Indien: Sorgen um Handel nach Trumps Triumph
9. November 2024Optimismus in Delhi: Die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus im Januar 2025 löst in Indien leichte Euphorie aus. Die Regierung dort geht davon aus, dass die künftigen Beziehungen zu den USA angesichts des herzlichen Verhältnisses zwischen Premier Narendra Modi und dem gewählten Präsident Donald Trump weiterhin gut sein werden. Im Juni wurde Modi für weitere fünf Jahre als indischer Premier bis 2029 gewählt. Aber angesichts der geopolitischen Lage werden neben Chancen auch Herausforderungen befürchtet.
Unklar ist etwa, wie die beiden Politiker die Brennpunkte wie den Invasionskrieg Russlands gegen die Ukraine, den wachsenden Einfluss Chinas in Asien, die Zuwanderung und den bilateralen Handel angehen werden. Diplomaten und Experten zeigen sich teils zwar optimistisch. Sie warnen aber davor, die guten Beziehungen angesichts des unberechenbaren Führungsstils von Trump als selbstverständlich anzusehen.
"Mein Freund"
Kurz nach Trumps Triumph bei den US-Wahlen beglückwünschte ihn Modi und bezeichnete ihn als "meinen Freund". "Während Sie auf den Erfolgen Ihrer letzten Amtszeit aufbauen, freue ich mich darauf, unsere Zusammenarbeit zu erneuern, um die umfassende globale und strategische Partnerschaft zwischen Indien und den USA weiter zu stärken. Lassen Sie uns gemeinsam für das Wohlergehen unserer Völker arbeiten und den globalen Frieden, die Stabilität und den Wohlstand fördern", schrieb der indische Premier auf dem Kurznachrichtendienst X. Auch Trump nannte den indischen Premier Modi im Wahlkampf "einen der nettesten Menschen überhaupt" und einen "Freund".
Sowohl Modi als auch Trump gelten als Politiker, für die gute persönliche Beziehungen zu anderen Staats- und Regierungschefs eine große Rolle spielen. Ihre Verbundenheit demonstrierten sie im September 2019 mit der Veranstaltung "Howdy Modi" im US-Bundesstaat Texas (Artikelbild). In der viertgrößten Stadt der USA Houston sprach Trump vor rund 50.000 indisch-stämmigen Amerikanern. Im Februar 2020 folgte beim Besuch von Donald Trump in Indien eine ähnliche Veranstaltung "Namaste Trump" ("Hallo Trump" auf Hindi) im Bundesstaat Gujarat. Dort bekannte sich Trump zur Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen.
"Indiens Beziehungen zu den USA werden unabhängig vom Wahlausgang weiter stärker werden", sagte Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar Anfang der Woche am Rande des Rahmendialogs der Außenminister Indiens und Australiens in Canberra. Die Beziehungen seien nach fünf verschiedene Präsidentschaften nicht nur gewachsen, sondern auch gediehen.
Chinas Einfluss entgegentreten
Jaishankars Zuversicht, die engen Beziehungen zu Washington aufrechtzuerhalten, beruht vor allem auf einem gemeinsamen Anliegen, Indiens Nachbarn China in der asien-pazifischen Region in Schach zu halten. So unterzeichneten Indien und die USA während Modis Besuch in den USA im Juni 2023 neue Verteidigungsabkommen. Diese ermöglichten es Neu-Delhi, militärische Ausrüstung und neue Verteidigungstechnologien im Wert von 20 Milliarden US-Dollar zu kaufen.
Immer wieder stand China im Mittelpunkt der indisch-amerikanischen Beziehungen. "Trump wird wahrscheinlich das geopolitische Engagement mit Indien und den dem Sicherheitsdialog QUAD angehörenden Staaten (USA, Indien, Japan und Australien, Anm. d. Red.) vertiefen und zugleich die Auseinandersetzung mit China intensivieren", sagt der ehemalige indische Diplomat Ajay Bisaria im DW-Interview. "In diesem Kontext könnte Neu-Delhi mehr private Investitionen anziehen. Die Verteidigungs- und Technologiepartnerschaft dürfte wohl einen Schub erhalten."
Zudem könnten die USA unter Trump auch mehr Verständnis für die indischen Anliegen in Südasien aufbringen, so Bisaria. "Gelingt es Trump, die Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen zu beenden, käme Indien dies zugute. Womöglich will er Indien sogar in die Bemühungen einbeziehen."
Handelsbeziehungen und Migration
Während die sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen Neu-Delhi und Washington voraussichtlich stabil bleiben, gilt dies für die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern in Trumps zweiter Amtszeit nicht unbedingt.
Trumps "America First"-Politik ("Amerika zuerst") könnte zu höheren Zöllen auf indische Exporte führen, sagt der Analyst C. Raja Mohan, Gastprofessor am Institut für Südasienstudien in Singapur. Diese könnten insbesondere die IT-, Pharma- und Textilbranche treffen.
Trump hatte Indien zuvor als "Zollkönig" bezeichnet und die Absicht geäußert, reziproke Zölle einzuführen. "Das würde die Handelsdynamik zwischen den beiden Nationen weiter erschweren", so Mohan zur DW. "Die zweite Präsidentschaft unter Trumpf könnte für Indien ein komplexes Umfeld mit sich bringen, das von gewichtigen Risiken in den Bereichen Handel und Migration geprägt ist."
In der Summe dürfte sich der allgemeine strategische Kurs der indisch-amerikanischen Beziehungen unter Trump ohne größere Abweichungen fortsetzen, sagt die ehemalige indische Botschafterin in den USA, Meera Shankar, im DW-Gespräch. Doch zugleich könnte Trumps Außenpolitik isolationistischer und protektionistischer werden. "Während seiner ersten Amtszeit kam es zwischen Indien und den USA zur Diskussion über eine Reihe von Handelsfragen. Nun könnte es erneut zu Handelsstreitigkeiten kommen. Mit ihnen muss Indien pragmatisch umgehen, da die USA unser größter Exportmarkt für Waren und Dienstleistungen sind", so Shankar. Mit einem jährlichen bilateralen Handelsvolumen von über 190 Milliarden Dollar sind die USA Indiens größter Handelspartner.
Neu-Delhi müsse Trump in Handelsfragen "verstehen und steuern", sagt der ehemalige Diplomat Mohan Kumar. Trump könnte die indisch-amerikanischen Beziehungen enorm prägen. "Dies gilt insbesondere für die Bereiche Verteidigung und Einwanderung. Gerade hinsichtlich der legalen Einwanderung ist Indien besorgt", so Kumar gegenüber DW.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp