AfD im Visier der Politik
21. Februar 2020Unstrittig ist, seit die AfD die politische und vor allem die gesellschaftliche Bühne in Deutschland betreten hat, ist der Ton und auch der Umgang aggressiver geworden. Politiker beklagen Bedrohungen in den Parlamenten, Mitarbeiter insbesondere von Grünen, Linken und der SPD werden attackiert. Den Parteien scheint es nun endgültig zu reichen. Sie machen Druck.
So fordert SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dementsprechend, dass die rechtspopulistische AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden müsse. "Da hat einer geschossen in Hanau, aber es waren viele, die ihn munitioniert haben, und da gehört die AfD definitiv mit dazu", sagte Klingbeil im ARD-"Morgenmagazin".
Nach der Bluttat in der hessischen Stadt gehe es jetzt verstärkt auch um die Frage, was gesetzlich gegen Hass und Hetze im Internet getan werden könne, es gehe um die Frage Waffenrecht, um den besseren Schutz von Ehrenamtlichen und Kommunalpolitikern. Klingbeil warf zudem die Frage auf, ob die Gesellschaft tatsächlich ernstnehme, was am rechten Rand passiere. "Ich habe den Eindruck, dass gerade in den Sicherheitsbehörden viel zu lange über Einzeltäter geredet wurde, es wurde verharmlost, dass es diese rechten Strukturen gibt", sagte Klingbeil. Das müsse "klar in den Fokus rücken und Priorität sein" in den Sicherheitsbehörden. Es gehe aber auch um das gesellschaftliche Engagement, jeder Einzelne sei in der Pflicht.
"Fatale Enthemmung"
"Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt", sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Pistorius beklagte, dass ausländischen Mitbürgern die Menschenwürde abgesprochen werde. "Das ist so gefährlich, weil es manche erst dazu bringt, zur Tat zu schreiten. Hier ist eine fatale Enthemmung in Gang geraten, und die AfD trägt daran Mitschuld." Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle fordert im Gespräch mit der "Rheinischen Post" Konsequenzen für die staatliche Sicherheitspolitik. Insbesondere der Umgang mit der AfD müsse verändert werden. "Der Verfolgungsdruck auf die Überschneidung von Rechtsterrorismus und AfD muss nach Hanau deutlich zunehmen."
"Politischer Arm des Hasses"
Ähnlich äußert sich auch der unter Polizeischutz stehende Grünen-Politiker Cem Özdemir. Die AfD sei der "politische Arm des Hasses", sagte Özdemir im Deutschlandfunk. Die Partei wolle das Land von innen zersetzen. Die AfD versuche, mit ihren Äußerungen die Regeln des politischen Diskurses und die Grenzen des Sagbaren immer weiter zu verschieben. Umso wichtiger sei es, den Schulterschluss der anderen Parteien gegen Rechts wieder herzustellen, betonte der frühere Grünen-Parteichef. Dies bedeute, mit der AfD in keiner Weise zusammenzuarbeiten und sich auch nicht von ihr tolerieren zu lassen.
AfD: "Tat eines Irren"
Der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen wies die Vorwürfe, seine Partei bereite mit ihren Äußerungen über Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund den Boden für derartige Taten, kategorisch zurück. "Das ist weder rechter noch linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren", versuchte Parteichef Jörg Meuthen den Anschlag zu relativieren, obwohl gerade in seiner Partei, die Ablehnung demokratischer Verhältnisse viel Rückhalt findet. Die AfD ist ein Sammelbecken von Hooligans, Deutschnationalen und Mitgliedern völkischer Gruppen, deren politischer Antrieb die Aushebelung der bestehenden Demokratie, Rassismus und Ausgrenzung ist. Da passt die Aussage des Generalbundesanwalts Peter Frank, der dem mutmaßlichen Täter von Hanau eine "zutiefst rassistische Gesinnung" bescheinigte.
Das Argument, der Täter sei womöglich psychisch krank gewesen, wollte der CDU-Politiker Armin Laschet in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" nicht gelten lassen. "Es gab immer schon psychisch Kranke. Die sind aber nicht zu Mördern geworden. Sie werden zu Mördern, weil in einer Gesellschaft diese Aggression geschürt wird." Sowohl anonyme Hassrede im Internet als auch die Sprache gewählter Abgeordneter in Landtagen ließen immer erwarten, dass es einen Irren geben werde, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Norbert Röttgen, der sich für den CDU-Vorsitz bewirbt, sagte der "Bild"-Zeitung: "Wir müssen das Gift bekämpfen, das von der AfD und anderen in unsere Gesellschaft getragen wird."
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte der "Rheinischen Post": "Wer Rechtsextremen in einer Partei Deckung gibt, trägt Mitverantwortung dafür, wenn deren Ideologien Gehör finden."
Gesellschaft in der Verantwortung
Der Mannheimer Politikwissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck bezeichnete im "Mannheimer Morgen" rechte Hetze und den Aufruf des AfD-Politikers Björn Höcke zum politischen Umsturz als "Lizenz für Anschläge".
Der Leipziger Rechtsextremismusforscher Oliver Decker sieht die Gesellschaft in der Verantwortung. Mögliche Bedrohungen müssten ernst genommen werden, sagte der Wissenschaftler von der Universität Leipzig der Deutschen Presse-Agentur. "Die AfD ist für die Zuspitzung des gesellschaftlichen Diskurses, für die Zunahme von Konflikt und Aggression im politischen Diskurs verantwortlich", sagte Decker. Gleichzeitig seien Hass und Rassismus auch immer wieder von Vertretern anderer Parteien bedient worden, betonte der Rechtsextremismusforscher. Mit Blick auf die scharfen Reaktionen vieler Parteien in Richtung AfD sagte er: Die Partei werde die Vorwürfe wohl nutzen, "um sich als Opfer zu suggerieren".
Die Reaktionen auf den Anschlag in Hanau deuteten insgesamt darauf hin, dass die gesellschaftliche Polarisierung anhalte und keine Reflexion stattfinde. Dabei ist nach Einschätzung Deckers eben diese notwendig: "Auf Dauer hilft nur eine Veränderung in den Köpfen der Menschen und die Reflexion rassistischer Vorurteile und Ressentiments." Zudem müsste die Perspektive der Opfer beachtet und ernstgenommen werden, sagte der Wissenschaftler.
cgn/as (afp, dpa)