1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Samira Asghari: "Müssen in Afghanistan bei Null anfangen"

27. Dezember 2024

Die ehemalige Basketball-Nationalspielerin Samira Asghari wurde 2018 die erste Afghanin beim Internationalen Olympischen Komitee. Die Funktionärin kämpft für Frauenrechte und setzt auf Verhandlungen mit den Taliban.

https://p.dw.com/p/4obYz
Samira Asghari im Porträt mit Kopftuch
Samira Asghari Bild: Anthony Behar/Sipa USA/picture alliance

Samira Asghari ist eine Kämpferin. Die frühere Basketball-Nationalspielerin aus Afghanistan setzte sich bereits als Jugendliche für ihre Teamkolleginnen ein. Die Tatsache, dass Frauen Sport machten. war in ihrer Heimat nicht gerne gesehen Doch Asghari widersetzte sich den vorherrschenden Normen und ermutigte auch andere Frauen, Sport zu treiben.

2018 wird sie als erste Frau aus Afghanistan Mitglied beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 kämpft sie nun auch sportpolitisch für mehr Rechte für Frauen und setzt auf Dialog mit der islamistischen Gruppe.

Vor den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris hält die Leichtathletin Kamia Yousufi aus Afghanistan ein Fähnchen mit der Aufschrift "give peace a chance" in der Hand
Wie Samira Ashgari kämpft auch Leichtathletin Kamia Yousufi aus Afghanistan für die rechte der Frauen, hier bei Olympia 2024 in ParisBild: picture alliance/dpa

DW: Samira Asghari, Sie sind in den 1990er Jahren mit ihrer Familie in den Iran geflohen und dort auch aufgewachsen. Welchen Eindruck hatten Sie von Afghanistan als sie 2002 zurückkehrten?

Samira Asghari: Als meine Familie und ich Anfang 2000 nach Afghanistan zurückkehrten, sahen wir nur noch zerstörte Gebäude. Man konnte sehen, dass die Frauen immer noch eine Burka trugen, obwohl die Taliban nicht mehr in der Stadt waren. Das war in den Jahren davor, als sie das Land regierten und kontrollierten, zur Norm geworden.

Deshalb habe ich in Afghanistan angefangen Sport zu treiben. Als junges Mädchen wollte ich Spaß haben und mich ablenken. Deswegen habe ich in der Schule mit Basketball begonnen.

Inwieweit hat Sport in dieser Zeit ihr Leben verändert oder beeinflusst?

Es hat mein Leben auf eine Weise verändert, die ich nicht erwartet hatte. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich Afghanistan und den Menschen, die ich jeden Tag gesehen habe, helfen kann. Sie waren traumatisiert genauso wie wir auch.

Die meisten Menschen hatten nicht die Mittel, um vor dem Krieg in ein anderes Land zu fliehen, wie wir es getan haben. Sie sind geblieben und hatten Angst Sport zu treiben. Es war zur Normalität geworden war, dass Frauen keinen Zugang zum Sport haben durften. Ich habe es nach meiner Rückkehr als meine Aufgabe gesehen, das Eis zu brechen und sie wieder zu ermutigen.

Samira Asghari im Porträt int Winterjacke und mit einer Medaille um den Hals
Samira Asghari nimmt als IOC-Mitglied 2022 bei den Olympischen Winterspielen in Peking an der Medaillenzeremonie teilBild: Alex Pantling/Getty Images

2018 haben Sie den Weg in die Sportpolitik gewagt und wurden die erste Afghanin im IOC. Warum sind sie diesen Schritt gegangen?

Sport ist eine internationale Sprache. Ich fühle das Gleiche, was eine Basketballspielerin in Europa fühlt - ob Mann oder Frau spielt keine Rolle. Wir können uns durch den Sport in die internationale Gemeinschaft integrieren und so unsere Gesellschaft stabiler machen.

Das war mein Ziel als ich Sportdiplomatin geworden bin. Ich hatte das Gefühl, dass Sport eine Soft Power ist und besonders in einem vom Krieg zerrütteten Land noch mehr Einfluss haben kann, denn Sport stärkt die junge Generation.

In Afghanistan ist es Frauen seit 2021 nicht erlaubt Sport zu treiben. Sie versuchen mit den Taliban, die die Macht vor drei Jahren übernommen haben, zu verhandeln. Was erhoffen Sie sich davon?

Eine Sportlerin oder ein Sportler ist das nationale Interesse eines Landes, das Kapital eines Landes, die Elite eines Landes. Das betone ich immer wieder. Deshalb sollten wir weiterhin schauen, wie wir durch den Sport Veränderungen herbeiführen können. Und dabei spielt es keine Rolle, wer das Land regiert - ob es ein Demokrat oder ein Taliban ist.

