Iran: Ist die Hinrichtung von Sharmahd eine Warnung?
29. Oktober 2024Das Auswärtige Amt rief seinen Botschafter im Iran zurück und übermittelte seinen "scharfen Protest" gegen die Hinrichtung des deutsch-iranischen Dissidenten Djamshid Sharmahd in Teheran.
Die Islamische Republik hatte Sharmahd beschuldigt, der "Rädelsführer der terroristischen Tondar-Gruppe zu sein, die von Amerika aus bewaffnete und terroristische Akte im Iran leitete".
Sharmahds Hinrichtung komme zu einem Zeitpunkt, an dem das herrschende iranische Regime an mehreren Fronten unter Druck stehe, sagt Hamid Ashtari, ein in Schweden lebender politischer Aktivist, der acht Jahre im Gefängnis im Iran verbrachte.
"Wann immer das Regime mit eskalierenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen konfrontiert ist, die es schwächen, kommt es tendenziell zu einer Zunahme von Hinrichtungen. Dies basiert auf dem Glauben, dass die Hinrichtung von Personen dem Regime helfen kann, seine Probleme anzugehen und seine Autorität zu stärken", erläutert er im Gespräch mit der DW.
Sharmahd in den Iran entführt
Die wenig bekannte Tondar-Gruppe, der bewaffnete Flügel der "Königreichsversammlung des Iran", hat ihren Sitz in Kalifornien und versucht, die iranische Monarchie wiederherzustellen, die durch die islamische Revolution von 1979 gestürzt wurde.
Die Tondar-Gruppe begann ihre Aktivitäten vor etwa 20 Jahren, unterhielt aber nur begrenzte Verbindungen und Kooperationen mit anderen iranischen Oppositionsgruppen. In den populären persisch-sprachigen Medien war sie nur minimal präsent.
Am 1. August 2020 teilte das iranische Geheimdienstministerium mit, dass seine Agenten Djamshid Sharmahd in einer "komplexen Operation" gefangengenommen hätten, ohne dabei weitere Details preiszugeben.
Am selben Tag behauptete der iranische Geheimdienstminister, Sharmahd sei "stark von den US-amerikanischen und israelischen Geheimdiensten unterstützt" worden und sei durch ausgeklügelte Operationen in den Iran "gezogen" worden, bis er schließlich dort in Haft genommen worden sei.
Dies wurde weithin so verstanden, dass iranische Agenten Sharmahd entführt hatten, während er sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhielt, und ihn gewaltsam in den Iran brachten.
Vor seiner Entführung, die vermutlich in Dubai stattfand, und der anschließenden Inhaftierung im Iran hatte der 69-jährige Sharmahd in Kalifornien gelebt.
Im Februar 2023 wurde Sharmahd vom iranischen Islamischen Revolutionsgericht zum Tode verurteilt - wegen eines Angriffs auf eine Moschee in Shiraz im Jahr 2008, bei dem 14 Menschen getötet wurden.
Geständnis unter Folter
Menschenrechtsorganisationen und Sharmahds Familie berichteten, er sei im Gefängnis gefoltert worden.
Das iranische Staatsfernsehen strahlte Propagandavideos aus, in denen Djamshid Sharmahd seine Beteiligung an der Explosion in Shiraz 2008 zu "gestehen" schien.
Amnesty International meldete, dass Sharmahd während der Ermittlungen und des Prozesses das Recht verweigert wurde, einen unabhängigen Anwalt zu wählen und sich selbst zu verteidigen.
Im Mai 2021 teilte seine Familie mit, dass der von der Regierung bestellte Anwalt 250.000 Dollar von ihnen verlangt habe, und erklärte, er werde nur "vor Gericht sitzen" und Sharmahd nicht vertreten, solange die Zahlung nicht erfolgt sei.
Hat der Iran damit eine Botschaft gesendet?
Viele sehen in der Hinrichtung Sharmahds eine klare Warnung der Islamischen Republik an Menschen und Gruppen, die sich im In- und Ausland gegen die iranischen Behörden stellen.
"Die Islamische Republik wurde auf zwei Hauptsäulen gegründet: Hinrichtung und Repression. Durch Hinrichtungen zielt das Regime darauf ab, seine Stärke zur Schau zu stellen und die iranische Gesellschaft und ihre wahre Opposition zu zwingen, sich seiner Autorität zu unterwerfen", sagt Aktivist Ashtari.
Zahlreiche Gegner der Islamischen Republik und Nutzer sozialer Medien behaupten, dass die militärischen Spannungen mit Israel die iranische Regierung deutlich geschwächt hätten. In diesem Zusammenhang ist die jüngste Hinrichtung wohl eine deutliche Erinnerung daran, dass Teheran weiterhin unerschütterlich gegen Andersdenkende vorgehen wird.
Djamshid Sharmahd war nicht der einzige politische Gefangene im Iran, der zum Tode verurteilt wurde. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass Dutzende weitere politische Gefangene ebenfalls zum Tode verurteilt oder unter Anklagen verhaftet wurden, die mit der Todesstrafe geahndet werden können.
Infolgedessen ist die Besorgnis über die mögliche Vollstreckung dieser Strafen für andere Gefangene gewachsen.
Gazelle Sharmahd, Tochter des hingerichteten Aktivisten, sagte der DW kurz nach der Verurteilung ihres Vaters im Jahr 2023, er sei Opfer eines "terroristischen Regimes" in Teheran geworden. "Das ist ein Regime, das Menschen wie meinen Vater von außerhalb des Irans entführt und sie dorthin bringt. Dieses terroristische Regime wird auf keinerlei Gespräche oder Diplomatie reagieren."
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand