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"Iran hat seinen Kurs nicht geändert"

Rob Mudge /aa19. Juli 2015

Es scheint schwer, sich nicht von der Begeisterung über das Atomabkommen anstecken zu lassen. Olli Heinonen, ehemaliger Inspektor der IAEA, erklärt, warum das Ergebnis trotzdem mit Vorsicht zu genießen ist.

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Wien Atomgespräche mit dem Iran Zarif
Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bei den Atomverhandlungen in Wien (Juni 2015)Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Barria

DW: Ist das Atomabkommen für beide Seiten ein Gewinn?

Olli Heinonen: Für mich bedeutet es unter dem Strich, dass der Iran in den kommenden Jahren ein atomares Schwellenland bleibt und nach zehn, 15 Jahren sogar noch mehr atomare Ressourcen haben wird als vorher. Mit Blick auf das Atomprogramm hat der Iran´- zumindest in diesem Stadium - seinen Kurs nicht verändert. Er hält an der Urananreicherung fest, gewährt etwas mehr Zugang. Aber ich bin überrascht, dass der Iran das Zusatzprotokoll (das Zusatzprotokoll verlangt von Staaten eine breite Offenlegung ihrer atomaren Aktivitäten und gewährt der Behörde umfassende Zugangsrechte zu den Anlagen im Land - die Red.), das eines der juristischen Schlüsselinstrumente ist, erst in einigen Jahren ratifizieren will.

Was die Kontrolle betrifft: Ja, ich glaube, da gibt es Dinge, die gut sind und den Zugang für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) verbessern; und wir bekommen Gewissheit, dass der Iran seine nuklearen Kapazitäten nicht militärisch nutzt. Aber es gibt noch Mängel in diesem Abkommen, zum Beispiel was den Zugang zu Orten betrifft, die nicht angegeben wurden. Und der Entscheidungsprozess ist meiner Meinung nach viel zu lang.

Sie haben gerade die Defizite genannt. Warum hat der Westen diesem Abkommen zugestimmt? Gab es keine Alternative?

Dies sind die besten Bedingungen, die man aushandeln konnte, und die Frage ist: Haben sie dem Abkommen zu früh zugestimmt oder nicht? Wir wissen nichts über die Atmosphäre bei den Verhandlungen und die Gründe für die Zugeständnisse, deshalb können wir nur spekulieren. Aber da gibt es ein paar Dinge, die ich gerne gesehen hätte, zum Beispiel die Klärung der Zugangsfrage, die ich vorher schon angesprochen habe.

Wir müssen daran denken, dass das ein politisches Abkommen ist. Es ist kein Nichtverbreitungsabkommen, hat aber die entsprechenden Folgen. Was jetzt passiert, ist, dass wir ein Abkommen mit einem Land schließen, das sich nicht an seine Sicherheitsverpflichtungen hält. Das wird sich auf künftige Fälle nuklearer Verbreitung auswirken - und auch für eine lange Zeit auf die Region.

Lassen Sie uns über den Begriff “gelenkter Zugang“ zu bestimmten Militäranlagen sprechen. Bedeutet das, dass Inspektoren - wie in der Vergangenheit - nur das zu sehen bekommen, was die Iraner ihnen zeigen wollen?

Ich glaube, das wird in diesem Kontext ein wenig falsch verstanden. Erst einmal wird jeder Zugang der IAEA zu Nuklearanlagen ein Stück weit gelenkt. Man kann eine Nuklearanlage nicht einfach so betreten. Es gibt Grundregeln, und die IAEA hat Zugang zu bestimmten Orten, die "Schlüsselmesspunkte" genannt werden. Man kann nicht frei herumwandern.

Olli Heinonen
Olli HeinonenBild: picture alliance/dpa/IAEA

Der "gelenkte Zugang" ist ein spezieller Vorgang, der zur Anwendung kommt, wenn man den so genannten zusätzlichen Zugang nach dem Zusatzprotokoll hat. Das heißt in der Paxis, dass das Unternehmen bestimmte Teile verhüllen darf, die zum Beispiel geheime Informationen preisgeben, die nichts mit den Schutzmaßnahmen der IAEA zu tun haben - sofern die IAEA ihre Schutzmaßnahmen dennoch ohne Probleme zu Ende führen kann. Ich glaube, das ist verständlich.

