IInterpol kämpft gegen Cyber-Kriminalität
13. April 2015Welche Gefahren aus dem Cyberraum drohen, hatte erst am 9. April der Hackerangriff auf den französischen Sender TV5 Monde gezeigt. Die wachsende Durchdringung der realen Welt mit der Digitalen schafft eben nicht nur Chancen für die Mehrung von Wohlstand und Wissen, für die freie Entfaltung der Individuen. Die wachsende Abhängigkeit vom Internet erzeugt auch neue Verwundbarkeiten. Staatliche Stellen wie Militärs und Nachrichtendienste, aber auch Kriminelle und - wie das Beispiel TV5 Monde zeigt: Terroristen machen sich die neuen Technologien und ihre Schwachstellen zu Nutze. Um im technologischen Wettrennen zwischen Kriminellen und Polizei nicht abgehängt zu werden, hat die internationale Polizeiorganisation Interpol bereits vor fünf Jahren beschlossen, in Singapur den Interpol Global Complex for Innovation zu gründen, kurz: IGCI. Mit etwas Verspätung wurde am 13. April feierlich der sechsstöckige Neubau des Zentrums eingeweiht.
Parallel dazu wird am 14. April erstmals die "Interpol World" eröffnet. Rund 8000 Besucher werden zu diesem zweitägigen Sicherheitskongress erwartet. Die Experten werden über vier Themenfelder diskutieren: Neben Cybersicherheit sind das die Bereiche Grenzmanagement, Lieferkettensicherheit und sichere Städte.
Technik soll Informationsflut bändigen
Gleichzeitig fungiert die "Interpol World" als eine Art Messe der boomenden Sicherheitsindustrie. Die "Interpol World"-Webseite spricht stolz von knapp 30.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche die von rund 250 Unternehmen bespielt wird. Vertreten bei der "Interpol World" ist auch das in Singapur ansässige Fraunhofer Institut für Interaktive Digitale Medien. Direktor Wolfgang Müller-Wittig erläutert im DW-Interview, die Schnittmenge zwischen seiner Forschung und der Polizeiarbeit: "Wir bieten in der Welt des Information-Overloads Bedienungsoberflächen an, die dem Nutzer helfen, ungewöhnliche Muster zu erkennen. Und da geht es darum, diese 'visual analytics' für Sicherheitsbelange einzusetzen." So sollen auffällige Verhaltensmuster leichter erkannt und mögliche Delikte im Netz aufgedeckt werden. Das Fraunhofer Institut und IGCI diskutieren zudem über eine engere Zusammenarbeit über die "Interpol World" hinaus.
Überhaupt ist das IGCI auf enge Zusammenarbeit mit Partnern angelegt, neben Forschungsinstituten auch mit privaten Unternehmen. IGCI-Direktor Noboru Nakatani erläutert gegenüber der DW, dass er die Rolle des IGCI unter anderem darin sieht, eine Plattform für die Unterstützung der 190 Mitgliedsstaaten von Interpol durch den privaten Sektor bereit zu stellen. "Im IGCI arbeiten tagtäglich acht Privatunternehmen Seite an Seite mit unseren Interpol-Mitarbeitern. Sie überwachen unter anderem illegale Online-Marktplätze für Waffen und Drogen. Andere beschäftigen sich mit der Analyse von Schadsoftware."
Verquickung von Interpol und Industrie
Diese Nähe von Industrie und Polizei ruft auch Kritiker auf den Plan. Der Politikwissenschaftler Heiner Busch beobachtet seit etwa zehn Jahren eine "stärkere Verquickung der Polizeien mit einer sich neu formierenden Sicherheitsindustrie". Das Problem: Interpol als weltgrößte Polizeiorganisation mit 190 Mitgliedsstaaten sorgt damit für die Verbreitung etwa von Überwachungstechnik auch an Unterdrückerstaaten. Ein Beispiel: Bei der "Interpol World" ebenfalls vertreten ist das in München ansässige IT-Unternehmen FinFisher. Dessen "Staatstrojaner" wurde nicht nur von der Bundesregierung gekauft. Medienberichten zufolge verwendet etwa Bahrain FinFisher-Software, um die Opposition zu verfolgen. Zudem geriet Interpol 2013 wegen millionenschweren Kooperationsverträgen mit der Industrie in die Schlagzeilen. Der Fußballweltverband Fifa, der Tabak-Multi Philipp Morris, ein Verband von großen Pharma-Unternehmen – sie alle leiteten Millionen an die von den Mitgliedsstaaten chronisch knapp gehaltene Weltpolizeiorganisation. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung werden 26 Prozent des Interpol-Etats von insgesamt 78 Millionen Euro von Firmen und Stiftungen beigesteuert.
Zur Eröffnung Schlag gegen Botnet
Am Eröffnungstag des IGCI ist Noboru Nakatani aber erst einmal stolz auf den jüngsten Erfolg seiner Organisation. In einer vom IGCI organisierten Aktion wurde am 9. April das Botnet Simda ausgehoben. Das hatte knapp 800.000 Computer weltweit mit Schadsoftware infiziert. Zehn Command-and-Control Server wurden in den Niederlanden beschlagnahmt, weitere Server in den USA, in Russland, Polen und Luxemburg sicher gestellt.
Das Interpol-Hauptquartier in Lyon, so der Japaner Nakatani selbstbewusst, mache seine Arbeit auf Basis vergangener Erfahrungen. Interpol brauche aber eine Plattform, um den Mitgliedsländern Unterstützung bei den vollkommen neuen Kriminalitätsformen des Internetzeitalters zu geben. Kriminelle zögerten nicht, neueste Technologien einzusetzen, erläutert der IGCI Direktor. Polizeibehörden aber würden am liebsten auf althergebrachte Art arbeiten und seien oft zögerlich in der Anwendung neuer Technologie. Diese Tendenz würde durch bürokratische Hemmnisse bei der Anschaffung der neuesten Technik noch verstärkt. Dem will das IGCI entgegenwirken.
Daneben spielt das IGCI auch noch eine weitere Rolle: Es ist die erste große Interpol-Organisation in Asien – abgesehen von einem mit nur fünf Mitarbeitern besetzten Büro in Bangkok. Afrika habe vier Regionalbüros, erläutert Noboru Nakatani. Es gebe jeweils eines in Lateinamerika und Mittelamerika, ein Büro in New York für die Vereinen Nationen und eines in Brüssel für die EU. Mit dem IGCI ist Interpol jetzt auch in Asien angekommen.