IS bekennt sich zu Istanbul-Anschlag
2. Januar 2017Die Behörden arbeiteten mit Hochdruck daran, die Identität des Täters festzustellen, sagte Ministerpräsident Binali Yildirim. Medienberichte, wonach der Angreifer ein Weihnachtsmannkostüm getragen haben soll, dementierte er. Innenminister Süleyman Soylu sagte, die Ermittlungen der Sicherheitskräfte deuteten darauf hin, dass es sich nur um einen Schützen gehandelt habe. Der Attentäter habe sein Gewehr unter einem Mantel verborgen. Womöglich wechselte er später die Kleidung, bevor er den Club verließ. Yildirim sagte, es könne sein, dass der Angreifer seine Waffe im Club gelassen und sich im Tumult unter die Flüchtenden gemischt habe.
Ein Bekenntnis
Der Attentäter hatte in dem bei Prominenten und Touristen beliebten Nachtclub "Reina" am Bosporus-Ufer wahllos um sich geschossen, mindestens 39 Menschen getötet und 65 weitere verletzt. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat sich inzwischen zu dem Anschlag bekannt. "Ein Soldat des Kalifats" sei für die Tat verantwortlich, heißt es in einer im Internet verbreiteten Erklärung. Die Echtheit des Bekennerschreibens ließ sich zunächst nicht überprüfen.
Von kurdischer Seite wurde bereits am Sonntag die Verantwortung für den Anschlag bestritten. Die Agentur Firat, die der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahesteht, zitierte deren Chef Murat Karayilan mit der Aussage, dass keine kurdische Gruppierung hinter der Tat stecke.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte den Anschlag als abscheuliche und barbarische Tat. Alle Terrorakte seien verbrecherisch und durch nichts zu rechtfertigen, unabhängig von ihrer Motivation, teilte das UN-Gremium in New York mit.
Ein oder zwei Täter?
Die Nachrichtenagentur DHA hatte gemeldet, zwei als Weihnachtsmänner verkleidete Terroristen seien in den Club eingedrungen und hätten das Feuer mit automatischen Waffen eröffnet. Auch eine Augenzeugin hatte zwei Angreifer gezählt. Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin dagegen sprach von einem Attentäter, der sich um 01.15 Uhr Zugang zum Club verschafft habe, indem er am Eingang einen Polizisten und einen Zivilisten erschossen habe.
Bei den Toten handelt es sich um 25 Männer und 14 Frauen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Zwölf der identifizierten Todesopfer seien Türken gewesen, eines davon habe zusätzlich die belgische Staatsangehörigkeit gehabt. Alle anderen waren demnach Ausländer verschiedener Nationalitäten. Als Herkunftsländer nannte Anadolu Saudi-Arabien (7), Libanon und den Irak (je 3), Tunesien, Marokko, Indien, Jordanien (je 2), Kuwait, Kanada, Israel, Syrien und Russland (je 1).
In dem auf der europäischen Seite von Istanbul gelegenen Club mit mehreren Restaurants und Tanzflächen hielten sich zur Silvesterfeier bis zu 800 Menschen auf. Nur wenige hundert Meter weiter fanden die offiziellen Silvesterfeierlichkeiten statt. Wegen der Anschlagsgefahr waren in Istanbul 17.000 Polizisten im Einsatz, es galten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen in der gesamten Innenstadt.
Die Tatsache, dass der Angriff einem mondänen Club galt, in dem auch Ausländer verkehren, werteten Beobachter in der Türkei als Hinweis auf einen möglichen islamistischen Hintergrund. Nach dem türkischen Einmarsch in Syrien hatte der Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen. Der Zeitung "Hürriyet" zufolge waren am Silvestertag acht IS-Kämpfer in Ankara festgenommen worden, die einen Anschlag in der Nacht geplant haben sollen.
Erdogan: Die Türkei ist in einem Unabhängigkeitskrieg
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, weiter entschlossen gegen den Terrorismus zu kämpfen. Die Türkei werde alles tun, um "die Sicherheit und den Frieden ihrer Bürger zu gewährleisten". Nur Stunden vor dem Silvesterangriff hatte Erdogan in seiner Neujahrsansprache gewarnt, die Türkei sei einem "neuen Unabhängigkeitskrieg" ausgesetzt.
Nach Ansicht von Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hat Erdogans Regierung im Kampf gegen den Terrorismus versagt. Ihr gelinge es nicht, Anschläge zu verhindern, sagte der Politiker der säkularen Partei CHP.
gri/SC/cw (afp, rtr, dpa)