Iran empört über schwere UN-Vorwürfe gegen Mullah-Regime
9. März 2024Festnahmen, Vergewaltigungen, Folter und Mord - die aktuelle Liste von Vorwürfen im Zusammenhang mit der Niederschlagung der Proteste im Iran vor zweieinhalb Jahren ist lang. Die Führung in Teheran hat jetzt auf die Veröffentlichung der Analyse von UN-Experten mit Empörung reagiert, spricht von "Falschinformationen ohne legale Grundlage".
Eine von den Vereinten Nationen eingesetzte unabhängige internationale Untersuchungskommission hatte am Freitag in Genf ihren Bericht zur gewaltsamen Unterdrückung von friedlichen Protesten und der Diskriminierung von Frauen und Mädchen im Iran vorgelegt. Darin ist von "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" die Rede. Die Kommission war im November 2022 vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzt worden - unter anderem auf Betreiben Deutschlands. Die Ermittler sollten klären, was im Herbst vor zweieinhalb Jahren im Iran vorging.
Protestwelle nach Tod von Jina Mahsa Amini
Damals hatte der Tod der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini die schwersten Proteste in der Geschichte der Islamischen Republik ausgelöst. Monatelang gingen vor allem junge Menschen auf die Straßen, um gegen das islamische Herrschaftssystem zu demonstrieren. Amini soll ihr Kopftuch falsch getragen haben, war von den berüchtigten Sittenwächtern festgenommen worden und kurz darauf am 16. September 2022 im Gewahrsam gestorben.
Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass körperliche Gewalt nach der Festnahme zum Tod der 22-Jährigen führte. Laut dem Bericht wurden bei den anschließenden Protesten vermutlich 551 Demonstranten von Sicherheitskräften getötet, die meisten durch Schüsse. Auch Sicherheitskräfte seien verletzt worden, aber die Proteste seien weitgehend friedlich verlaufen.
"Diese Taten sind Teil eines weitverbreiteten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung im Iran, insbesondere gegen Frauen, Mädchen, Jungen und Männer, die Freiheit, Gleichheit, Würde und Verantwortlichkeit gefordert haben", sagte Sara Hossain, Vorsitzende der Untersuchungskommission. Unter den Festgenommenen seien Hunderte Minderjährige gewesen, auch Kinder, die nicht älter als zehn Jahre alt waren.
Die Festgenommenen seien in Gefangenschaft gefoltert worden, um Geständnisse zu erpressen. Es habe Gruppenvergewaltigungen gegeben und Folter mit Stromschlägen an den Genitalien. Zudem seien mindestens neun Männer von Dezember 2022 bis Januar 2024 in diesem Zusammenhang hingerichtet worden. Höchste staatliche Stellen hätten die iranischen Sicherheitskräfte zu Menschenrechtsverletzungen ermuntert.
Experten-Appell an andere Staaten
Die Experten kommen zu dem Schluss, dass im Iran bei Menschenrechtsverletzungen systematisch und historisch Straffreiheit herrsche. Gewaltbereite Mitglieder des Machtapparats können also in solchen Situationen stets damit rechnen, ungeschoren davonzukommen. Die Kommission appelliert deshalb an andere Länder, Wege zu finden, um diese Täter zur Rechenschaft zu ziehen - über eine Strafverfolgung außerhalb des Irans.
Das Mullah-Regime in Teheran sprach von einem "albernen Bericht". Dieser sei "unsachlich, voreingenommen und inkorrekt", sagte Außenamtssprecher Nasser Kanaani laut Nachrichtenagentur ISNA an diesem Sonnabend. Der Bericht beruhe auf "unbegründeten Vorwürfen" und werde von der iranischen Regierung "schärfstens verurteilt". Der Sprecher warf der UN-Kommission vor, von westlichen Staaten, insbesondere Deutschland, beauftragt und finanziert worden zu sein, um "solche Lügen" zu verbreiten.
AR/se (afp, dpa, epd, ohchr.org)