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Indische Grenzregion im Spannungsgebiet

Lohit Deka8. Oktober 2012

Nur 40 Kilometer von China entfernt liegt Tawang - in einem Gebiet, das China beansprucht. Vor 50 Jahren wurde hier heftig gekämpft. Heute bestimmen Pilger und Touristen das Bild - neben den Truppen der indischen Armee.

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Blick auf das buddhistische Kloster "Galden Namgyal Lhatse" in Tawang im ostindischen Bundesstaat Arunachal Pradesh in Indien. Es ist das größte Kloster in Indien. (Größere Bilddaten auf Anfrage)
Indien buddhistisches Kloster TawangBild: picture-alliance/dpa

Das Städtchen Tawang liegt auf 3000 Metern Höhe am Fuße des Himalaya. Über den Bergen und Tälern der Region erschallen die heiligen Gesänge buddhistischer Mönche. Die Mönche hier gehören dem Mahayana an, einer der drei Hauptrichtungen des Buddhismus. Das Kloster von Tawang ist das größte buddhistische Kloster in Indien und war lange Zeit eines ihrer bedeutendsten spirituellen Zentren weltweit.

Eigentlich ist Tawang ein ruhiges, zurückgezogenes Städtchen. Doch als vor 50 Jahren der Krieg zwischen Indien und China ausbrach, da rückte Tawang aufgrund seiner militärstrategisch bedeutenden Lage mitten in die Auseinandersetzungen. Die Stadt wurde bombardiert, mit Mörsern und Maschinengewehren beschossen und gestürmt, als chinesische Truppen am 20. Oktober 1962 große Teile des indischen Bundesstaates Arunachal Pradesh besetzten. Einen Monat lang stand Tawang unter chinesischem Kommando, bis die Chinesen am 20. November 1962 einen Waffenstillstand erklärten und sich wieder von indischem Gebiet zurückzogen.

A bird's eye view of the modern Tawang township which happened to be one of the major factors of border conflict between China and India. Foto: Korrespondent von DW Hindi, Lohit Deka. Aufnahmeort: Tawang, Arunachal Pradesh, Indien. Datum: August 2012.
Das Städtchen Tawang am Fuße des HimalayasBild: DW

Die Erinnerung lebt

Sange Tsering war 25 Jahre alt, als der Krieg ausbrach. Noch heute hat er die Erinnerung an den Tag der Besetzung klar vor Augen: "Die Stadt wurde von der chinesischen Armee förmlich überrannt", erzählt der mittlerweile 75-Jährige. "Sie kamen über uns wie ein Vogelschwarm über ein Reisfeld. Auf beiden Seiten gab es viele tote Soldaten. Die Einwohner hatten alle Angst und flohen in die Wälder. Sie versteckten sich in Höhlen und unter großen Bäumen", sagt Tsering. "Ich bete zu Gott, dass wir so einen Krieg nie wieder erleben müssen."

Viele ältere Menschen in Tawang erinnern sich Jahrzehnte danach noch an die Zeit der Besatzung. Auch Tashi Gombu gehörte zu den Einwohnern, die den Einmarsch vor 50 Jahren noch selbst miterlebt haben. "Wir waren umzingelt von chinesischen Armeeeinheiten, sie schossen von überall her", berichtete er in einem Interview, das heute im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Das Gespräch mit Gombu wurde wurde wenige Tage vor seinem Tod im Jahr 2004 aufgezeichnet. "Die kleine indische Einheit, die hier stationiert war, feuerte zurück. Plötzlich traf mich eine Kugel in die Hand und ich wurde ohnmächtig", erzählte Gombu weiter. "Als ich wieder zu Bewusstsein kam, war es totenstill. Alle Soldaten aus meiner Einheit waren tot. Aber nach einiger Zeit hörte ich Geräusche, die langsam näherkamen. Als ich mich aufrappelte, sah ich, dass es chinesische Soldaten waren, die die toten indischen Soldaten mit ihren Bajonetten aufspießten." Tashi Gombu selbst geriet in Kriegsgefangenschaft und kam erst nach einigen Jahren wieder frei – schwer traumatisiert.

Der indische Kriegsveteran Sange Tsering (Foto:DW/Lohit Deka)
Sange Tsering hat den indisch-chinesischen Krieg noch selbst miterlebt.Bild: DW

Einzigartige Kultur

Die Einwohner Tawangs sind zum größten Teil Monpas. Diese ethnische Gruppe umfasst rund 80.000 Menschen beiderseits der Grenze, die stolz sind auf ihre eigenständige Kultur. "Die Menschen in der Region sind Buddhisten", erklärt Keshang Dhondup, der Vizedirektor des staatlichen Kultusministeriums: "Sie leben vor allem von Viehzucht und Landwirtschaft und sind darüber hinaus bekannt für ihre Papierherstellung, ihre Holzschnitzereien und ihre Teppichherstellung." Heute ist Tawang auch ein beliebter Touristenort. Das buddhistische Kloster wurde bereits 1680 gegründet und beherbergte in Spitzenzeiten bis zu 600 Mönche. Im Jahr 2009 wurde es komplett renoviert. Damals besuchte auch der Dalai Lama das Kloster. Rund 30.000 Menschen kamen, um seinen Lehren zu lauschen.

Ende eines Alptraums

Oberflächlich scheinen die Wunden des Krieges in Tawang verheilt zu sein. Nur die überall in der Region stark präsente indische Armee erinnert an den schwelenden Konflikt. Denn noch immer beansprucht China das Gebiet als "Teil Südtibets" für sich. Rund 180.000 indische Soldaten sind im Bundesstaat Arunachal Pradesh stationiert. Im 10.000-Einwohner-Städtchen Tawang hat die indische Armee eine Trainingsakademie für den Einsatz ihrer Soldaten in großer Höhe gebaut. Die Menschen in Tawang haben sich mit der starken Militärpräsenz arrangiert: Die Menschen treffen sich auf dem Wochenmarkt, Kinder spielen unbeschwert auf der Straße – das Leben in dem kleinen Bergstädtchen läuft auch nicht anders ab als überall sonst in Indien. Die Bewohner von Tawang sind stolze Inder – und sie fühlen sich sicher durch die Armee. So wie Sonam Tsering, der erst vor kurzem für mehrere 100.000 Rupien ein neues Haus für seine Familie gebaut hat: "Ich bin sehr zufrieden, weil sich so etwas wie der chinesische Einmarsch vor 50 Jahren nicht mehr wiederholen wird", sagt er. "Heute nehmen viele Menschen aus Tawang Geld in die Hand, um hier ihre eigenen Häuser zu bauen. Das zeigt doch, dass wir volles Vertrauen in die hier stationierten Soldaten haben."

Indische Truppen begehen eine Parade zum Nationalfeiertag (Foto:DW/Lohit Deka)
Noch heute ist die indische Armee in der Region stark präsent.Bild: DW