Irans verfolgte Christen ohne Hoffnung
25. Januar 2016Wenn Irans Präsident Hassan Rohani an diesem Dienstag Papst Franziskus im Vatikan besucht, dürfte ein Thema gesetzt sein: Die Lage der Menschenrechte und besonders die der christlichen Minderheit in der Islamischen Republik. Rund 98 Prozent der Iraner sind Muslime. Die Zahl der Christen ist weniger klar: Von 90.000 sprechen die Behörden. Das katholische Hilfswerk missio schätzt sie weit höher. Die Menschenrechtsorganisation "Open Doors" spricht sogar von bis zu 500.000 Iranern christlichen Glaubens – darunter evangelische, armenisch-apostolische, assyrisch-chaldäische und, nach katholischer Schätzung, bis zu 15.000 römisch-katholische Christen.
Ihre Lage nennt Markus Rode, Iran-Experte von Open Doors, "sehr dramatisch". Am schlimmsten trifft es nach seinen Worten die große Gruppe der zum christlichen Glauben übergetretenen Muslime. Sie würden "extrem hart verfolgt." Viele säßen in Gefängnissen, würden gefoltert oder unter fadenscheinigen Vorwürfen mit dem Tode bedroht. Armenische und assyrische Gemeinden hingegen könnten zwar - streng beobachtet von Polizei und Geheimdiensten - Gottesdienste abhalten, jedoch keinesfalls in persischer Sprache. Verboten sei jede christliche Literatur auf Farsi. Missionierung soll verhindert werden. "Die traditionellen Kirchen werden regelrecht stranguliert", so Rode zur DW, "den Betroffenen bleibt nur die Möglichkeit, in den Untergrund abzutauchen." Viele Christen treffen sich deshalb in kleinen Hauskirchen, um Gottesdienste zu feiern.
Scheinhinrichtung auf offener Straße
Rode erzählt vom Schicksal eines iranischen Christen. In Teheran sei der Mann "von der Straße weg in ein Taxi gezerrt" worden. Man habe ihm gesagt: "Jetzt wirst Du Deinen Glauben aufgeben. Du wirst zurückkehren zum Islam. Oder Du wirst sterben!" Man habe ihm eine Pistole an die Stirn gesetzt und abgedrückt. In der Waffe seien jedoch keine Kugeln gewesen. Nach der "Scheinhinrichtung auf offener Straße" sei der Mann in ein Teheraner Gefängnis geworfen worden, wo ihm seine Peiniger Zigaretten auf dem Körper ausdrückten. Verwandte hätten den Mann mit viel Geld freigekauft. Er lebe heute in Deutschland – in Angst vor dem iranischen Geheimdienst, dessen Arm lang sei.
Rodes Schilderung deckt sich mit der von Matthias Vogt, Islamwissenschaftler und Nahost-Referent des Hilfswerks missio. Besonders kritisch sieht auch Vogt die Lage der Konvertiten. Denn bei Gefängnis- oder sogar Todesstrafe sei es Muslimen verboten, zum christlichen Glauben überzutreten. Nach iranischer Lesart blieben selbst konvertierte Christen weiter Muslime. Kein Muslim dürfe ein christliches Gotteshaus betreten. "Der Druck auf die Kirchen bleibt hoch", sagt Vogt im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Der Iran ist ein totalitärer Staat", zitiert die Internetplattform katholisch.de Berthold Pelster, Sprecher des Hilfswerks Kirche in Not, "ein Überwachungsstaat, ein Polizeistaat, der versucht, die Bevölkerung von allem jenseits der schiitischen, islamischen Kultur abzuschirmen."
Skepsis nach dem Atomabkommen
Wirkt sich das Atomabkommen auf die innenpolitische Lage aus? An eine baldige Verbesserung der Menschenrechtslage glauben weder Rode noch Voigt. "Aus westlicher Brille sieht es so aus", meint Rode, "als gäbe es jetzt die historische Chance dazu". "Dem Iran geht es um wirtschaftliche Interessen. Er braucht Waffen, deshalb der Atomdeal mit dem 'großen Satan' USA. Das hat nichts damit zu tun, dass man den christlichen Glauben im eigenen Land abschnüren möchte." So seien zwar soeben erst zwei christliche Pastoren aus dem Gefängnis freigekommen. Doch schon an Weihnachten habe das Regime weitere Christen verhaftet. Auch Matthias Vogt von missio ist skeptisch.
Im Westen gilt Irans Präsident Hassan Rohani, der nach zwei Jahren im Amt zu seiner ersten Europareise aufbricht, als "Hoffnungsträger". Mit dem Atomabkommen hat er sein Land aus der politischen Isolation geführt, glauben viele, und eine wirtschaftliche Öffnung ermöglicht. Ganz anders die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi: "Rohani hat keine Macht und keine Autorität", konstatierte die Juristin unlängst bei einer Iran-Tagung von missio in Aachen. Die Macht liege allein in den Händen der obersten geistlichen Führer. Tatsächlich steht die Scharia im schiitischen Gottesstaat Iran über jedem weltlichen, menschengemachten Recht. "Ich bin schockiert, wie der Westen plötzlich losrennt, um wirtschaftliche Projekte zu realisieren", schimpft Rode, statt die eigene Verhandlungsposition zu nutzen: "Ich höre nicht, dass offen und klar gesagt wird: 'Lasst alle Christen raus!'"