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Politik

Indonesische Reisbäuerin gegen Zementriesen

Vera Kern
9. Mai 2017

HeidelbergCement plant in Indonesien ein neues Zementwerk. Die Bevölkerung fürchtet jedoch, der Bau zerstöre ihre Umwelt. Aus Protest spricht eine Bäuerin auf der Aktionärsversammlung des Weltkonzerns in Heidelberg.

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Indonesische Bäuerin Gunarti protestiert bei 1. Mai Demo in Berlin gegen HeidelbergCement
Bild: DW/B.Knight

Für die Reisbäuerin Gunarti aus Indonesien steht nicht weniger auf dem Spiel als die Zerstörung ihrer Heimat. Seit Generationen baut ihre Familie Reis und Gemüse am Kendeng-Gebirge auf der indonesischen Hauptinsel Java an. Die Böden am Fuße der Bergkette sind fruchtbar und ertragreich. Nun fürchtet die dreifache Mutter aber, die Pläne eines Weltkonzerns könnten ihre Lebensgrundlage zerstören.

Denn der deutsche Konzern HeidelbergCement will - über seine Tochterfirma Indocement - in der Heimat von Gunarti, im Landkreis Pati, weitere Teile des Kendeng-Karstgebirges abbauen, um dort Rohstoffe für die Zementherstellung zu gewinnen.

Seit die Pläne bekannt wurden, wurde aus der Reisbäuerin Gunarti, die der indonesischen Minderheit der Samin angehört, die Umweltaktivistin Gunarti. Auf Einladung der deutschen Nichtregierungsorganisation (NGO) Watch Indonesia ist die 43-Jährige nun nach Deutschland gereist. Ihr Ziel: Eine Protestrede auf der Hauptversammlung des Dax-Unternehmens HeidelbergCement im baden-württembergischen Heidelberg an diesem Mittwoch. Dort darf sie nach Angaben der NGO in Kooperation mit dem Dachverband der Kritischen Aktionäre sprechen.

Die indonesische Bäuerin Gunarti protestiert bei 1. Mai-Demo in Berlin gegen HeidelbergCement (Foto: DW/B.Knight)
Reisbäuerin Gunarti aus Indonesien bei einer Protestaktion in Berlin: "Der Zement zerstört unsere Lebensgrundlage"Bild: DW/B.Knight

"Ich bin nach Deutschland gekommen, um die Menschen daran zu erinnern, dass der Zement unsere Lebensgrundlage zerstören wird. Denn wir sind abhängig vom Wasser, das aus den Kendeng-Bergen kommt"; sagte Gunarti der DW. "Nicht nur die Bewohner dort, wo das Zementwerk gebaut werden soll, brauchen das Wasser - alle Menschen in der ganzen Region sind abhängig von den vielen Wasserquellen in den Bergen." Denn das Karstgebirge funktioniert mit seinen unterirdischen Flüssen und Quellen wie ein riesiger Wasserspeicher. Es ist die Lebensader der lokalen Landwirtschaft.

HeidelbergCement: Vorwürfe entsprechen nicht der Wahrheit

HeidelbergCement weist die Kritik in einer online veröffentlichten Stellungnahme zurück. Es werde deutlich oberhalb des Grundwassers abgebaut. Die Wasserversorgung der Bevölkerung werde nicht beeinträchtigt. Die Vorwürfe entsprächen nicht der Wahrheit. "Der für das Zementwerk geplante Abbau von Rohstoffen wurde auf Regionen beschränkt, die für das Karstsystem nicht relevant sind", heißt es in dem Statement.

Yvonne Kunz, Umwelt-Referentin bei der NGO Watch Indonesia, hält das für Augenwischerei. "Karstsysteme beherbergen hydrologische Kreisläufe. Auch wenn man an der Oberfläche etwas abbaut, verändert sich weiter unten etwas", sagt Kunz: "Für die indigene Bevölkerung würde das bedeuten, dass sie ihre Lebensweise, ihre Liebe zum Land und zur Landwirtschaft nicht weiter ausleben könnte." Im schlimmsten Fall werde den Samin und anderen indigenen Gruppen die Lebensgrundlage genommen, so dass sie nicht mehr existieren können, befürchtet die Umwelt-Referentin.

