Indiens Wirtschaft und der Konflikt Iran - USA
13. Februar 2020Die indischen Tee-Exporteure haben einen neuen besten Kunden: den Iran. Die Islamische Republik nahm im vergangenen Jahr mehr als 53 Millionen Kilo ab – rund 75 Prozent mehr als in den vorangegangenen Jahren. Möglich gemacht hatte das gute Geschäft ein bereits vor Jahren geschlossenes und zuletzt wieder neu aufgelegtes Handelssystem auf Basis der indischen Rupie, mit dem beide Länder die US-Währung bei der Verrechnung umgehen.
"Dank der indischen Diplomatie sollten wir in der Lage sei, Partner des Iran zu bleiben und dem Land humanitäre Hilfe, Tee und Reis zu liefern", sagte Azam Monem, Direktor des Tee-Exporteurs McLeod Russel India Ltd., Anfang dieser Woche der US-Agentur Bloomberg.
Ein Ausbau der Handelsbeziehungen ist allerdings durch die Spannungen in der Region gefährdet. Anfang Januar, wenige Tage nachdem die USA den Kommandanten der iranischen Quds-Einheiten, Kasem Soleimani, getötet hatten, führte der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar zwei dringliche Telefonate: eines mit US-Außenminister Mike Pompeo und ein weiteres mit Irans Außenminister Dschawad Sarif. Beide Seiten drängte er, die Spannungen so gering wie möglich zu halten.
Indiens Interesse an iranischem Hafen Chabahar
Was für Indien angesichts des Konflikts auf dem Spiel steht, zeigt sich etwa an dem iranischen Hafen Chabahar. Zu dessen Ausbau hatte sich Iran mit Indien und Afghanistan zusammengetan. Der bislang eher unbedeutende Standort befindet sich am Golf von Oman und damit strategisch günstig außerhalb des Persischen Golfs. Um ihn anzusteuern, müssen Schiffe nicht die militärisch zuletzt höchst unruhige Meeresenge von Hormus passieren. Das nimmt dem indisch-iranischen Handel einen Großteil seiner Risiken.
Indien engagierte sich auch, um dem wachsenden chinesischen Einfluss im Golf von Oman entgegenzutreten. Mit dem Bau des Hafens von Gwadar in Pakistan, nicht einmal 100 Kilometer von Chabahar entfernt, hatte China seine Präsenz in der Region ausgebaut.
An dem neuen Hafen im Iran stören sich die USA nicht, im Gegenteil: Sie sehen ihn als Möglichkeit, die Wirtschaft in Afghanistan zu fördern. Darum nahmen sie ihn nicht in ihre Sanktionsliste auf. Dennoch wurden die indischen Investoren angesichts der US-Sanktionen vorsichtig und hielten sich auch in Chabahar zurück. Das wiederum bewog die Regierung in New Delhi, ihrerseits das für den Hafen bereits eingeplante Budget um rund zwei Drittel zu kürzen. Erst langsam, nach wiederholten Zusicherungen der USA, den Hafen nicht in die Sanktionsliste aufzunehmen, freunden sich die indischen Unternehmen nun wieder mit dem Gedanken von Investitionen an.
Diese Investitionen zielen allerdings nicht allein auf den Iran. Im Sinne der von Indien propagierten Politik der "erweiterten Nachbarschaft" gilt der Hafen als wichtiges Tor Richtung Afghanistan und Zentralasien, ja letztlich sogar nach Europa.
Neue Krisen am Golf als drohendes Szenario
Der iranisch-amerikanische Konflikt könnte noch weitere Folgen haben. Er konzentriert sich an der Straße von Hormus, einer der bedeutendsten Handelsrouten der Welt. Über diese werden ein Viertel des globalen Erdöl- und und ein Drittel des Erdgastransports abgewickelt. Indien bezieht 65 Prozent seiner Öl-Importe über diesen Schifffahrtsweg. Fiele der Verkehr auf der Route aufgrund militärischer Spannungen aus oder würde auch nur beeinträchtigt, hätte dies unmittelbare Folgen für den globalen Erdölpreis. Das zeigte sich kurz nach der Tötung Soleimanis, als der Ölpreis kurzfristig auf über 70 US-Dollar pro Barrel stieg .
Ein dauerhafter Preisanstieg hätte für Indien enorme Folgen. Bereits ein Sprung um zehn Dollar pro Barrel würde die Inflation um 0,4 Prozent nach oben treiben. Das bekämen als erstes die armen Bevölkerungsschichten zu spüren. Die Versuche der Regierung, den Binnenkonsum anzukurbeln, erhielten einen Dämpfer
Ein eskalierender Konflikt am Golf hätte womöglich auch Auswirkungen auf die rund acht Millionen Inder, die sich in den Golfstaaten als Gastarbeiter aufhalten. Müssten sie ihre Arbeitsstellen aufgeben, entfielen auch die rund 40 Milliarden US-Dollar, die sie Jahr für Jahr in die Heimat überweisen. Allein dem Bundesstaat Kerala entgingen mehr als 36 Prozent seiner Einnahmen.