Rechtsruck in Ungarn ansteckend?
22. April 2010Der große Erfolg des rechts-konservativen "Bundes Junger Demokraten" (FIDESZ) und der rechtsextremen Partei Jobbik (Die Besseren) bei den Parlamentswahlen in Ungarn hat auch in den Nachbarländern Furcht vor einem Rechtsruck bei der jeweils eigenen ungarischen Minderheit ausgelöst. In Serbien beispielsweise leben in der an Ungarn grenzenden Provinz Vojvodina fast 300.000 Ungarn. Die ungarischstämmige Journalistin Zsuzsana Szerencses aus Novi Sad meint, die Gefahr, dass der Extremismus in Ungarn auch auf die Vojvodina überschwappe, sei nicht zu unterschätzen. Allein die Existenz dieser Partei und deren in relativ kurzer Zeit stetiger Zuwachs seien erschreckend.
Jobbik war 2003 gegründet worden, im Juni 2009 erzielte sie bereits knapp 15 Prozent bei den Europawahlen. Mit einem Stimmenanteil von rund 17 Prozent zog Jobbik jetzt erstmals ins Budapester Parlament ein. Die Partei ist bekannt für ihre rassistischen, antisemitischen und Roma-feindlichen Standpunkte.
Staatsbürgerschaft wieder im Spiel
Zsuzsana Szerencses befürchtet daher eine Kettenreaktion in der Region. Dafür spreche auch, dass die jüngste Ungarn-Partei in der Vojvodina, die "Bewegung Ungarische Hoffnung", Jobbik vor den Wahlen unterstützt habe. Der ungarischstämmige Journalist Attila Marton meint dagegen, dass es keinen Grund zur Besorgnis in der Vojvodina gebe. "Ich kann keinen großen Einfluss der Jobbik-Partei auf die Verhältnisse in der Vojvodina erkennen."
Mitglieder von FIDESZ, der die Parlamentswahlen in Ungarn klar für sich entschied, versprechen unterdessen den Auslands-Ungarn Erleichterungen bei der Vergabe der doppelten Staatsbürgerschaft. Die Frage, ob Auslands-Ungarn die ungarische Staatsbürgerschaft erteilt werden solle, war allerdings schon bei einem Referendum 2004 gestellt und eindeutig abgelehnt worden. Experten zufolge hatten die Ungarn damals einen großen Zustrom von Auslands-Ungarn aus Serbien befürchtet - wie er bereits aus Rumänien erfolgte. Budapest bot damals den ungarischstämmigen Rumänen die Einbürgerung an. Viele ergriffen die Chance - nicht zuletzt wegen des Wegfalls der Visumspflicht für Ungarn nach dem EU-Beitritt des Landes.
Interesse an ungarischem Pass gesunken
Aus diesem Grund war für die in Serbien lebenden Ungarn die ungarische Staatsbürgerschaft ebenfalls attraktiv, insbesondere in der Zeit, als Serbien noch isoliert und keine Visumserleichterungen für den Schengen-Raum hatte. Attila Marton zufolge besteht bei den Vojvodina-Ungarn heute noch Interesse an der ungarischen Staatsbürgerschaft. Allerdings aus anderen Gründen: Die Staatsbürgerschaft sei nun eine emotionale Angelegenheit, weil Budapest den Vojvodina-Ungarn dadurch beweise, dass sie Teil der ungarischen Gemeinschaft seien.
Zsuzsana Szerencses glaubt indessen nicht, dass es in Serbien ein großes Interesse an der doppelten Staatsbürgerschaft geben werde, sollte sie tatsächlich angeboten werden. Denn Serbien hat inzwischen Reiseerleichterungen für den Schengen-Raum bekommen. "Viel weniger Vojvodina-Ungarn werden Interesse daran haben, sich in langen Warteschlangen vor der ungarischen Botschaft und den Konsulaten anzustellen, um die Einbürgerungsformalitäten zu erledigen", sagt Zsuzsana Szerencses. Lange genug hätten sich alle serbischen Staatsbürger, die in die EU reisen wollten, mitunter tagelang in Warteschlagen vor Botschaften oder Konsulaten beliebter EU-Länder stellen müssen. Darüber hinaus sei die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft in Ungarn immer für innenpolitische Zwecke missbraucht worden, um Stimmung zu machen, beispielsweise gegen Überfremdung.
Attila Marton räumt zwar ein, dass er die ungarische Staatsbürgerschaft neben der serbischen annehmen würde. Allerdings nur unter der Bedingung in Serbien bleiben zu können. "Auch wenn es nicht immer leicht ist, wird uns dieses Recht in Serbien nicht verwehrt. Budapest hat uns das verwehrt. Dann meldet sich so ein Gefühl, dass man schon anerkannt werden möchte und das schriftlich." Zsuzsana Szerencses dagegen ist nicht an der doppelten Staatsbürgerschaft interessiert, seit sie ohne Visum nach Ungarn reisen kann. "Meine beiden Kinder und Enkelkinder leben in Budapest. Mich interessiert daher vorrangig, dass ich sie ungehindert und uneingeschränkt treffen und mit ihnen reden kann."
Autoren: Dinko Gruhonjic / Mirjana Dikic
Redaktion: Nicole Scherschun