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Vorwürfe gegen Israel

Peter Philipp14. Januar 2009

In Gaza soll Israel Phosporbomben einsetzen. Das Militär steitet dies ab: Israel halte sich an internationales Recht. Das Internationale Rote Kreuz steht in ständigem Kontakt mit den betreffenden Regierungen.

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Palästinensische Helfer und Opfer in Gaza nach einem Raketenangriff Israels am 14. Januar 2009 (Foto: AP)
Palästinensische Helfer und Opfer in Gaza nach einem Raketenangriff Israels am 14. Januar 2009Bild: AP

Israelische Politiker, allen voran Außenministerin Zipi Livni, versichern seit Beginn der Angriffe in Gaza, man unternehme jede Anstrengung, um Zivilisten zu schonen und zu schützen. Wenn sie dennoch zu Schaden kämen, dann sei dies bedauerlich, aber in Kriegssituationen sei das nun einmal nicht völlig auszuschließen. Oder sie verweisen darauf, dass die radikale Hamas-Organisation die eigenen Zivilisten als Schutzschild missbrauche und auch keine Rücksicht auf israelische Zivilisten nehme.

Die täglich wachsende Zahl toter und verletzter Zivilisten in Gaza seit Beginn der Kämpfe macht aber einen anderen Eindruck. Und auch in Gaza tätige humanitäre Organisationen - von der Flüchtlingshilfeorganisation UNRWA bis zum Internationalen Komitee für das Rote Kreuz - werfen Israel vor, nicht die gebotene Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen.

"Human Rights Watch" klagt an

Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" geht sogar noch weiter: Sie wirft Israel den Einsatz von weißem Phosphor in Gaza vor, obwohl die Zivilbevölkerung dieses weltweit am dichtesten besiedelten Landstriches damit erheblichen Gefahren ausgesetzt würde. Solche Phosphorbombern lösen bei Menschen schwerste Verbrennungen aus und führen meistens zu einem qualvollen Tod. Verletzte mit genau solchen Verbrennungen sind nach Aussagen von Ärzten in Gaza in die Krankenhäuser gebracht worden.

Verschiedene Gruppen von Kriegsgegnern beschuldigten Israel daraufhin, Kriegsverbrechen zu begehen. Nachdem der Vorwurf von Human Rights Watch in die Medien kam, versuchten offizielle Stellen in Israel, dies zunächst mit Schweigen zu übergehen. Der Sprecher des Außenministeriums verwies auf Militärsprecherin Avital Leibovich. Die sagte: "Die israelische Armee benutzt Munition in Übereinstimmung mit internationalem Recht. Wir erklären nicht im Detail, welche Art von Munition wir benutzen, wie wir auch nichts über unsere Operationen sagen. Und ich kann Ihnen versichern, dass Israel nicht gegen internationales Recht verstößt."

Phosphorbomben sind nur teilweise verboten

Tatsache ist: Das internationale Völkerrecht hat diese Art von Phosphorbomben nur teilweise verboten: Als Brandwaffen dürften sie eingesetzt werden - aber nicht in zivilen Wohngegenden. Als chemische Waffen - so werden Phosphorbomben von zahlreichen Staaten eingestuft – ist ihr Einsatz untersagt.

Dominique Loye ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Waffen beim Internationalen Roten Kreuz (IRK) in Genf. Er erläutert diese Widersprüchlichkeit damit, dass es darauf ankomme, ob ein Staat einen Vertrag unterschrieben habe. "Über Brandwaffen gibt es ein spezielles Protokoll. Wenn ein Staat einen solchen Vertrag nicht unterschrieben hat, dann ist er natürlich auch nicht gebunden, ihn zu respektieren." Wenn ein Staat sage, er respektiere im Generellen internationale Verträge, müsse man sehen, welche Verträge er unterschrieben hat. Und auch, ob er die generellen Regeln, die im internationalen Völkerrecht existieren, respektiere, sagt Loye vom IRK weiter.

Israel und die USA haben haben sich nicht verpflichtet

Im Fall der Phosphorbomben verhalte es sich laut IRK so: Wenn diese als Brandbomben eingesetzt werden sollen, dann muss die hierfür verantwortliche Armee dafür sorgen, dass davon möglichst keine Zivilisten getroffen werden. Die Armee müsse sich auch überlegen, ob es nicht andere Waffen gibt, die das gleiche militärische Ziel erreichen können, ohne dabei diese schrecklichen Verbrennungen zu verursachen.

Israel und die USA haben das betreffende Protokoll nicht unterzeichnet. Und beide setzen die Bomben ein: Die USA setzten sie im Irak ein, Israel warf sie im Libanon während des Krieges 2006 ab – zusätzlich zu bis zu einer Million Streubomben, die dort heute noch Zivilisten verletzen und töten.

Rotes Kreuz in ständigem Kontakt

Auch im Fall des Libanon schwieg Israel zunächst oder versuchte zu dementieren. Erst Monate nach dem Krieg gab ein Minister vor dem Parlament zu, dass man über Phosphorbomben verfüge und diese "entsprechend internationalen Gesetzen" gegen die libanesische Hisbollah-Miliz eingesetzt habe. Und zwar in freiem Gelände. Viel freies Gelände gibt es in Gaza jedenfalls nicht, und der Einsatz solcher Bomben könnte zu der Annahme führen, dass Israel eben doch nicht ausreichend Rücksicht auf Zivilisten dort nimmt, trotz der Beteuerungen israelischer Politiker.

Beim Internationalen Roten Kreuz liegen bisher keine Angaben vor, dass der Einsatz von Phosphor auch nur annähernd den Umfang hat, den der von Streubomben im Libanon hatte. Deswegen kümmert man sich auch noch nicht in vergleichbarer Weise um das Problem. Das Rote Kreuz steht aber nach eigenen Angaben in ständigem Kontakt mit den betreffenden Regierungen und bemüht sich darum, die Kriegsfolgen für Zivilisten so weit wie möglich zu reduzieren. Dass dies nicht immer gelingt, erzeugt auch Frust: "Man muss einfach realistisch sein", sagt Dominique Loye: "Es ist leider die Realität, dass Kriege immer noch sehr problematisch sind und Grausamkeit auslösen."