Kampf dem Organhandel
22. November 2013Die Liste des Grauens ist lang. In Bangladesch verkauften arme Dorfbewohner ihre Nieren für 1400 bis 1900 Euro. In der ägyptischen Sinai-Wüste sollen Berichten zufolge Flüchtlingen aus Afrika Organe bei lebendigem Leibe herausgeschnitten worden sein. In China landen Nieren, Lungen und Herzen von Hingerichteten im Operationssaal und auch auf dem Balkan soll Handel mit menschlichen Körperteilen vorgekommen sein.
Wie viele Organe Menschen gegen ihren Willen entnommen werden, darüber gibt es nur Mutmaßungen. Fest steht, dass der illegale Handel in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. "Die Nachfrage nach Organen für eine Transplantation ist viel höher als das Angebot", sagt Manfred Nowak im Gespräch mit der DW. Der Völkerrechtler aus Wien war bis 2010 UN-Sonderberichterstatter über Folter. Für ihn steht fest: "Der Organhandel ist Teil einer organisierten Kriminalität, die sehr schnell wächst."
Wichtiger Schritt für die Menschenrechte
Um diese kriminellen Praktiken einzudämmen, hat sich der Europarat zu einem wichtigen Schritt entschlossen. Den Entwurf für eine erste umfassende Konvention über den Kampf gegen den Organhandel hat der ständige Ausschuss der parlamentarischen Versammlung in Wien am Freitag (22.11.2013) verabschiedet. Sie könnte bereits im kommenden Jahr in Kraft treten.
Der Europarat ist die führende Organisation für Menschenrechte auf dem Kontinent. Ihm gehören 47 Staaten an, darunter alle 28 Mitgliedsländer der Europäischen Union. Sitz des Europarats ist Straßburg.
Der Entwurf sieht Strafen für diejenigen vor, die Menschen Organe unter Zwang oder gegen Geld entnehmen, um damit zu handeln. Auch der so genannte Transplantationstourismus soll unterbunden werden. In chinesischen, pakistanischen oder indischen Kliniken beispielweise können sich zahlungskräftige Patienten aus dem Ausland benötigte Organe einsetzen lassen. Woher diese kommen, ist oft nicht klar.
Es sind vor allem Händler und skrupellose Chirurgen, die künftig bestraft werden sollen. Es bleibt jedoch den einzelnen Regierungen überlassen, wie sie mit Menschen umgehen, die ein Organ verkaufen, weil sie arm sind und unbedingt Geld brauchen.
Die Regeln der Konvention treten in den Unterzeichnerstaaten aber nicht automatisch in Kraft. Jeder einzelne muss die Gesetze seines Landes anpassen. Das kann dauern. Menschenrechtsexperte Wenzel Michalski von Human Rights Watch (HRW) hält die Initiative des Europarats dennoch für einen Meilenstein im Kampf gegen den internationalen Organhandel. "Die europäische Konvention kann zum Vorreiter für eine weltweite Konvention werden", sagt er und verweist auf die Verträge zum Verbot von Streubomben, Chemiewaffen oder Landminen, die mittlerweile ein Großteil aller Staaten weltweit unterschrieben hat.
In Europa können sich kriminelle Organhändler schon heute nicht mehr sicher sein, ungestraft davonzukommen. Ende April verurteilte ein internationales Gericht fünf Männer aus dem Kosovo, die Spendern Nieren gegen Geld entnommen haben sollen, um sie wohlhabenden Kranken in Israel, Deutschland, Kanada und Polen einsetzen zu lassen. Der Prozess brachte ans Tageslicht, dass die Spender für eine Niere etwa 12.000 Euro bekommen haben. Verkauft wurde das Organ an die Patienten für etwa das Zehnfache.
Rechte der ärmsten Menschen stärken
Ob die Konvention den Handel mit Organen wesentlich eindämmen wird, vermag heute noch niemand zu sagen. Für Rechtsprofessor Nowak kommt es auch auf das Signal an. "Es geht um die Menschenwürde." Und es gehe darum, die Rechte der Ärmsten zu wahren. Selbst, wenn es nur ein symbolischer Schritt ist. Denn sie seien es vor allen Dingen, die ihre Organe gegen Geld verkauften. Auch das Treiben krimineller Banden, die Menschen entführen, um ihnen gegen ihren Willen eine Niere zu entnehmen, dürfe nicht tatenlos hingenommen werden.
Zum Teil wird der Handel mit Organen auch von Staaten geduldet. Im Iran etwa sei diese Praxis legal, sagt Nowak. Extremere Formen nimmt sie in China an. Die Regierung bestätigt, dass zahlreichen Hingerichteten Organe entnommen und zur Transplantation freigegeben werden. Immer wieder tauchten Hinweise auf, dass die Körperteile nicht nur von Verurteilten stammten, sondern zum Beispiel auch von ermordeten Mitgliedern der verbotenen Falun-Gong-Bewegung. Doch dafür gebe es keine Belege, sagt Nowak. Während seiner Zeit als UN-Berichterstatter führte er auch Ermittlungen zum Organhandel in China.
Ein chinesischer Regierungsvertreter hatte Anfang November angekündigt, dass sein Land ab 2014 keine Organe von Exekutierten mehr transplantieren werde. Einen genauen Zeitpunkt nannte er nicht. Das sich die Praxis so einfach stoppen lässt, bezweifelt jedoch Menschenrechtsexperte Michalski. Zu viele würden an dem Geschäft in China verdienen. "Durch den Vertrieb der Organe hat sich eine ganze Industrie entwickelt." Eine rechtliche Grauzone. Verdienen würden das Wachpersonal, Polizeibehörden, Transporteure von Organen sowie die Krankenhäuser. Michalski spricht von mafiösen Strukturen. Dem Zentralstaat des Riesenlandes fehle die Macht, um sich gegen einflussreiche Provinzgouverneure durchzusetzen.
China darf die Konvention des Europarats übrigens auch unterzeichnen. Sie steht nicht nur den Mitgliedern, sondern allen Staaten der Welt offen.