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Drehscheibe für den Drogenhandel

Thomas Latschan11. April 2016

Indonesien will im Kampf gegen Drogen wieder hart durchgreifen. In diesem Jahr sollen erneut Todesstrafen gegen Rauschgifthändler vollstreckt werden. Das Drogenproblem wird Indonesien so aber kaum in den Griff bekommen.

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Beschlagnahmte Methamphetamine aus Südostasien (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/epa/Barbara Walton

Nach Sonnenuntergang wird Kuta erst richtig wach. Das touristische Zentrum der Insel Bali ist für sein Nachtleben berüchtigt. Rund um die Strandpromenade drängen sich Bars, Kneipen und Diskotheken dicht an dicht und werben mit knallig-bunten Leuchtreklamen um ihre Gäste. Wer sich hier gerade als Ausländer in die Clubszene stürzt, muss nicht lange warten, bis die ersten Angebote kommen. Cannabis und Heroin stehen in der Beliebtheit weit oben, aber wie überall auf der Welt hat auch in Indonesien der Konsum synthetischer Drogen in den vergangenen Jahren sprunghaft zugenommen. Insbesondere Designerdrogen wie Ecstasy oder Crystal Meth sind auch hier auf dem Vormarsch. Dem internationalen UN-Drogenbericht zufolge wurden in Indonesien im Jahre 2010 noch 350 Kilogramm Methamphetamine konfisziert, zwei Jahre später waren es mehr als zwei Tonnen. Seitdem gibt es immer wieder Beschlagnahmungen größerer Mengen synthetischer Drogen. Erst im November 2015 wurde ein Chinese aus Hongkong zum Tode verurteilt, weil er 860 Kilogramm Crystal Meth von Malaysia aus ins Land geschmuggelt haben soll.

Gerade in den Zentren des Massentourismus boomt der illegale Drogenhandel. Bali hat sich dabei zu einem der Hauptumschlagsplätze entwickelt – auch und gerade für den weiteren Schmuggel nach Australien. Immer wieder werden hier Drogenschmuggler verhaftet und mit drakonischen Strafen belegt – darunter auch eine ganze Reihe ausländischer Staatsbürger. International besondere Aufmerksamkeit erregte ein Fall im Jahr 2005, bei dem eine Gruppe junger Australier plante, mehrere Kilogramm Heroin über Bali in ihr Heimatland zu schmuggeln. Diese sogenannten "Bali Nine" wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, die beiden mutmaßlichen Anführer der Gruppe sogar zum Tode. Im vergangenen April wurden sie zusammen mit sechs weiteren wegen Drogendelikten Verurteilten hingerichtet.

Harte Gesetze

Drogenhändler Andrew Chan (Foto:afp)
Der Australier Andrew Chan ist einer der beiden hingerichteten Mitglieder der "Bali Nine"Bild: AFP/Getty Images/S. Tumbelaka

Der Staat reagiert auf den zunehmenden Drogenhandel mit einem der härtesten Anti-Drogen-Gesetze der Welt. Auf Handel oder Schmuggel steht im schlimmsten Fall die Todesstrafe, und selbst der Besitz geringer Mengen Rauschgift kann zu langjährigen Haftstrafen führen. In Indonesien waren Anfang 2015 mehr als 130 zum Tode Verurteilte inhaftiert – rund 60 wegen Mordes, mehr als 70 aber aufgrund von Drogendelikten. Unter Indonesiens ehemaligem Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono wurde die Todesstrafe in den sechs Jahren zwischen 2009 und 2014 nur ein einziges Mal vollstreckt. Doch sein Nachfolger Joko Widodo, genannt Jokowi, zeigt Härte. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 14 Menschen wegen Drogendelikten hingerichtet. Auch in diesem Jahr, so Generalstaatsanwalt H.M.Prasetyo, sollen wieder mehrere Todesurteile vollstreckt werden.

Präsident Jokowi verteidigt seine harte Haltung damit, dass sich Indonesien im Kampf gegen die Drogen in einem "nationalen Notstand" befinde. Doch die Gründe für seinen rigiden Kurs liegen tiefer. Jokowi ist der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes, der nicht aus dem politisch-militärischen Umfeld des ehemaligen Diktators Suharto stammt, sondern aus der Studentenbewegung, deren Proteste 1998 letztlich zu seinem Fall geführt hatten. Im Wahlkampf war dem Schreinersohn Jokowi von seinem größten Widersacher, General Prabowo Subianto, vorgeworfen worden, nicht durchsetzungsstark genug für den Präsidentenposten zu sein. Jokowi geriet unter Zugzwang, dies zu widerlegen – weshalb er schon früh Härte im Kampf gegen den Drogenhandel zeigte. Und von der indonesischen Bevölkerung erfährt er dafür sogar mehrheitlich Unterstützung.

