Integration durch Fußball: DFB stellt neues Konzept vor
28. November 2019Als Fritz Keller am 27. September diesen Jahres einstimmig zum neuen DFB-Präsidenten gewählt wurde, sagte er: "Wir sind eine Integrationsmaschine, das letzte Lagerfeuer der Gesellschaft." Dass der Fußball als Volkssport Nummer eins, nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ecken dieser Welt, tatsächlich eine "Integrationsmaschine" ist, liegt nahe. Das mit dem Lagerfeuer ist da schon komplizierter.
Jetzt, auf den Tag genau zwei Monate nach seinem Amtsantritt ist Fritz Keller in Berlin, um das überarbeitete Integrationskonzept des DFB vorzustellen. Ein Thema, das ihm besonders wichtig ist. Ein Medientermin, nicht irgendwo in Berlin, sondern in Kreuzberg im Vereinsheim von Türkiyemspor, einem der bekanntesten Migrantenvereine Deutschlands und 2007 der Premierengewinner des jährlich vergebenen DFB-Integrationspreises. Richtig viel Glück hat das dem Verein nicht gebracht, denn seitdem ging es für den dreimaligen Berliner Landespokalsieger stetig bergab. 2011 musste Insolvenz angemeldet werden und sportlich ging es für Türkiyemspor bis hinunter in die siebtklassige Landesliga. Zu seinen besten Zeiten, Anfang der 90er Jahre, hatte Türkiyemspor nur sehr knapp die Aufstiegsrunde zur zweiten Liga verpasst. Heute hat der Verein 600 Mitglieder und als Aushängeschild eine der größten Mädchenfußballabteilungen Deutschlands.
Nahbar und authentisch - Keller in Kreuzberg
Fritz Keller ist also nicht zufällig bei Türkiyemspor und er kommt früher als angekündigt. Er nimmt sich erst einmal Zeit für die Vereinsmitglieder, die Betreuer und die anwesende Mädchenmannschaft. Die fröhlichen Kinder sind nicht nur der Stolz des Vereins, sie geben natürlich auch ein gutes Bild ab - es ist schließlich ein Medientermin. Aber auch ohne die Kniffe der DFB-Kommunikationsabteilung kommt der neue Präsident gut rüber. Heiter, freundlich, offen, authentisch - Fritz Keller ist einfach ein guter Typ, der sich im improvisierten Ambiente des Vereinsheims von Türkiyemspor sichtlich wohl fühlt.
Das überarbeitete DFB-Integrationskonzept wird verteilt, ein Podium gibt es bei dieser Pressekonferenz nicht. Auf den Stapelstühlen neben Keller sind noch Annette Widmann-Mauz, Staatsministerin für Integration, der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau, sowie Mehmet Matur von Türkiyemspor und gleichzeitig Präsidialmitglied Integration und Vielfalt beim Berliner Fußballverband zugegen.
Ihnen gegenüber sitzt ein wirklich bunter Haufen, denn neben den geladenen Medienvertretern ist natürlich auch die Mädchenmannschaft noch da und noch eine ganze Reihe Anderer. Und so muss sich beispielsweise der Ex-Nationalspieler Cacau für eine frühere Aussage rechtfertigen, er habe in Deutschland keinen Rassismus erlebt. Der Frager stellt sich mit "Ich heiße Philipp und bin hier Vater" vor. Erfrischend deutlich und dabei gewitzt äußert sich auch Fritz Keller zum Thema Rassismus. Gewitzt, weil er sich auf eine zuvor erzählte Anekdote beruft. "Ich zitiere nur und ich würde hier in diesem Moment sagen: Alle die irgendwie rassistisch unterwegs sind: Haltet eure Fresse!"
Konzept mit Beteiligung der Basis erstellt
Deutlich geschliffener kommt natürlich das überarbeitete DFB-Integrationskonzept daher. War die erste Fassung von 2008 noch ein Mix aus Absichtserklärungen und Maßnahmenkatalog, so ist die aktuelle ein regelrechtes Manifest rund um die zentralen Begriffe Vielfalt und Migrationsgesellschaft. Letzterer tauchte in der ersten Fassung gar nicht auf, der Begriff Vielfalt nur ein einziges Mal. Und auch bei der Erarbeitung des Konzepts ist der DFB neue Wege gegangen. War 2008 noch eine Expertenkommission für das Papier verantwortlich, ist die überarbeitete Version im Dialog mit der Basis entstanden in fünf Regionalkonferenzen über den gesamten letzten Sommer verteilt. Eingeladen waren jeweils Vertreter der Landesverbände und von Vereinen aus der Region. Angesichts dessen mag der Umfang von gerade mal sieben Seiten etwas dünn daher kommen. Dennoch, beim Thema Integration ist der DFB offensichtlich weiter gekommen, aber wie weit genau? Denn die Maßgaben des DFB müssen von den Landesverbänden umgesetzt werden und die sind im Gegensatz zum Dachverband deutlich knapper bei Kasse.
Wie gut der DFB seine Landesverbände unterstützt, damit will Mehmet Matur vom Berliner Fußballverband im Gespräch nach der Pressekonferenz nicht wirklich rausrücken, er bringt es so auf den Punkt: Theo Zwanziger, DFB-Präsident bis 2012, habe die Integration überhaupt erst zum großen Thema gemacht, mit ihm hätte alles angefangen. Sein Nachfolger Wolfgang Niersbach habe sich nur für die Profis interessiert. Unter Reinhard Grindel sei dann nichts weiter passiert, aber jetzt unter Fritz Keller würde die Integrationsarbeit neuen Schwung bekommen. Er sei einer, der daran wirklich interessiert sei und vor allem einer der zuhöre.
Er ist auch einer, dem selbst der stärker werdende Regen nicht die Laune vermiest, denn jetzt, im Freien auf dem Trainingsplatz neben dem Vereinsheim, steuert der Medientermin auf seinen angedachten Höhepunkt zu: Dem Fotoshooting mit der Mädchenmannschaft. Die gespielte Überraschung auf den Hinweis, dass er jetzt genau zwei Monate im Amt sei, nimmt man Keller nicht wirklich krumm und man glaubt ihm sofort, dass es ihm länger vorgekommen sei. Und das mit dem letzten Lagerfeuer der Gesellschaft klärt er jetzt auch auf: "Dass der Fußball die Geschichte ist wo alle Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlicher Religion einfach Spaß am Fußball haben und Vielfalt da ist." Fritz Keller ist wohl wirklich ein guter Typ und er ist ein Gewinn für den DFB und seine Integrationsbemühungen.