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Iranischer Fußball: Ausgebremst vom Staat

John Duerden
27. Januar 2022

Irans Spitzenklubs Persepolis und Esteghlal sind aus der asiatischen Champions League ausgeschlossen. Ein Beispiel, wie die Beziehungen zwischen Vereinen und Staat die Entwicklung des Fußballs massiv behindern können.

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Spielszene Persepolis gegen Esteghlal
Irans Topklubs Persepolis und Esteghlal wurden aus der asiatischen Champions League ausgeschlossenBild: ATPImages/ZUMA Wire/picture alliance

Der Iran ist ein fußballbegeistertes Land. Wenn Esteghlal und Lokalrivale Persepolis im Teheraner Derby aufeinandertreffen, locken sie 100.000 Zuschauer in das gemeinsam genutzte Azadi-Stadion in der iranischen Hauptstadt. Esteghlal und Persepolis sind mehr als nur Fußballvereine, sie sind Institutionen.

"In meiner 35-jährigen Trainerkarriere in sieben Ländern habe ich keinen Ort gesehen, an dem Vereine so wichtig sind wie Persepolis und Esteghlal wie im Iran", sagt Afshin Ghotbi. 2008 führte er Persepolis als Trainer zur Meisterschaft. "Diese Vereine liegen fast jeder Familie im Iran im Blut und in der DNA."

Kein Erfolg im eigenen Land

Aber auch die Nationalmannschaft ist von Interesse. Der Iran hat sich für fünf Weltmeisterschaften qualifiziert, ist dabei aber nie über die Gruppenphase hinausgekommen. Den Fans besonders in Erinnerung geblieben ist der 2:1-Sieg gegen die USA bei der WM 1998 in Frankreich. In der aktuellem WM-Qualifikation für Katar führt Irans Nationalteam seine Gruppe an und hat gute Chancen, sich erneut zu qualifizieren. Und auch im Vereinsfußball bringt der Iran Spieler hervor, die in den europäischen Ligen immer gefragter sind.

So hat Mittelfeldspieler Saman Ghoddos in dieser Saison zwölf Premier-League-Spiele für den FC Brentford absolviert und dabei ein Tor gegen den FC Burnley erzielt. Flügelspieler Alireza Jahanbakhsh kam in 61 Spielen für Brighton & Hove Albion zum Einsatz, hatte aber in den Niederlanden, wo er jetzt für Feyenoord Rotterdam spielt, mehr Erfolg. Stürmer Sardar Azmoun wird im Sommer zum Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen wechseln, nachdem er vier erfolgreiche Jahre in Russland bei Zenit St. Petersburg verbracht hat.

Russland St. Petersburg | Russian Football Premier League: Zenit St Petersburg 5 - 1 FC Niz
Geht demnächst für Bayer 04 Leverkusen auf Torejagd: Irans Nationalspieler Sardar Azmoun (2.v.r.)Bild: Peter Kovalev/TASS/dpa/picture alliance

Die heimische Liga hat dagegen an Bedeutung verloren und ist hinter ihren asiatischen Konkurrenten zurückgeblieben. Japan und Südkorea haben zunehmend professionelle nationale Wettbewerbe. Seit der Jahrtausendwende ging der Titel in der asiatischen Champions League insgesamt zwölfmal an einen japanischen oder südkoreanischen Klub. Auch regionale Nachbarn wie Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate haben Ligen, die besser finanziert und professioneller geführt werden, als es im Iran der Fall ist.

Der letzte iranische Verein, der sich Asiens Fußballkrone aufsetzen konnte, war 1993 der inzwischen aufgelöste PAS Teheran. Heutzutage sind Esteghlal und Persepolis zwar beliebt und werden gut unterstützt, aber das bedeutet nicht, dass sie auch gut geführt werden.

Das iranische Problem

Im Januar wurden beide von der Asiatischen Fußballkonföderation (AFC) von der Asiatischen Champions League 2022, dem wichtigsten Klubturnier des Kontinents, ausgeschlossen - weil sie die erforderlichen Kriterien in den Bereichen Sport, Infrastruktur, Verwaltung, Recht und Finanzen nicht erfüllt hatten. Dariush Mostafavi, der ehemalige Vorsitzende des iranischen Fußballverbands (IFF), reagierte umgehend auf die Nachricht. "Das ganze Problem heute ist die Präsenz der Politik im Fußball", sagte Mostafavi dem staatlichen Fernsehen.

Persepolis und Esteghlal sind beide im Besitz des Ministeriums für Jugend und Sport, was gegen die AFC-Regeln verstößt, nach denen Vereine mit denselben Besitzern nicht an der Champions League teilnehmen dürfen. 

Spielszene Persepolis gegen Esteghlal
Nach dem Aus in der Champions League geht es für Persepolis und Esteghlal "nur" noch um nationale TitelBild: ATPImages/ZUMA Wire/picture alliance

Verbindungen zwischen Fußballvereinen und staatlichen Organisationen sind in einer Reihe von asiatischen Ländern nicht ungewöhnlich, aber nur wenige sind so eng wie die zwischen den Teheraner Klubs und dem iranischen Staat. "Alle Vereine sind direkt oder indirekt mit der Regierung verbunden", erklärt Behnam Jafarzadeh, Journalist bei der führenden iranischen Sport-Website "Varzesh3", gegenüber der DW. "Und wenn sie zu einem privaten Unternehmen gehören, dann ist dieses Unternehmen auch mit dem Staat verbunden." Der fünfmalige iranische Meister Sepahan SC, der der Mobarakeh Steel Company gehört, sei ein gutes Beispiel dafür.

