Israel greift bei Gegenschlag Raketenproduktion im Iran an
Veröffentlicht 26. Oktober 2024Zuletzt aktualisiert 26. Oktober 2024Israels Streitkräfte teilten mit, Flugzeuge der Luftwaffe hätten bei ihren Einsätzen in der Nacht nach nachrichtendienstlichen Erkenntnissen "Einrichtungen zur Herstellung von Raketen getroffen, die der Iran im Laufe des vergangenen Jahres auf den Staat Israel abgefeuert hat". Zugleich seien Boden-Luft-Raketen-Batterien und andere Luftsysteme des Iran beschossen worden. "Wir haben gezielte und präzise Angriffe auf militärische Ziele im Iran durchgeführt und damit unmittelbare Bedrohungen für den Staat Israel abgewehrt", so der israelische Militärsprecher Daniel Hagari. Die Luftangriffe seien beendet. "Unsere Flugzeuge sind sicher zurückgekehrt", hieß es vom Militär. "Der Vergeltungsangriff ist abgeschlossen und die Mission wurde erfüllt."
Die iranische Luftabwehr bestätigte, Israel habe "Militärzentren" in den Provinzen Teheran, Chusestan im Südwesten und Ilam im Westen angegriffen. Man habe die Angriffe erfolgreich abgewehrt, die Schäden seien begrenzt. Durch die Luftangriffe wurden nach Angaben der iranischen Streitkräfte zwei Soldaten getötet.
Teheran zitiert die UN-Charta
Das iranische Außenministerium erklärte, der Iran habe "das Recht und die Pflicht, sich selbst zu verteidigen", und zitierte die entsprechende UN-Charta. Eine Drohung mit einer weiteren Gegenreaktion blieb zunächst aus.
Um die Hauptstadt Teheran waren zahlreiche Explosionen zu hören, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Die Detonationen seien auf "die Aktivierung des Luftabwehrsystems" zurückzuführen, meldete das iranische Staatsfernsehen.
Iranische Medien berichten, dass "weder Feuer noch eine Explosion" von der Ölraffinerie der Hauptstadt gemeldet worden seien. Inzwischen wurde der Flugbetrieb im Iran wieder aufgenommen. Das sagte ein Sprecher der Zivilluftfahrtbehörde. Zuvor waren die Flüge auf allen Strecken "bis auf Weiteres" gestrichen worden.
Israel warnt Iran abermals
Der israelische Armeesprecher Hagari warnte die Führung in Teheran vor weiteren Angriffen. "Sollte das iranische Regime den Fehler begehen, eine neue Runde der Eskalation einzuleiten, sind wir verpflichtet, zu reagieren", sagte Hagari. "Unsere Botschaft ist klar: Alle, die den Staat Israel bedrohen und versuchen, die Region in eine größere Eskalation hineinzuziehen, werden einen hohen Preis zahlen." Hagari fuhr fort: "Jetzt hat der Staat Israel auch in der Luft über dem Iran eine größere Handlungsfreiheit."
Viele Appelle zur Deeskalation
Die USA forderten den Iran auf, "seine Angriffe auf Israel einzustellen, damit dieser Zyklus der Kämpfe ohne weitere Eskalation beendet werden kann", wie der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in Washington sagte. Ein Verteidigungsbeamter gab an, die USA seien vorab über die Angriffe informiert worden, aber nicht daran beteiligt gewesen. Die US-Regierung hatte sich zuvor ablehnend gegenüber möglichen Angriffen auf Atom- und Ölanlagen im Iran geäußert.
Frankreich, Großbritannien und Russland riefen beide Seiten zur Mäßigung auf. Auch die deutsche Regierung mahnte zur Zurückhaltung: Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte: "Meine Botschaft an den Iran ist klar: Es darf nicht immer weitergehen mit massiven Reaktionen der Eskalation. Das muss jetzt ein Ende haben." Voraussetzung für einen umfassenden Frieden in Nahost sei aber nicht nur eine Deeskalation zwischen dem Iran und Israel. "Wichtig dafür ist: Es braucht einen Waffenstillstand in Gaza und die Freilassung der Geiseln", betonte Scholz.
Schärfere Töne kamen aus arabischen Ländern. Saudi-Arabien verurteilte die israelischen Angriffe und warnte vor einer "anhaltenden Eskalation" und der Ausweitung des Konflikts, "der die Sicherheit und Stabilität von Ländern und Völkern" in der Region bedrohe. Der Irak warf Israel vor, den Konflikt auszuweiten "durch Angriffe, die ungestraft bleiben".
Das omanische Außenministerium sprach von einem "eklatanten Verstoß" gegen die iranische Souveränität. Die anhaltenden israelischen Angriffe drohten die Region weiter zu destabilisieren. Ähnlich äußerte sich Katar. Syrien als Verbündeter des Iran verurteilte die israelischen Angriffe und unterstützte Teheran und dessen Recht auf "Selbstverteidigung", wie das Außenministerium mitteilte.
Attacke auch in Syrien
Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA meldet, dass Israel am Samstag einen Luftangriff von den besetzten Golanhöhen und aus dem Libanon auf militärische Stellungen in Syrien ausgeführt habe. Iran und Syrien sind Verbündete in der gegen Israel gerichteten "Achse des Widerstands", der auch die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah-Miliz im Libanon angehören. Die USA, Deutschland und andere Staaten stufen Hisbollah und Hamas als Terrororganisationen ein.
Der Iran hatte am 1. Oktober etwa 200 Raketen auf Israel abgefeuert, von denen die meisten abgefangen wurden. Er reagierte damit auf die Militäroffensive Israels gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Südlibanon und die Tötung von deren Chef Hassan Nasrallah.
Schläge und Gegenschläge
Bereits am 13. April hatte der Iran Israel mit Raketen angegriffen. Nach Angaben aus Teheran war dies eine Vergeltung für einen Israel zugeschriebenen Angriff am 1. April auf das iranische Konsulat in Damaskus, bei dem sieben Mitglieder von Irans Revolutionsgarden getötet wurden. Es war Irans erster direkter Angriff auf seinen Erzfeind Israel überhaupt. Auch in diesem Fall wurde der größte Teil der Raketen von Israel mit Unterstützung mehrerer verbündeter Staaten abgefangen.
Seit dem Beginn des Krieges im Gazastreifen vor einem Jahr waren auch die Spannungen zwischen Israel und dem Iran weiter eskaliert. Der Iran unterstützt die Hisbollah im Südlibanon, die mit der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen verbündet ist.
Nach dem Raketenangriff vom 1. Oktober hatte Israels Verteidigungsminister Joav Gallant dem Iran mit einer "tödlichen, präzisen und überraschenden" Reaktion gedroht. Der Krieg im Gazastreifen war durch den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Auf israelischer Seite wurden mehr als 1100 Menschen teils brutal getötet. Rund 250 Personen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Seither geht Israel dort massiv militärisch gegen die Palästinenserorganisation vor. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer mehr als 42.800 Menschen getötet.
kle/AR/jj (afp, dpa, rtr)
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