Innenminister wollen NPD-Verbotsantrag
5. Dezember 2012Die rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) muss sich auf ein erneutes Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht einstellen. Die Empfehlung sei einstimmig gefallen, sagte der gastgebende Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (im Artikelbild links neben Bundesinnenminister Friedrich), auf der Innenministerkonferenz in Warnemünde. "Die Demokratie ist wehrhaft", betonte der Christdemokrat.
Für Irritationen sorgte eine Protokollnotiz des Saarlands und Hessens, der sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) angeschlossen hat. Darin wird auf die aus ihrer Sicht weiterhin bestehenden Prozessrisiken verwiesen. Friedrich will diesen Punkt auch beim Treffen der Ministerpräsidenten an diesem Donnerstag in Berlin ansprechen.
Der Bundesinnenminister interpretierte die Protokollnotiz als Ausdruck seiner Bedenken. Das habe nichts mit "Zögerlichkeit oder Skepsis" zu tun. Von dem Material, das Bund und Länder seit dem Frühjahr über die NPD gesammelt haben, zeigte sich der CSU-Politiker überzeugt. Außerdem habe man die V-Leute (Vertrauensleute) des Verfassungsschutzes in NPD-Führungszirkeln abgezogen. Daran war das erste Verbotsverfahren 2003 bereits aus formalen Gründen gescheitert. Über die Frage einer möglichen Verfassungsfeindlichkeit der rechtsextremen Partei wurde damals inhaltlich gar nicht erst beraten.
Friedrich ist sich nun sicher, "dass man das aggressiv-kämpferische Vorgehen der NPD nachweisen kann". Es gebe eine personelle Verflechtung mit der Neonazi-Szene. "Eine bessere Materialsammlung hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben", glaubt der Bundesinnenminister. Trotzdem halte er es für wichtig, weiterhin auf mögliche Risiken eines Verfahrens hinzuweisen. Die sieht Friedrich vor allem in der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Der stelle sehr hohe Ansprüche an ein Parteiverbot. Davon abgesehen sieht Friedrich ein politisches Risiko darin, die NPD, "die klar auf dem absteigenden Ast ist", durch ein Verbotsverfahren aufzuwerten.
Anders als der Bundesinnenminister ist Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann inzwischen vom Erfolg eines Verbotsverfahrens überzeugt. Die Fakten lägen nun auf dem Tisch, sagte der Christdemokrat unter dem Eindruck der Materialsammlung und rechtlicher Gutachten. "Nun muss man auch springen!", hatte Schünemann schon beim Einreffen im Ostseebad Warnemünde verlangt. Zugleich warnte er davor, ein mögliches NPD-Verbot zu überhöhen. Damit wäre der Rechtsextremismus "noch nicht besiegt". Im Kampf gegen Rechtsextremismus dürfe man in keiner Weise nachlassen.
Am Tagungsort demonstrierten Rechtsextreme
Wenige Meter vom Konferenz-Hotel entfernt demonstrierten etwa 30 NPD-Anhänger gegen das geplante Verbotsverfahren. "Es gibt keinen wirklichen Grund, eine nationale Partei zu verbieten", sagte ein Redner. In Sichtweite der Rechtsextremen bekräftigten Linke und Jungsozialisten ihre Forderung nach einem NPD-Verbot. Ein starkes Polizei-Aufgebot sorgte dafür, dass sich die beiden Gruppen nicht zu nahe kamen.
Dass die Empfehlung der Innenminister von Ministerpräsidenten übernommen wird, daran zweifelt niemand. Am 14. Dezember könnte dann der Bundesrat die Einleitung eines zweiten NPD-Verbotsverfahrens beschließen. Den Antrag können nur Verfassungsorgane stellen. Neben der Länderkammer wären das die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag. Ob sich Bundesregierung anschließt, ist also noch offen. Im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel hat das Wort des Bundesinnenministers großes Gewicht. Friedrich ist von Amts wegen auch Verfassungsminister. Außerdem ist er nicht der einzige Skeptiker im Kabinett von Angela Merkel (CDU). Auch die freidemokratische Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schätzt die Risiken eines neuerlichen NPD-Verbotsverfahrens hoch ein.
Bundestagsabgeordnete wollen belastendes Material sehen
Gegen ein neues Verbotsverfahren ist der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Es wäre für die NPD im Wahljahr 2013 eine "willkommene Propaganda-Möglichkeit". Außerdem befürchtet Ströbele, "die zerstrittene rechte Szene würde sich über Gruppeninteressen hinweg mit der NPD solidarisieren". Der Grüne forderte die Innenminister zudem auf, das von ihnen gesammelte Material einsehen zu dürfen, "um selbst prüfen und entscheiden zu können". Auch die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, verlangte Einblick in die rund 1000 Seiten. "Der Kampf gegen Neofaschismus ist schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der die Verfassungsorgane möglichst an einem Strang ziehen sollten."