Terrormiliz ruft Gottesstaat aus
29. Juni 2014Drei Wochen nach Beginn ihres Vormarsches im Irak hat die radikal-sunnitische Gruppe die Schaffung ihres Kalifats in einer Audiobotschaft mitgeteilt, die über den Internet-Dienst Twitter verbreitet wurde. Das Kalifat, eine vor fast einhundert Jahren verschwundene islamische Regierungsform, werde sich von der Region Aleppo im Norden Syriens bis zur Region von Dijala im Osten des Iraks erstrecken, teilte ISIS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani in der Botschaft mit. Damit bezog er sich auf die Regionen, welche die Extremisten in den vergangenen Wochen und Monaten in beiden Ländern unter ihre Kontrolle gebracht haben.
Umbenennung in "Islamischer Staat"
Die Errichtung des Kalifats sei bei einer Sitzung der Schura (des Rates) der Organisation beschlossen worden, sagte al-Adnani. Nach seinen Angaben nennt sich die Gruppe fortan "Islamischer Staat" und nicht mehr "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIS). Das Kalifat sei "der Traum jedes Muslims" und "der Wunsch jedes Dschihadisten", meinte er weiter.
Erster Kalif des neuen Gottesstaates sei ISIS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi. Für alle Muslime sei es empfehlenswert, ihm Folge zu leisten, erklärte al-Adnani. Als Kalif wird in der islamischen Welt der Nachfolger des Propheten Mohammed als "Emir der Gläubigen" bezeichnet. Zwischen dem siebten und dem 16. Jahrhundert erlebte das Kalifat seine Blütezeit. Das letzte Kalifat hatte die türkische Regierung 1924 nach dem Ende des Osmanischen Reiches abgeschafft.
ISIS war ursprünglich ein Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida. In diesem Frühjahr kam es jedoch zum Bruch. Nach Einschätzung von Experten kämpfen beide Gruppen nun um die Vormachtstellung in der Dschihad-Bewegung.
"Marsch auf Bagdad"
Erklärtes Ziel der ISIS-Terroristen, die in den vergangenen Wochen im Irak weite Teile im Norden und Westen eingenommen haben, ist der Marsch auf die Hauptstadt Bagdad und die Errichtung eines grenzüberschreitenden Kalifats, in dem die weltliche und religiöse Führung in einer Hand liegt.
Um die nordirakische Stadt Tikrit liefern sich Regierungstruppen und ISIS-Islamisten weiter schwere Kämpfe. Über die militärische Lage gibt es widersprüchliche Nachrichten. Der britische Sender BBC meldet unter Berufung auf Augenzeugen, die Armee habe sich wegen heftigen Widerstands südlich von Tikrit zurückziehen müsen. Das regierungstreue Nachrichtenportal Al-Sumeria berichtet dagegen, die Truppen seien tiefer in die Stadt eingedrungen und hätten weite Teile von "Aufständischen gesäubert".
Irakische Soldaten rückten am Sonntag auch auf die überwiegend von Schiiten bewohnte Ortschaft Baschir südlich von Kirkuk vor, die ebenfalls von ISIS-Kämpfern überrannt worden war. Die Regierungstruppen wurden nach offiziellen Angaben von kurdischen Peschmerga unterstützt.
Zur Unterstützung der irakischen Luftwaffe lieferte Russland dem Irak fünf Militärjets vom Typ Suchoi.
se/qu (rtr, dpa, afp, ape)