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Internet-Revolution auch in Weißrussland?

7. Juli 2011

Internet-Revolutionäre haben dem Regime von Lukaschenko den Kampf angesagt. Die Polizei geht brutal gegen Demonstranten vor. Trotz der erneuten Festnahmen wollen sie allerdings nicht aufgeben. Sie klatschen für Freiheit.

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Demonstranten auf einem Platz in Minsk (Foto: dapd)
Polizisten in Zivill blockieren öffentliche PlätzeBild: dapd

Tausende Menschen gehen derzeit in Weißrussland (Belarus) auf die Straße. Am Mittwoch sind laut weißrussischen Medien erneut rund 400 friedliche Demonstranten festgenommen worden. Die Polizisten in Zivil verfrachteten sie in die Polizeibusse. Einige Demonstranten wurden verprügelt. Außerdem wurden 25 Journalisten festgenommen, darunter ein Fernsehteam aus Russland und eine Radiojournalistin aus Polen. Nach einigen Stunden wurden die meisten Journalisten freigelassen.

Aufschrift auf dem T-Shirt eines Demonstranten: 'Lukaschenko, geh weg' (Foto: dapd)
Aufschrift auf dem T-Shirt: "Lukaschenko, geh weg"Bild: dapd

Rund 100 Demonstranten mussten sich am Donnerstag (07.07.2011) vor Gericht verantworten, wie die weißrussische Menschenrechtsorganisation Viasna berichtet. Die Öffentlichkeit wurde zu den Gerichtsverhandlungen nicht zugelassen. Einige der Demonstranten wurden zu Geldbußen, andere zu Freiheitsstrafen von bis zu 15 Tage verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, die öffentliche Ordnung gestört zu haben.

Die Bundesregierung verurteilte die "unverfrorene Brutalität" der weißrussischen Polizei. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die "sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und das Ende der politischen Gewalt". Auch das russische Außenministerium verurteilte das brutale Vorgehen der Polizei in dem Nachbarstaat. Ein Sprecher des Amtes rief die weißrussische Regierung auf, die Menschenrechte zu achten.

Applaus gegen die Krise

Seit fünf Wochen gehen Menschen in Weißrussland jeden Mittwoch auf die Straße und klatschen. Der Applaus bedeutet das Gegenteil von Zustimmung. Nach der Abwertung der weißrussischen Rubels um mehr als 50 Prozent ist das Lebensniveau der Weißrussen dramatisch gesunken. Devisen sind knapp. Die Preise für Lebensmittel, Benzin und ausländische Ware steigen kontinuierlich.

Mit Applaus wollen die Menschen gegen die Politik vom Präsident Alexander Lukaschenko protestieren und sich von der Angst vor Repressionen und Machtlosigkeit befreien. Insgesamt wurden bei den fünf Protestaktionen mehr als 1700 Menschen festgenommen, berichtet die weißrussische Menschenrechtsorganisation Viasna.

Menschen bei der Demonstration in Minsk (Foto: picture-alliance/dapd)
Die Proteste begannen im JuniBild: picture-alliance/dpa

Ähnlich wie die Proteste in den arabischen Ländern haben die stillen Demonstrationen in Weißrussland ihren Ursprung im Internet. Anfang Juni gründeten junge Aktivisten die Gruppe "Revolution durch soziale Netzwerke" im populären russischsprachigen Online-Netzwerk "Vkontakte.ru". Sie riefen die Internet-User auf: "Kommt jeden Mittwoch um 19 Uhr auf den Hauptplatz Eurer Stadt. Bleibt eine Weile dort, spaziert ein wenig. Bringt keine Plakate oder Fahnen mit." Die Gruppe zählt inzwischen mehr als 20.000 Mitglieder.

Strategie und Ziele

Screenshot der Vkontakte-Seite auf Russisch (Foto: www.vkontakte.ru)
Gruppe "Revolution durch soziale Netzwerke"

Doch was sind die Forderungen der Demonstranten? Auf der Protest-Website findet man sie nicht. Mit den oppositionellen Politikern arbeiten die jungen Internet-Aktivisten nicht zusammen. "Was wir machen, ist keine Politik. Wir kämpfen für die Freiheit unseres Landes", sagte der Mitgründer der Online-Gruppe, Wjatscheslaw Dianow, DW-WORLD.DE. Das Ziel sei das Ende des Regimes von Lukaschenko und danach die neuen freien und fairen Wahlen.

Die Protestorganisatoren müssen gegen die Staatsgewalt nicht nur auf der Straße, sondern auch im Internet kämpfen. Als vor der Protestaktion am 3. Juli ihre Revolutions-Gruppe gesperrt wurde, gründeten sie schnell eine Ersatzseite. Außerdem müssen sie sich neue Orte für ihre Proteste einfallen lassen, weil die bereits bekannten Plätze von den Polizisten abgeriegelt werden. Trotzdem wollen die Internet-Revolutionäre nicht aufgegeben: Für den kommenden Mittwoch ist die nächste Aktion geplant.

Autorin: Olga Kapustina (mit afp, dapd, Interfax)
Redaktion: Marion Linnenbrink/Ursula Kissel