Israels Polizei: Wir verhindern "Pogrome"
13. Mai 2021Wegen der schweren Unruhen zwischen jüdischen und arabischen Israelis hat Verteidigungsminister Benny Gantz eine "massive Verstärkung" der Sicherheitskräfte im ganzen Land angekündigt. Reservisten der Grenzpolizei würden in israelische Städte geschickt, um die Gewalt einzudämmen und "Recht und Ordnung durchzusetzen", erklärte Gantz. Zuvor hatte die Polizei erneute gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis gemeldet. "Die Gewalt innerhalb Israels hat ein Ausmaß erreicht, wie man es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat", sagte Polizeisprecher Micky Rosenfeld. Polizeibeamte verhinderten "buchstäblich, dass Pogrome stattfinden", fügte er hinzu.
In der Stadt Kfar Kassem im Zentrum Israels verbrannten Rosenfeld zufolge hunderte Demonstranten Autoreifen und zündeten Polizeiautos an. Fast tausend Grenzpolizisten wurden demnach zur Verstärkung herbeigerufen, mehr als 400 Menschen festgenommen. Bereits am Mittwochabend hatte es in mehreren Städten Zusammenstöße zwischen ultranationalistischen Juden und arabischen Israelis sowie der Polizei gegeben. In Bat Yam im Süden von Tel Aviv prügelte eine Menge einen mutmaßlich arabischen Mann bewusstlos. Im zentralisraelischen Lod gilt derweil weiter der Notstand, nachdem dort am Montag ein arabischer Israeli erschossen und eine Synagoge in Brand gesteckt worden waren.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Gewalt als "inakzeptabel". "Nichts rechtfertigt das Lynchen von Arabern durch Juden und nichts rechtfertigt das Lynchen von Juden durch Araber", betonte er. Auch Präsident Reuven Rivlin verurteilte die Gewalt. Sie sei "eine echte Bedrohung für die israelische Souveränität". Die gemäßigte Mehrheit von Juden und Arabern müsse sich für Rechtsstaatlichkeit und eine gemeinsame Existenz einsetzen, forderte Rivlin. Der arabische Abgeordnete Issawi Fredj von der Meretz-Partei warnte vor einem "Bürgerkrieg" in Israel.
Israelische Kampfjets beschossen unterdessen nach Militärangaben eine Anlage des Hamas-Geheimdienstes. Auf dem Areal befindet sich das wichtigste militärische Beobachtungszentrum der islamistischen Palästinenserorganisation, wie die Armee mitteilte. Dutzende Mitglieder sollen sich demnach zur Zeit des Angriffs dort aufgehalten haben. Ob es Tote oder Verletzte unter ihnen gab, sagte die Armee nicht. Das israelische Militär feuerte auch auf weitere Einrichtungen der Hamas und der militanten Gruppe Islamischer Dschihad. Unter anderem seien vier Trupps von Kämpfern attackiert worden, die Panzerabwehrraketen abfeuern wollten, hieß es weiter.
230.000 Menschen ohne Strom
Nach Darstellung der israelischen Cogat-Behörde beschoss die Hamas mit einer Rakete versehentlich eine Stromleitung in Gaza. Nach Angaben der israelischen Armee gingen seit Montagabend insgesamt rund 400 Raketen noch im Gazastreifen nieder und erreichten Israel nicht. 230.000 Menschen seien ohne Strom. Auch Leitungen von Kläranlagen sollen nach Angabe der Behörde beschädigt worden sein. Zudem hat die Hamas demnach eine Entsalzungsanlage abgeschaltet. Eine Viertel Million Menschen soll deshalb von der Wasserversorgung abgeschnitten sein. Die Cogat-Behörde ist für die Verbindungen Israels mit der palästinensischen Seite zuständig.
Mobilisierung von weiteren 9000 Reservisten
Militante Palästinenser haben laut israelischem Militär bislang insgesamt mehr als 1750 Raketen auf Israel abgefeuert. Die Armee habe ihrerseits bislang rund 600 Ziele im Gazastreifen beschossen. Seit Beginn des Beschusses aus dem Gazastreifen am Montagabend starben demnach bislang sieben Menschen in Israel, sechs Zivilisten und ein Soldat. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza starben in dem Küstengebiet im gleichen Zeitraum 67 Menschen, darunter 17 Kinder.
Israels Verteidigungsminister Gantz genehmigte unterdessen die Mobilisierung von weiteren 9000 Reservisten. Laut seinem Büro sollen die zusätzlichen Kräfte unter anderem dem südlichen und zentralen Regionalkommando der Streitkräfte zugeteilt werden. Am Dienstag hatte die israelische Armee bereits 5000 Reservisten mobilisiert.
sti/kle (afp, dpa, rtr)