Seit langem wird darüber gesprochen, die Verbindungen zwischen Vereinen und dem Staat zu lockern, aber es wurden bislang kaum Fortschritte erzielt. Die Nachricht vom Ausschluss von Persepolis und Esteghlal wurde in einigen Kreisen sogar begrüßt. "Die meisten Leute sind mit der Entscheidung der AFC einverstanden und sagen, sie wünschten, es wäre früher passiert", sagt Jafarzadeh.

Furcht vor Privatisierung

Da die Klubs finanziell vom Staat abhängig sind, gibt es kaum Anreize, die Bereiche zu entwickeln, die die AFC idealerweise gerne sehen würde: Jugendakademien, Frauenteams und Marketingabteilungen als Teil eines sich selbst tragenden, privatwirtschaftlichen Systems. "Viele Kandidaten für das Parlament versprechen vor den Wahlen, dass sie sich für die Wünsche der Fans einsetzen werden. Aber nachdem sie gewählt wurden, wissen sie, dass sie es nicht können. Und so passiert nichts", erklärt Jafarzadeh.

Fußballtrainer Afshin Ghotbi hebt an der Seitenlinie den Daumen
Ex-Nationaltrainer Afshin Ghotbi glaubt an das Potential des iranischen FußballsBild: Pan Yulong/Xinhua/picture alliance

"Die größte Herausforderung für den iranischen Fußball besteht darin, einen Weg zu finden, die Liebe und Leidenschaft der Menschen zu Geld zu machen und eine Infrastruktur für die Vereine aufzubauen", sagt Afshin Ghotbi, der von 2009 bis 2011 auch Nationaltrainer im Iran war. "Diese Leidenschaft und Liebe sind Dinge, die kommerzialisiert und strukturiert werden müssen, damit der Fußball sich selbst tragen kann und nicht von der Politik abhängig ist."

Doch genau diese Liebe und Leidenschaft erweist sich gleichzeitig als größtes Hindernis für die Privatisierung. Ein hochrangiger IFF-Beamter erklärte gegenüber der DW, dass die Regierung angesichts der Popularität und der Bedeutung von Vereinen wie Persepolis und Esteghlal niemals zulassen würde, dass solche Einrichtungen in den Besitz von Privatpersonen übergehen, die sie dann - so die Befürchtung - für ihre eigenen politischen Zwecke nutzen könnten.

US-Sanktionen beeinträchtigen Fußball im Iran

Doch selbst wenn die politischen Verflechtungen gelockert würden, dürfte die derzeitige finanzielle Lage vieler Klubs - Persepolis und Esteghlal sind Berichten zufolge verschuldet - den privaten Sektor kaum dazu verleiten, sich im Fußball zu engagieren. Die Einnahmen aus Fernsehübertragungen, die in den europäischen Spitzenligen Milliarden von Euro einbringen, sind im Iran verschwindend gering. Das staatliche Fernsehen überträgt zwar Spiele, zahlt aber trotz einer geschätzten Zuschauerzahl von insgesamt fünf bis zehn Millionen nur drei Millionen Euro pro Jahr dafür. Und dieses Geld geht nicht einmal direkt an die Vereine, sondern zunächst an das Ministerium für Jugend und Sport, das es dann verteilt.

Die langjährigen Sanktionen, die die USA gegen den Iran verhängt haben, um das Land wirtschaftlich zu bestrafen, haben sich ebenfalls negativ auf den Fußball ausgewirkt, da die IFF Schwierigkeiten hat, von der FIFA und der AFC Preis- und Teilnahmegelder in Millionenhöhe zu erhalten.

"Wir können den Fußball nicht von der gesamten Situation mit diesen strengen US-Sanktionen trennen", sagt Jafarzedah. "Wenn wir professionelle Ligen wie in Japan und Südkorea haben wollen, brauchen wir ausländische Investitionen, und das ist im Moment nicht möglich."

Ohne Geld nicht konkurrenzfähig

Der Ausschluss von Persepolis und Esteghlal aus der asiatischen Champions League wird in nächster Zeit wohl kaum zu größeren Veränderungen führen. Doch IFF-Präsident Shahaboddin Azizi Khadem hat versprochen, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die AFC-Standards künftig eingehalten werden. "Wenn sich die Struktur des Fußballs verbessern würde, wäre der Iran mit Sicherheit unter den Top Ten der Welt", betont Afshin Ghotbi. "Die derzeitige Generation von Spielern ist die bisher beste. Aber sie haben im Iran nicht die Möglichkeit, sich so gut zu entwickeln, wie sie es könnten."

Journalist Behnam Jafarzedah stimmt dem zu: "Was das Spielermaterial angeht, ist der iranische Fußball reich an talentierten Spielern und fleißigen jungen Trainern", sagt er. "Aber ohne Geld können wir nicht mithalten."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.