Im Griff internationaler Kartelle

Denn tatsächlich hat das Drogenproblem nicht nur Bali, sondern längst auch andere Provinzen Indonesiens erfasst. Und die Konsumenten sind bei weitem nicht nur ausländische Touristen. Junge Arbeiter, Studenten, aber auch Prostituierte gehören zu den Hauptabnehmern. Doch insbesondere synthetische Drogen sind in den letzten Jahren auch weit in andere Bevölkerungsschichten hinein salonfähig geworden, warnt das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Dessen Indonesien-Chef Troels Vester schätzt, dass mittlerweile weit mehr als fünf Millionen Indonesier Drogen konsumieren. Dem indonesischen "National Narcotics Board" zufolge zählt das Land rund 18.000 Drogentote im Jahr - das heißt, täglich sterben durchschnittlich etwa 50 Menschen an den Folgen des Drogenkonsums.

"Mittlerweile hat sich Indonesien zu einem sehr lukrativen Markt für internationale Drogenkartelle entwickelt", so Vester gegenüber der DW. "Das Land hat eine sehr junge, aufstrebende Bevölkerung und bietet einen entsprechend großen Absatzmarkt." Präsident Joko Widodo und Indonesiens Antidrogenbehörde setzen darauf, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung erzielen soll. Doch die rigiden indonesischen Gesetze haben das Drogenproblem bislang nicht eindämmen können. "Die Vereinten Nationen sind gegen die Todesstrafe", stellt Troels Vester klar. Diese trifft vor allem kleine Dealer und Schmuggler. Den internationalen Drogenkartellen aber sei hiermit kaum beizukommen. Oft missbrauchen diese Kartelle einfache Menschen als Drogenkuriere - mit oder ohne deren Wissen. Bezeichnend ist hierbei etwa der Fall der philippinischen Hausangestellten Mary Jane Veloso, deren Hinrichtung im vergangenen Jahr buchstäblich in letzter Sekunde aufgeschoben wurde. Eingenäht in ihren Koffer hatten die indonesischen Behörden ein Päckchen mit Heroin gefunden. Doch die 30 Jahre alte Mutter zweier Kinder beteuerte bis zum Schluss, sie sei ohne ihr Wissen als Drogenkurierin ausgenutzt worden. Troels Vester zufolge liegt das eigentliche Problem daher auch woanders: "Die Behörden müssen ihre Anstrengungen erhöhen, um vor allem die Produktion, die Einfuhr und den Handel von Drogen zu unterbinden."

Fischerboot vor der Küste Westpapuas (Foto: afp)
Indonesiens lange Küstenlinie ist kaum zu kontrollierenBild: ROMEO GACAD/AFP/Getty Images

Drogenhandel kaum zu kontrollieren

Doch der Drogenschmuggel in Indonesien blüht, weil die Außengrenzen des Inselarchipels kaum zu kontrollieren sind. Über den Seeweg kommen die Substanzen vor allem aus China, Thailand oder von den Philippinen. Zudem schafft die extrem schlechte Infrastruktur in vielen Teilen des Landes ideale Verstecke für heimliche Drogenlabore, in denen Designerdrogen in großem Stil produziert werden können. Und die grassierende Korruption im Land bewirkt, dass Polizeibeamte vielerorts lieber wegschauen, anstatt konsequent gegen Drogenhändler vorzugehen.

Hinzu kommt, dass der Import vieler chemischer Basisstoffe für die Herstellung synthetischer Drogen legal ist. Sie können unter anderem auch für die Herstellung von Arzneimitteln genutzt werden. Doch die indonesischen Behörden halten bei der Einfuhr nicht konsequent nach, welche Mengen ins Land kommen und wofür diese tatsächlich genutzt werden. "Die Gefahr, dass ein großer Teil dieser Stoffe einfach für die illegale Drogenproduktion abgezweigt wird, ist groß", so Vester. Ihm zufolge benötigt das Land daher vor allem personell und finanziell deutlich besser ausgestattete Antidrogenbehörden. Zudem bräuchte es in ganz Südostasien eine effektivere gemeinsame Strategie im Kampf gegen den Drogenhandel, so der UN-Experte. Bislang aber steckt die Kooperation der ASEAN-Staaten im Kampf gegen den internationalen Drogenhandel erst in den Anfängen.