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Islam: Zwischen Feindbild und Dialog

Miodrag Soric2. August 2004

Feindbilder entstehen nicht von heute auf morgen, sondern über viele Jahre. Heute setzt man in Europa dem aktuellen Feindbild der Muslime die Bereitschaft zum Dialog mit dem Islam entgegen. Kein leichtes Unterfangen.

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Schlägt in Prag die Uhr des Altstädter Rathauses, kommt eine dunkle Figur hervor, die den Tod symbolisiert. Sie läutet das Totenglöckchen. Gleichzeitig kräht ein flügelschlagender Hahn und ein kleiner "Türke" wackelt mit dem Kopf. Die Figuren haben einst die Prager daran erinnert, dass die Gefahr einer osmanischen Invasion noch nicht vorüber sei. Nach der sowjetischen Invasion von 1968 spotteten die Tschechen, dass in der Uhr des Rathauses der "Türke" gegen einen "Russen" ausgetauscht werden sollte.

Inzwischen ist zumindest diese Sorge gewichen: Die Tschechen sind Mitglied der Europäischen Union und der NATO. Doch das Feindbild von Muslimen aus fernen Ländern, welche die Sicherheit Europas und des Westens bedrohen, ist nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 in den USA wieder aktuell.

Europäer verstehen Terror-Grund nicht

Letztlich können die Menschen in Prag, Wien oder in Berlin nicht so recht verstehen, weshalb sie bedroht werden. Sie haben keinerlei Schuldgefühle gegenüber der muslimischen Welt. Weil das so ist, suchen sie das Gespräch mit den vermeintlichen Feinden. Kaum ein anderer Slogan wird in Europa so inflationär verwendet wie der "Dialog mit dem Islam". Für diesen Dialog wird sehr viel Geld ausgegeben, von Regierungen, Stiftungen, Privatpersonen. Doch ein echtes Gespräch zwischen zwei Welten - der des Westens und der des Islams - will nicht so recht zustande kommen. Kluge Analysten haben festgestellt, warum das so ist: "Den Westen" gebe es schließlich ebenso wenig wie "den Islam", heißt es. Was bleibt, ist das Gespräch zwischen Menschen, die sich beiden Welten zugehörig fühlen. Feindbilder lassen sich so - wenn auch langsam - abbauen.

Europäer beobachten sich selbst

Hinzu kommt die Neigung der Europäer zur Selbstreflexion. Diese geht einher mit dem Trend die eigenen Werte zu relativieren. Toleranz und Offenheit gegenüber dem Fremden gilt als wichtiges Element der westlichen Kultur. Nicht umsonst ist die Säkularisierung der Gesellschaft eine Erfindung des alten Kontinents. Die meisten Europäer - ganz gleich, wo sie im politischen Spektrum angesiedelt sind - halten sich für liberal. Sie achten die Werte anderer, suchen den Kompromiss. Das hat etwas mit der europäischen Geschichte zu tun, einer Geschichte mit vielen religiös motivierten Kriegen. Das lehrte die Menschen den Ausgleich zu suchen. Nachgeben ist nicht immer ein Zeichen der Schwäche, sondern oft ein Gebot der Klugheit.

Europäer relativieren eigene Werte

Andererseits ist der Hang der Europäer, ihre eigenen Werte und Traditionen zu relativieren, auch ein Hindernis für den Dialog mit ihnen. Wer - wie viele Europäer - über sich selbst räsoniert, manchmal auch in Frage stellt, tut sich schwer damit, klar Positionen zu beziehen. Das aber erschwert den Dialog - übrigens nicht nur mit der islamischen Welt, sondern auch mit den Amerikanern.

Die USA können zwar nicht auf eine so lange Geschichte zurückblicken wie Europa. Dafür verteidigen sie umso entschlossener und offensiver die eigenen Werte, die eigene Kultur.

Europäer von Amerikanern "gerettet"

Es waren die Amerikaner, die im vergangenen Jahrhundert zwei Mal die europäischen Werte wie die Achtung der Menschenwürde, Demokratie oder Rechtstaatlichkeit retteten, indem sie in die beiden Weltkriege eingriffen. Das hält die Europäer, darunter auch viele Deutsche, nicht davon ab, den Amerikanern eine leichtfertige Cowboy-Mentalität vorzuwerfen, ein allzu offensives, ja aggressives Verhalten gegenüber anderen Völkern und Kulturen. Gleichzeitig bewundern viele politische Entscheidungsträger im alten Europa aber auch wieder die Entschlossenheit der politischen Führer in Washington - und das bei aller Selbstreflexion und Liberalität.