Moskau und Westen nähern sich an
27. September 2014Auf den ersten Blick ist alles wie früher. Das russische Staatsfernsehen lässt keine Gelegenheit aus, um den Westen anzuprangern. So zitierte eine Nachrichtenmoderatorin am Donnerstagabend genüsslich aus der Rede des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani in der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Die Erstarkung der Terrormilizen des "Islamischen Staats" (IS) im Irak und in Syrien sei das Ergebnis "strategischer Fehler des Westens".
Auch die verbalen Sticheleien sind geblieben. "Für mich war es komisch, dass der US-Präsident mehrmals sagte, die Welt sei freier und sicherer geworden", spottete am Tag zuvor der russische Außenminister Sergej Lawrow über den Auftritt Barack Obamas in der UN-Vollversammlung. Er habe sich sogar gefragt, ob das denn ernst gemeint sei, so der russische Chefdiplomat. Lawrow empörte sich darüber, dass Obama Russland wegen seines völkerrechtswidrigen Vorgehens in der Ukraine an zweiter Stelle als Gefahr für den Weltfrieden erwähnt hatte - direkt hinter der Ebola-Epidemie und noch vor dem islamistischen Terror.
Russische Kampfflugzeuge für Irak
Der Fall Ukraine belastet weiterhin das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Doch der Kampf gegen die Terrorarmee IS im Nahen Osten scheint Moskau und die westliche Welt so nah wie seit Monaten nicht mehr gebracht zu haben. Russland stimmte am Mittwoch zusammen mit anderen Staaten im UN-Sicherheitsrat für die von den USA eingebrachte Resolution gegen islamistische Terrormilizen. Alle Staaten werden darin verpflichtet, jegliche Hilfe für Extremisten zu stoppen.
Auch über die von Washington ausgerufene und angeführte Koalition gegen den IS äußert sich Moskau verhalten bis neutral. Selbst dazugehören will der Kreml nicht. "Die Anti-IS-Koalition ist keine Clubparty, wir erwarten keine Einladungen und werden keine Eintrittskarten kaufen", sagte ein Vertreter des Außenministeriums der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Er betonte jedoch, dass Russland bereits diejenigen Staaten unterstütze, die gegen den IS kämpften.
Es geht in erster Linie um militärische Hilfe für den Irak. Im Sommer lieferte Russland nach Medienberichten ein Dutzend Kampfflugzeuge vom Typ "Suchoi" Su-25 und eine ungenannte Zahl von Militärhubschraubern Mi-28 an die Regierung in Bagdad. Im Juli wurde zwischen Moskau und Bagdad ein weiterer milliardenschwerer Vertrag über die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern vom Typ "Grad" (Hagel), Haubitzen und anderem Kriegsgerät unterzeichnet. "Ohne jegliche Koalition helfen wir seit langem dem Irak, Syrien und anderen Staaten in der Region im Kampf gegen dieses Übel", sagte Außenminister Lawrow und meinte den IS.
Moskaus Sorgen wegen Syrien
Während im Irak Russland und der Westen de facto an einem Strang ziehen, sorgt Syrien noch für Spannungen. Moskau beäugt kritisch die jüngsten Luftschläge der US-Luftwaffe und ihrer Verbündeten gegen IS-Stellungen in Syrien. Russland fordert, dass dies nur mit der Zustimmung der Regierung in Damaskus geschehen darf. Die USA lehnen das ab, denn Washington spricht dem Regime des Präsidenten Baschar al-Assad wegen seines Vorgehens gegen die Opposition die Legitimität ab.
Für Russland ist Syrien seit Sowjetzeiten ein enger Verbündeter. Seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 hielt Russland seine schützende Hand über Assads Regierung und verhinderte mehrmals scharfe Resolutionen im UN-Sicherheitsrat. Vor rund einem Jahr überzeugte Moskau Syrien, seine Chemiewaffen zerstören zu lassen. So verhinderte Russland US-Luftangriffe gegen syrische Truppen. Nun befürchtet Moskau, dass die USA nicht nur den IS, sondern auch Assads reguläre Armee bombardieren könnten.
Moskau wirft Washington in Syrien "Doppelstandards" vor und sieht sich in seiner bisherigen Politik gegenüber Damaskus bestätigt. "Als wir aufgerufen hatten, die syrische Regierung im Kampf gegen Terroristen zu unterstützen, hörte man auf uns nicht", sagte Außenminister Lawrow.
IS droht Putins Russland
Russlands indirekte Unterstützung für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" ist wohl auch ein Selbstschutz. Die IS-Milizen drohten erst vor wenigen Wochen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Man werde den russischen Nordkaukasus "befreien", hieß es in einem Internet-Video. "Die Drohungen mit Terroranschlägen im Kaukasus sollten ernst genommen werden", sagte dazu der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, Michail Margelow, in einem Interview.
Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass es sowohl Kämpfer aus Russland in Syrien gibt, als auch IS-Aktivisten in Russland selbst. Genaue Zahlen gibt es nicht. Anfang September wurde ein mutmaßliches IS-Mitglied in Moskau festgenommen - und in russischen sozialen Netzwerken werden immer wieder Seiten von IS-Anhängern gesperrt.