Irans begrenzter Einfluss auf Taliban-Führung
18. Januar 2022Teheran wünscht eine Einheitsregierung unter Beteiligung aller Volksgruppen in Afghanistan, während die von den Taliban gebildete Regierung mehrheitlich aus Paschtunen besteht. Insbesondere die große Minderheit der Tadschiken sollte aus Sicht Teherans stärker an der Macht beteiligt werden. Deshalb nutzte Teheran den Besuch einer Delegation der Taliban unter ihrem Außenminister Amir Motaki am vorvergangenen Wochenende, um ein Treffen zwischen Motaki und zwei prominenten Vertretern der Tadschiken, die derzeit im Iran leben, zu arrangieren: Mit Ismail Khan aus dem westafghanischen Herat und Ahmad Masud, Anführer der Nationalen Widerstandsfront aus dem Pandschir-Tal im Osten des Landes. Auch Khan gehört zu der Front, die sich als letzte verbliebene Oppositionskraft gegen die Taliban-Herrschaft in Afghanistan versteht.
Gespräch mit tadschikischer Opposition
Offizieller Zweck der Reise Motakis waren Gespräche über Wirtschafts- und Handelsfragen, über deren Inhalt allerdings nichts bekannt wurde. Er habe Ismail Khan und Masud bei dem Treffen aufgefordert, ihren Widerstand gegen die Herrschaft der Taliban aufzugeben und nach Afghanistan zurückzukehren. Sie könnten in Afghanistan frei und sicher leben, teilte Motaki nach dem Treffen mit. "Ich brauche keine Erlaubnis, um in mein Heimatland zurückzukehren", antwortete Masud in einer Erklärung. Zudem bezeichnete er das Treffen als ergebnislos. "Die Taliban lassen sich nicht auf eine inklusive Regierung ein und werden die Bürgerrechte nicht respektieren."
Immerhin scheint es eine Annäherung zwischen Ismael Khan und den Taliban gegeben zu haben. Zumindest sollen die Gespräche zwischen beiden Parteien fortgesetzt werden. Das bestätigte ein Vertrauter Khans, der ehemalige Gouverneur der Provinz Badghis, Hessamuddin Schams, gegenüber dem Persischen Programm der BBC. Die Gespräche bewertete er als "konstruktiv".
Suche nach diplomatischer Anerkennung
"Wichtiger als Wirtschaftsfragen ist für die Taliban die Anerkennung des 'Islamischen Emirats' durch die Weltgemeinschaft und besonders durch die Nachbarländer", sagt der Kabuler Experte für Internationale Beziehungen Mohammad Asam Tarik im Gespräch mit der DW. "Die fehlende Anerkennung ihrer Herrschaft ist innerhalb und außerhalb Afghanistans die größte Herausforderung für die Taliban. Wirtschaftliche oder kulturelle Zusammenarbeit mit anderen Ländern kann es erst nach der Anerkennung des 'Islamischen Emirats' geben."
Aber auch der Iran hat, trotz des Empfangs ihres Außenministers, die Regierung der Taliban in Afghanistan noch nicht formell anerkannt. So wurde auch das Gebäude der afghanischen Botschaft in Teheran noch nicht an die Taliban übergeben. Die Lage im Nachbarland sei für Iran unverändert ein Grund zur Sorge, teilte der Sprecher des iranischen Außenministeriums nach der Abreise der Taliban-Delegation mit.
Der Iran werde dennoch weiter versuchen, seine Beziehungen zu den Taliban zu stärken, um in Kabul Einfluss zu gewinnen, meint die ehemalige afghanische Parlamentsabgeordnete Schukria Baraksai im Gespräch mit der DW. "Der Iran will seine Grenze schützen und ist besorgt über die Aktivitäten von IS-Anhängern in Afghanistan. Bereits seit 20 Jahren unterstützt der Iran die Taliban."
Belastete Beziehungen und gemeinsamer Feind
Dabei sind die Beziehungen zwischen beiden Seiten seit 1998 belastet. Damals wurden bei der Stürmung des iranischen Konsulats in Masar-i Scharif acht iranische Diplomaten von den Taliban getötet. Große Porträts der "Märtyrer" halten im Zentrum Teherans die Erinnerung an den Überfall wach.
Die gemeinsame Feindschaft gegen die USA war jedoch stärker. Die iranischen Revolutionsgarden sollen die Taliban im Kampf gegen die USA unterstützt haben. 2017 erklärte der Chef des Generalstabs der afghanischen Streitkräfte, Mohammad Sharif Jaftali, in einem Interview mit der BBC, die Regierung in Kabul habe Beweise dafür, dass Teheran Waffen und Ausrüstung an die Taliban liefere. 2016 wurde der damalige Taliban-Führer Achtar Mohammad Mansur von einer amerikanischen Drohne getötet, nachdem er die iranische Grenze nach Pakistan überquert hatte.
Dementsprechend begrüßte Teheran im vergangenen August die Rückkehr der Taliban an die Macht mit den Worten: "Die militärische Niederlage und der Rückzug der USA aus Afghanistan müssen als eine Chance angesehen werden, um dort Sicherheit und dauerhaften Frieden zu etablieren."