Interview mit Katharina Wagner
18. Juli 2011Katharina Wagner, 33, und ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, 66 sind seit zwei Jahren Co-Leiterinnen der Bayreuther Festspiele. Zur Arbeitsteilung gehört die Absprache, dass sich die jüngere Schwester um die Öffentlichkeit kümmert, sie gibt die Interviews.
Die Tochter von Wolfgang und Gudrun Wagner, beide verstorben, ist selbst Regisseurin und das nicht nur bei den Wagner-Festspielen. In einem Exklusivgespräch mit der Deutschen Welle lässt sie erahnen, was man in Zukunft in Bayreuth erwarten kann. Zunächst steht die diesjährige Eröffnung der Festspiele mit einer Neuinszenierung von Richard Wagners "Tannhäuser" am 25. Juli an.
Deutsche Welle: Jedes Jahr ein neuer Regisseur in Bayreuth: Christoph Schlingensief, Stefan Herheim, jetzt Sebastian Baumgarten. Die Verträge hat Ihr Vater unterschrieben, aber Sie haben ihn natürlich beraten. Ist jetzt die neue Generation in Bayreuth angekommen? Was zeichnet Sebastian Baumgarten aus?
Katharina Wagner: Beim Regisseur ist es wichtig, dass er nicht nur eine Idee hat, sondern auch das Handwerk beherrscht. Das tut Sebastian Baumgarten, und dann hat er auch interessante konzeptionelle Ansätze. Es gibt oft Leute, bei denen man sagt: "Ja, interessant gedacht, aber irgendwie hat jeder Auftritt ein Loch". Oder "Er weiß nicht, wie man Sänger bewegt" oder "handwerklich perfekt, aber konzeptionell langweilig". Wenn aber Handwerk und Kreativität zusammenkommen, dann ist er ein geeigneter Regisseur. Und das trifft bei Sebastian Baumgarten zu.
Der Bühnenbildner bei der Neuinszenierung von "Tannhäuser" ist der holländische Künstler Joep van Lieshout, auch ein bildender Künstler. Bühne und bildende Kunst: Wie passt das zusammen?
Bühnenbildner und bildende Künstler sind natürlich schon zwei unterschiedliche Berufe. Aber wenn der Vorschlag vom Regisseur kommt, ist er sehr willkommen. Er hat ein tolles Bühnenbild gemacht. Das ist wirklich eine Installation, und sie passt sehr gut mit der Regie zusammen.
Das klingt nach harter Kost für das konservative Publikum…
Ich glaube, kein Regisseur kommt hierhin und sagt: "Oh, ich will hier provozieren!" Ich bin auch dagegen, einen "Beipackzettel" beizuheften und zu sagen: Die Inszenierung funktioniert so und so. Jeder muss für sich selber denken. Diese Leistung erwarte ich einfach vom Publikum, und ich gehe davon aus, dass wir genau hier ein denkendes Publikum haben. Denn wenn die Besucher zehn Jahre auf eine Karte warten, dann wissen sie, worauf sie sich bewerben. Ich bin absolut dagegen, dem Publikum eine Inszenierung zu erklären. Dann wird es uninteressant.
Ihre "Meistersinger"-Inszenierung wird dieses Jahr zum letzten Mal gezeigt. Wie geht es mit der Regisseurin Katharina Wagner auf dem Grünen Hügel weiter?
2015 werde ich "Tristan und Isolde" mit dem Dirigenten Christian Thielemann auf die Bühne bringen.
Und als Intendantin? Was ist momentan Ihre größte Baustelle?
Sicherlich der "Ring". Die größte Baustelle sind die Verhandlungen mit dem Ring-Regisseur, die sehr gut laufen, aber erst mit dem unterschriebenen Vertrag sind sie vollendet. Anders der Ausblick auf das Wagner-Jahr. Da werden wir die Frühwerke machen: "Rienzi", "Liebesverbot" und "Die Feen". Es wird ein Geburtstagskonzert 2013 geben, alles veranstaltet von den Bayreuther Festspiele-Medien. Also: ein "Ring", drei Frühwerke, ein Geburtstagskonzert. Das ist ein Haufen Holz, aber keine Baustelle.
Den Namen des Ring-Regisseurs nennen Sie nicht?
Wie gesagt: Solange nichts unterschrieben ist, nenne ich gar nichts. Ich bin doch nicht wahnsinnig! (lacht)
Es gibt auch die Marke "Bayreuther Festspiele". Was sind Ihre Ideen, um diese Marke zu stärken?
Gerade das Thema mit den neuen Medien müssen wir weiter verfolgen, mit Podcast oder Public-Viewing. Wir haben dieses Jahr auch zum ersten Mal eine Live-Übertragung im Fernsehen, "Lohengrin" bei "Arte". Da waren wir etwas hinterher, aber wir holen auf.
Eine Frage zur Auslandsrezeption von Wagner. Sie sind in Argentinien als Regisseurin engagiert…
Ja, es geht um eine "Ring-Kurzfassung" – der "Ring" in sieben Stunden. Vieles an dem "Ring" sind Wiederholungsmomente: Man erzählt sich, was am Abend davor geschah. Ich denke, an einem Tag kann man es sich durchaus merken, mit Augenzwinkern gesagt. Spaß beiseite: Mir wurde die Fassung zugeschickt, und ich fand sie musikalisch nicht nur vertretbar, sondern auch sehr gut. Deswegen habe ich mich für dieses Projekt in Buenos Aires gewinnen lassen.
Was bringt diese "Kurzfassung" für Argentinien?
Ich glaube grundsätzlich, dass viele Leute sagen: Vier Tage hintereinander - das ist viel Zeit und viel Geld. Dafür muss man fast eine Woche Urlaub nehmen. Und an einem Tag kann man den "Ring" auch bewältigen.
Das Gespräch führte Hans Christoph von Bock
Redaktion: Rick Fulker