Israel fängt Raketen aus dem Libanon ab
6. April 2023Aus dem Libanon wurden nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Raketen abgefeuert - zum ersten Mal seit mehr als anderthalb Jahrzehnten. Das nationale Abwehrsystem Iron Dome (Eiserner Dom) habe von insgesamt 34 Flugkörpern 25 abgefangen, so das Militär. Fünf Raketen seien auf dem Gebiet Israels gelandet. Der Verbleib von vier weiteren werde geprüft.
Israelischen Medienberichten zufolge war dies der heftigste Beschuss aus dem Libanon seit 2006. Die beiden Nachbarländer befinden sich offiziell noch im Kriegszustand. An der Grenze kommt es immer wieder zu Spannungen.
Nach einer Mitteilung des israelischen Rettungsdienstes "Magen David Adom" (auf Deutsch: Roter Schild Davids) wurden im Norden des Landes mindestens zwei Menschen leicht verletzt. In mehreren Orten waren Sirenen zu hören.
Nach Angaben der israelischen Armee wurden in der Stadt Schlomi und in der Siedlung Betzet Raketenalarm ausgelöst. Anwohner wurden angewiesen, Schutzräume aufzusuchen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach dem Raketenbeschuss aus dem Libanon ein hartes Vorgehen angedroht. "Wir werden unsere Feinde treffen, und sie werden den Preis für jegliche Aggression zahlen", teilte Netanjahu zum Beginn einer kurzfristig angesetzten Sitzung des Sicherheitskabinetts in Jerusalem mit.
Unklar war, welche Gruppierung hinter den Angriffen steht. In libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, dass es sich größtenteils um sogenannte Katjuscha-Raketen handelte, die vor allem von palästinensischen Gruppierungen verwendet werden.
Hisbollah gibt Solidaritäts-Erklärung ab
Zuvor hatte die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon erklärt, sie unterstütze alle "Maßnahmen", die palästinensische Gruppen nach den jüngsten Zusammenstößen mit der Polizei auf dem Tempelberg in Jerusalem ergreifen würden. Sie bekunde ihre "volle Solidarität mit dem palästinensischen Volk und den Widerstandsgruppen", teilte die Miliz mit.
Sie kontrolliert weite Teile im Süden des Libanon und hat enge Verbindungen zur radikalislamischen Hamas, die den Gazastreifen beherrscht. Am Mittwoch war Hamas-Chef Ismail Hanijeh zu einem Besuch im Libanon eingetroffen. Deutschland, die Europäische Union, die USA und einige arabische Staaten stufen die Hamas als Terrororganisation ein.
Das israelische Militär wies Berichte libanesischer Staatsmedien über angebliche Angriffe auf Ziele im Südlibanon als Reaktion auf den Raketenbeschuss zurück. Israel habe "bisher" keine Vergeltungsmaßnahmen ergriffen, teilte die Armee auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP mit.
Die libanesische Nachrichtenagentur ANI hatte gemeldet, die israelische Artillerie habe "mehrere Granaten von ihren Stellungen an der Grenze" in Richtung der Außenbezirke zweier Dörfer im Südlibanon abgefeuert und damit auf den Beschuss "mehrerer Raketen vom Typ Katjuscha" reagiert.
UN-Mission: "Lage sehr ernst"
Die UN-Beobachtermission UNIFIL (United Nations Interim Force in Lebanon) rief beide Seiten zur Deeskalation auf. "Die Lage ist sehr ernst", erklärte die Organisation.
UNIFIL-Chef Aroldo Lazaro sei mit den Behörden auf beiden Seiten in Kontakt. Die Blauhelm-Soldaten der UNIFIL überwachen seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon. Auch die chinesische Regierung äußerte sich besorgt und forderte beide Seiten zur Besonnenheit auf.
Vorausgegangen waren Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern am Tempelberg in Jerusalem. Nach Angaben der israelischen Polizei waren in der Nacht zum Mittwoch mehr als 350 Menschen festgenommen worden, nachdem sich "Unruhestifter" in der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg verbarrikadiert hätten. Beamte seien mit Steinen beworfen und Feuerwerkskörper seien gezündet worden. Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist.
Nach den Unruhen in der drittheiligsten Stätte des Islam waren am Mittwoch auch aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel abgefeuert worden, woraufhin Israel mit eigenen Angriffen reagierte. Auch am Donnerstag wurden aus dem Gazastreifen Raketen auf Ziele in Israel abgeschossen.
Pessach, Ramadan und Ostern zur gleichen Zeit
Vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan vor rund zwei Wochen war eine Verschärfung der ohnehin angespannten Sicherheitslage im Nahen Osten befürchtet worden. Aktuell kommen besonders viele Muslime zum Tempelberg, um während des Fastenmonats dort zu beten.
Am Mittwoch begann zudem das einwöchige Pessachfest. Einer der Bräuche ist dabei eine Wallfahrt nach Jerusalem. Zudem stehen mehrere Feiern über Ostern in der Altstadt bevor.
kle/sti/apo (dpa, afp, rtr, kna)