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Protest gegen Zementfabrik: Bäuerinnen ließen sich 2016 vor dem Regierungssitz in Jakarta die Füße einbetonierenBild: picture-alliance/dpa/D.Husni

Der Konzern betont hingegen, der Bau des Zementwerks mit Steinbruch sei sorgfältig geplant. Es habe Studien, Umweltprüfungen und Gespräche mit den Menschen vor Ort gegeben. "HeidelbergCement ist der festen Überzeugung, dass das Pati-Projekt umweltverträglich ist und die lokale Bevölkerung vom Bau des Werks profitieren wird", heißt es auf der Homepage des Unternehmens.

Für die Landwirtin Gunarti sind das jedoch nur leere Worte. Sie hat sich gemeinsam mit anderen Bauern zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen. "Netzwerk der Menschen, denen das Kendeng-Gebirge am Herzen liegt", so lautet die indonesische Initiative "JM-PPK" übersetzt. Die Umweltaktivisten tragen ihre Wut öffentlichkeitswirksam nach außen. Vergangenes Jahr betonierten einige der Reisbäuerinnen ihre Füße vor dem Präsidentenpalast in Jakarta ein, um so ein Gespräch mit dem Präsidenten zu erzwingen.

Naturschutz geopfert für Wirtschaftsinteressen?

Die indonesische Regierung stellt sich klar hinter das Investitionsvorhaben des Weltkonzerns HeidelbergCement. Der Fall wurde zum Politikum. Gunarti und die anderen betroffenen Landwirte gingen rechtlich gegen das geplante Zementwerk vor - und gewannen in erster Instanz. Aber ein Urteil des Obersten Gerichts, bei dem das Unternehmen in Berufung gegangen war, bescheinigte dem Bau des Zementwerks dann doch Rechtmäßigkeit. "Wir verstehen nicht, warum Richter auf Basis derselben Fakten, die in erster Instanz überzeugten, dann eine andere Entscheidung fällen", kritisiert Gunarti.

Symbolbild Zement (Foto: picture-alliance/dpa/R. Wittek)
HeidelbergCement ist ein Riese auf dem Weltmarkt für Zement - und findet in Indonesien die benötigten RohstoffeBild: picture-alliance/dpa/R. Wittek

Die knapp 1000 Meter hohe Kendeng-Bergkette stand mal unter nationalem Naturschutz. 2010 erlaubte die Provinzregierung jedoch, dass Teile des Karstgebirges doch für industriellen Bergbau genutzt werden dürfen. Kritiker sagen: Es wurden genau die Stellen aus der Schutzzone heraus genommen, an denen HeidelbergCement nun Zementfabriken plant.

Seit Jahren tobt ein Interessenskonflikt um die Zukunft der Kendeng-Region. Das Unternehmen Indocement und die Regierung erhoffen sich Arbeitsplätze und wichtige Investitionen von weiteren Zementfabriken dort. Indonesien kann den Zement schließlich selbst gut gebrauchen für etliche Großprojekte wie den Bau von Flughäfen, Autobahnen oder Fabriken.

Für Gunarti und die anderen Bauern zählen diese Argumente nicht. "Wir verdienen mit der Landwirtschaft genug zum Leben, wir brauchen nicht mehr als das", sagt die Reisbäuerin. Sie befürchtet, dass am Ende die Böden unumkehrbar zerstört werden und sogar Umsiedlungen drohen. "Unsere Lebensgrundlage wird verloren gehen, wenn sie das Zementwerk bauen", sagt Gunarti.

"Wir bitten HeidelbergCement, nicht in etwas zu investieren, was unsere Umwelt und unser Lebensgrundlage zerstört", plädiert die Umweltaktivistin an das deutsche Unternehmen. Bei aller Wut und Enttäuschung hofft sie, dass sie mit der Sorge um ihre Heimat bei der Aktionärsversammlung in Heidelberg Gehör findet. Schließlich ist sie eine Angehörige der Samin. Übersetzt heißt das "friedlich Gesinnte".