Rechtswidrig in Haft
19. August 2015Amin Ahmadian steht am Revolutionsgericht in Teheran, als die Deutsche Welle ihn telefonisch erreicht. Er ist der Ehemann der inhaftierten Frauenrechtlerin Bahareh Hedayat (34). Seit Dezember 2009 zählt er die Tage, die seine Frau im Gefängnis sitzt. Bisher seien es 2060 Tage. "Das sind fünf Jahre und 235 Tage."
Amin kämpft für die Freilassung seiner Frau. Sie gilt als zentrale Verbindungsfigur zwischen der Studenten- und der Frauenbewegung im Iran. Sie war Vorsitzende des Frauenkomitees für die Stärkung der Einheit (OCU). Die Studentenorganisation hat zu politischen Reformen aufgerufen und gegen Menschenrechtsverletzungen gekämpft. Nach der sogenannten "Grünen Bewegung" 2009, die sich für mehr Freiheit im Iran einsetzte, wurde Bahareh festgenommen.
Wenn es um politische Gefangene geht, umgeht man die Gesetze
Wegen "Propaganda gegen das System" wurde sie zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dazu kamen noch zwei weitere Jahre wegen "Beleidigung des religiösen Führers" und sechs Monate wegen Beleidigung des damaligen Präsidenten, Mahmud Ahmadinedschad. Diese insgesamt siebeneinhalb Jahre würden durch das im Mai 2013 in Kraft getretene neue iranische Strafrecht aber automatisch auf fünf Jahre reduziert, sagt Amin der DW.
Denn nur die jeweils längste Haftstrafe kommt zur Anwendung, wie die prominente Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh aus Teheran erläutert. Haftstrafen würden nicht addiert, solange es sich um drei oder weniger als drei Delikte handelt, so Nasrin. "Das Strafgesetzbuch unterscheidet auch nicht zwischen politischen oder nicht politischen Straftaten." Die Justiz im Iran hält sich offensichtlich nicht an das Strafgesetz der Islamischen Republik. Dass Bahareh weiter in Haft ist, sei rechtswidrig, ist Nasrin überzeugt.
Nach der Einigung im Atomstreit mit dem Iran haben die Aktivisten wieder Hoffnung geschöpft, denn der Iran hatte weitere Gespräche mit der Europäischen Union über Menschenrechte angekündigt. Allerdings ist die Justiz im Iran von der reformorientierten Regierung unabhängig. Der konservative religiöse Führer Ajatollah Ali Chamenei benennt den obersten Chef der Judikative direkt, dieser wiederum alle Richter. Amin hält nicht viel von den Ankündigungen der Regierung weitere Gespräche über Menschenrechte zu führen. "Der Justizvollzug sagte mir, meine Frau bleibt hier, weil das der Teheraner Staatsanwalt empfohlen hat", berichtet Amin.
Keine ärztliche Versorgung
Baharehs Nachbarin im berüchtigten Evin-Gefängnis am nördlichen Rand der Hauptstadt Teheran ist Narges Mohammadi. Die Journalistin und Menschenrechtsaktivistin ist schwer krank. Sie leidet an Lähmungserscheinungen, einer Minderung der Muskelkraft.
Die 43-Jährige wurde im Mai festgenommen, zum vierten Mal. Sie hatte zuletzt die wachsende Anzahl von Hinrichtungen im Iran kritisiert. "Seit sie verhaftet wurde, hatte sie drei Schwächenanfälle erlebt", berichtet ihr Mann Taghi Rahmani der DW. Taghi, der selbst 14 Jahre hinter Gitter verbrachte, ist empört, weil seine Frau nicht behandelt wurde. "Der Arzt hat bestätigt, dass Narges stationäre Behandlung braucht. Sonst würde sie bald völlig gelähmt sein. Und ich weiß: Falls das passiert, wird niemand dafür zu Rechenschaft gezogen."
Narges hat zwei Kinder, die sie nicht besuchen dürfen. Sie leben beide mit ihrem Vater im französischen Exil. In einem Brief aus dem Gefängnis schreibt sie: "Wie die Mutter von Moses habe ich meine Kinder auf dem Nil ausgesetzt, um sie vor Tyrannen zu beschützen. Ich wünsche mir, dass sie in einem neuen Land aufgenommen werden, wo sie keine Unterdrückung erleben und ruhige Nächte finden."