Wir hatten diese Art von Zugang im Iran im Jahr 2003, als wir an mehreren Orten waren, darunter auch in der Anlage von Parchin, zu der die IAEA jetzt Zugang verlangt. Dort gab es Geräteteile, die militärischen Charakter hatten. Sie waren abgedeckt, aber das war aus unserer Perspektive für den Prüfprozess in Ordnung, denn wir haben nach anderen Dingen gesucht. Das ist also keine ungewöhnliche Vereinbarung.

Jetzt erkenne ich in dem Text aber einen Zwischenton, der sich auswirken wird: Der Text verlangt von der IAEA, ihren Zugang ausführlich zu rechtfertigen, und das könnte die Art und Weise behindern, mit der die Inspektionen durchgeführt werden.

Ist das eine neue Entwicklung, dass sie eine glaubwürdige Begründung brauchen, um reinzugehen?

Ja, ich glaube schon. Das ist eine von den Dingen, die die Verhandlungspartner jetzt klären müssen. Was genau meinen sie? Nehmen wir einmal an, dass es eine unangemeldete Anlage gibt, und die IAEA erhält Geheimdienstinformationen, dass es dort bestimmte Arten von Aktivitäten und Equipment gibt, und will sie sehen. Ich bin mir nicht sicher, dass es so geschickt wäre, im Vorhinein zu sagen, was man darüber weiß. Denn das Gegenüber (Iran) kann die Situation entschärfen, indem es entweder die Ausrüstung entfernt oder eine Verhüllungsgeschichte vorbereitet, die auf der Information basiert, die schon verfügbar ist. Das wird die Glaubwürdigkeit einiger dieser Inspektionen untergraben.

Wie schwierig wird es - Ihrer Erfahrung nach - für die Inspektoren in Iran, wenn sie die Anlagen betreten, um sie zu überprüfen und Informationen zu sammeln – und das möglichst effektiv?

Am Anfang wird es seine enorme Belastung sein, weil so viele Dinge gleichzeitig passieren. Iran wird die Zentrifugen und die Infrastruktur einiger Teile von Natanz und Fordow abbauen. Es erfordert eine Menge Arbeit, wenn man das in einen anderen Raum bringt und den Kontrollsystemen der IAEA unterstellt. Außerdem gibt es Diskussionen mit Blick auf die mögliche militärische Dimension. Und gleichzeitig muss man das Ausbleiben bestimmter Aktivitäten bestätigen. Die IAEA hat da eine gewaltige Aufgabe und muss die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu den richtigen Orten bringen, um die Arbeit zu machen, die von ihr verlangt wird. Und das geht natürlich nicht ohne Irans Kooperation.

Ist das realistisch?

Bis zu einem gewissen Grad schon. Wissen Sie, in keinem Prüfsystem gibt es eine hundertprozentige Sicherheit. Das System wurde aufgebaut, um durch frühes Aufdecken eine Chance zu haben, das Gegenüber davon abzuhalten, bestimmte Sachen zu machen. Es hat also einen Abschreckungseffekt und verzögert bestimmte Sachen. Wir müssen das im Kopf behalten, vor allem, wenn man so genannte geheime Anlagen sucht: Die Wahrscheinlichkeit, sie zu entdecken, ist wohl sehr gering, und die Zeit, die man braucht, um sie finden, sehr lang.

Das Gespräch führte Rob Mudge.

Olli Heinonen ist Senior Fellow am Belfer Center der Harvard Kennedy School of Government. Vorher war er 27 Jahre bei der IAEA in Wien Vize-Generaldirektor und Leiter der Abteilung für Sicherheitsmaßnahmen. Er war führend daran beteiligt, Netzwerke zur atomaren Verbreitung zu ermitteln und aufzulösen, darunter das des pakistanischen Wissenschaftlers A.Q. Khan. Außerdem war er bei der IAEO verantwortlich dafür, das iranische Atomprogramm zu beobachten und einzudämmen.