Denn die Frage ist: Wie können wir weiterhin Kindern, Frauen und jungen Mädchen freien Zugang zum Sport verschaffen? Ich möchte nicht, dass eine 15-jährige Afghanin eines Tages nicht weiß, was Basketball ist. Das ist schon einmal passiert und ich möchte nicht, dass sich das wiederholt.

Eine afghanische Frau, die Muay Tha (Thaiboxen) praktiziert, posiert für ein Foto in Kabul
Seit der Machtübernahme durch die Taliban 2021 dürfen Frauen keinen Sport mehr in Afghanistan ausübenBild: Ebrahim Noroozi/AP Photo

Wir hoffen also, dass zumindest diejenigen, die jetzt in der Schule sind, Zugang zum Sport haben können. Das haben wir Anfang 2000 auch getan, als die Taliban zum ersten Mal besiegt wurden. Damals hat auch niemand an Sport in Schulen gedacht - aber wir haben damit angefangen. Es ist sehr traurig, dass wir jetzt wieder bei Null anfangen müssen.

Wie schwierig sind die Gespräche mit den Taliban und was sagt Ihr Umfeld dazu?

Es ist nicht einfach. Ich habe sehr gute Freunde verloren, die gegen die Taliban sind. Sie sagen, ich sollte absolut gegen das sein, was die Taliban tun. Das kostet viele Emotionen und Energie. Vor allem neben der Frage, wie wir uns ihnen nähern können, um eine Lösung zu finden. Aber als junge afghanische Frau weiß ich, dass die Taliban leider eine Realität in Afghanistan sind, die wir nicht ignorieren können.

Natürlich versucht das IOC sein Bestes, um Druck auf die Taliban auszuüben, damit diese Beschränkungen auf jede erdenkliche Weise aufgehoben werden. Alles, was wir als IOC wollen, ist den Sport für junge Frauen und Mädchen in Afghanistan zurückzubringen. Wir haben kein anderes politisches Ziel in Afghanistan.

Wir versuchen zu verhandeln und einen Dialog zu führen. Und wir unterstützen Athletinnen und Athleten außerhalb Afghanistans, wie in Paris 2024, bei den Asienspielen und allen anderen internationalen Wettbewerben zu sehen war.

Sie sagen, dass Sie versuchen auch Sportlinnen und Sportler zu unterstützen, die nicht in Afghanistan leben. Wie wichtig sind diese  Menschen für den Kampf für mehr Freiheit?

Dieses Jahr, bei den Olympischen Spielen in Paris, erhielt ich Anrufe von meinen ehemaligen Teamkolleginnen aus der Nationalmannschaft in Afghanistan. Sie sagten: Samira, wir sehen deinen Kampf. Wir haben die afghanische Flagge heute bei den Olympischen Spielen gesehen, und wir haben all diese Frauen gesehen. Das gibt uns Energie und emotionale Kraft, dass wir nicht vergessen sind.

Ich glaube, dass die Unterstützung afghanischer Sportlerinnen und Sportler enorme positive Auswirkungen und Folgen für all diejenigen hat, die in Afghanistan für ihre Rechte kämpfen. Und auch für alle, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen.

Haben Sie eine Botschaft für alle Afghaninnen und Afghanen?

Meine Botschaft an die jungen Frauen und meine Schwestern in Afghanistan lautet: Es ist unser Land, gebt nicht auf. Wir vergessen euch nicht. Es ist unsere Verantwortung, an unser Land zu glauben, egal ob wir außerhalb oder innerhalb des Landes sind. Sie sollten weiterhin darauf vertrauen, dass dieser Boden, dieses Land eines Tages wieder uns gehört. Meine Botschaft lautet also, hoffnungsvoll zu bleiben.

Das Interview führte Thomas Klein.

Samira Asghari stammt aus einer sportbegeisterten Familie in Afghanistan. Sie wuchs mit drei Brüdern auf und begann früh mit dem Schwimmsport. Später versuchte sie Kung Fu, die Sportart ihres Vaters. Als Jugendliche gelang ihr dann aber der sportliche Durchbruch im Basketball. Sie wird Kapitänin der afghanischen Nationalmannschaft und damit auch zum Vorbild für viele jungen Frauen in ihrem Heimatland.

Seit 2018 ist Asghari Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) - als erste Afghanin überhaupt. Seitdem setzt sie sich für die Rechte von Sportlerinnen ein und war mit verhalf vielen Frauen zur Flucht als die Taliban 2021 erneut die Macht in Afghanistan übernahmen.