Irak - Die Angst vor der "Verweiblichung"
18. August 2009Es ist eine weit reichende Serie außergerichtlicher Hinrichtungen, Entführungen und Folterungen von Homosexuellen, die Human Rights Watch (HRW) in einem aktuellen Bericht dokumentiert. Danach begannen die Vorfälle im Februar 2009 in dem Bagdader Stadtteil Sadr City, einer Hochburg der Mahdi-Armeemiliz, die die Befürchtungen im Land vor dem "dritten Geschlecht“ und der "Verweiblichung" irakischer Männer schürt. Einige Opfer und Augenzeugen berichten, die Übergriffe seien mit den irakischen Sicherheitskräften abgesprochen oder diese seien an den Morden beteiligt.
Hunderte Tote seit Beginn des Jahres
Eine exakte Zahl von Todesopfern lässt sich nach Angaben von Human Rights Watch nicht benennen, weil Sexualität im Irak ein grundsätzliches Tabuthema sei. Die Menschenrechtsorganisation spricht in ihrem aktuellen Bericht (17.08.2009) jedoch von Hunderten getöteten Männern. Augenzeugen berichten vom brutalen Vorgehen der Milizen, die oftmals in der Nacht ihre Opfer aufsuchen, sie dann foltern, entführen und ermorden. "Seine Leiche wurde nach dem Überfall am nächsten Tag in der Nachbarschaft entdeckt. Sie hatten seine Leiche in den Müll geworfen; seine Genitalien hatten sie ihm abgeschnitten und ein Stück vom Hals herausgerissen“, berichtet ein Beobachter, dessen Partner die Milizen im April 2009 gekidnappt wurde.
Ehrenmorden wegen "unmännlichen“ Verhaltens
HRW fordert die irakische Regierung auf, sofort Maßnahmen zu ergreifen, um die Milizen an ihrem Vorgehen zu hindern und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. "Die Augen vor Folter und Mord zu verschließen, gefährdet die Rechte und das Leben aller Iraker“, erklärt Scott Long, Leiter des Programms für die Rechte von Lesben und Schwulen von Human Rights Watch.
Nach Angaben der Organisation werden die Morde aufgrund von Vorurteilen über sexuelle Fragen begangen und die Täter von der Angst angetrieben, dass die Männlichkeit der Iraker auf dem Spiel steht. So würden viele Männer berichten, dass ihnen von Eltern oder Brüdern mit Ehrenmord gedroht werde, weil ihr "unmännliches“ Verhalten dem Ansehen der Familie oder des Stammes schade. Viele Iraker versuchen den Übergriffen zu entgehen, indem sie in Nachbarländer fliehen, die jedoch oft nicht viel mehr Sicherheit vor Übergriffen bieten können.
(stg/dh/hrw/afp/dpa/epd)