge verübte und Menschen entführte, zutreffen. Doch: "Ich mache mir große Sorgen, was für Auswirkungen das für den Libanon haben könnte." Schließlich sei die Hisbollah ein legitimer Teil der Regierung. Sollte es tatsächlich zu einer Terror-Einstufung mit Sanktionen kommen, könnte dies den Libanon isolieren. "Das würde vermutlich die Stellung der Hisbollah stärken, anstatt sie zu schwächen."

Das sieht der Journalist Blaschke ähnlich. Den Dialog abreißen zu lassen, sei die falsche Strategie. "Wenn die Hisbollah von außen unter Druck gesetzt wird, könnte es sein, dass sie den Eindruck bekommt, sich wehren zu müssen." Der Militärzweig verfüge noch über genug Waffen für einen Krieg, warnt Shehadi.

Hisbollah setzt auf Deeskalation

Die Hisbollah ist seit einiger Zeit auch im Libanon unter Druck geraten: Dadurch, dass sie sich im Syrienkonflikt auf die Seite des Assad-Regimes - zusammen mit dem Iran ein wichtiger Verbündeter - gestellt hat, habe sie viel Unterstützung verloren, glaubt Blaschke.

Hisbollah-Chef Nasrallah bei einer Ansprache (Foto: AFP/GettyImages)
Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah in BeirutBild: Joseph Eid/AFP/Getty Images

Deshalb versuche die Hisbollah, im Libanon stabilisierend aufzutreten und möglichst wenig zu provozieren. Bei seinem letzten Besuch in Beirut, erzählt Blaschke, sei ihm aufgefallen, dass die Bilder von iranischen Revolutionsführen von sämtlichen Gebäuden abgehängt wurden: "Selbst von einem vom Iran finanzierten Krankenhaus in Dahiye." Auch während des Gazakrieges Ende vergangenen Jahres, habe sich die Hisbollah auffällig unauffällig verhalten - noch ein Zeichen einer Deeskalations-Taktik, so Blaschke.

"Ich glaube, dass der Westen gut daran täte, einzusehen, dass es Eliten gibt, die ihm nicht in den Kram passen", sagt Blaschke. "Die Hisbollah ist nicht einfach wegzureden." Reden tut die Hisbollah allerdings momentan weiterhin nicht. Vielleicht werde Hassan Nasrallah am Wochenende zum Thema Bulgarien eine Rede halten, so die Pressesprecherin Rana. Vielleicht auch nicht. Sie aber müsse schweigen.