Indien hofiert Afrika
29. Oktober 2015Es war ein Gipfeltreffen der Superlative: Rund 1000 Delegierte, die größte Konferenz in Indien seit 1983. Noch nie sind außerhalb Afrikas so viele Spitzenpolitiker und Entscheider des Kontinents zusammengekommen wie beim Indien-Afrika-Gipfel in Neu Delhi. Und künftig will Indiens Premier Narendra Modi noch stärker auf den Schwester-Kontinent setzen - vor allem, um sich Afrikas Rohstoffe und Exportmärkte zu sichern.
Den großen Worten folgen allerdings vergleichsweise kleine Zahlen: Modi kündigte indische Investitionen von gerade einmal umgerechnet 550 Millionen Euro in afrikanischen Ländern an - nach dem großen Schaulaufen von 41 Staats- und Regierungschefs aus 54 afrikanischen Staaten auf dem "India-Africa Forum Summit 2015". Dazu stellt Modi zinsgünstige Darlehen in Höhe von neun Milliarden Euro in Aussicht - verteilt auf einen Zeitraum von fünf Jahren. "Indien fühlt sich geehrt, Afrikas Entwicklungspartner zu sein", schmeichelte Gastgeber Modi seinen Gästen und beschwor eine Partnerschaft ohne strategische und ökonomische Hintergedanken.
Für Arndt Michael von der Universität Freiburg, der sich seit Jahren mit den Beziehungen Indiens zu Afrika beschäftigt, ist das "typisch indische Rhetorik". Den Zweck des Gipfels bringt er so auf den Punkt: "Es gibt viele symbolische Fotos, aber wenig Handfestes."
Auch die Beschwörung gemeinsamer Interessen und Absichtserklärungen, enger zu kooperieren, müsse man mit Vorsicht genießen, meint er: "Wir haben den Papiertiger Afrikanische Union (AU) auf der einen Seite und ein Land mit wahrscheinlich sieben Prozent Wirtschaftswachstum, aber mit einer unglaublich großen Zahl von Problemen auf der anderen - also eine in sich zerstrittene Organisation und ein Mitglied der BRICS-Staaten, das über eine mäßige Wirtschaftskraft verfügt und sehr viel innere Probleme hat. Da darf man nicht zu viel erwarten."
Afrikas Rohstoffe im Blick
Indien will, wenn es nach Regierungschef Modi geht, in Afrika das neue China werden - vor allem im Rohstoffbereich. Schon jetzt muss das südasiatische Schwellenland rund 70 Prozent seines Gas- und Ölbedarfs importieren. Und bereits in 15 Jahren werden es 90 Prozent sein, gibt Arndt Michael zu bedenken. Indien habe gar keine andere Wahl, als sich seine Rohstoffversorgung in Afrika zu sichern. Denn der Mittlere Osten sei politisch zu instabil, um sich auf die Öl- und Gasproduzenten dort verlassen zu können. Demokratie und Menschenrechte spielten beim Griff nach Afrikas Rohstoffen im indischen Kalkül nur eine untergeordnete Rolle - wenn überhaupt. Sogar dem mit internationalem Haftbefehl gesuchten sudanesischen Präsidenten Omar Hassan al-Baschir wurde in Neu Delhi der rote Teppich ausgerollt. Dass er wegen mutmaßlichen Völkermords vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) gesucht wird, betreffe Indien nicht, ließ die Regierung verlauten. Schließlich sei Indien beim ICC außen vor und müsse Baschir deshalb auch nicht ausliefern.
Handfeste Interessen
Beim großen Indien-Afrika-Gipfel in Neu Delhi ging es aber auch um einen engeren Schulterschluss zwischen Indien und dem afrikanischen Kontinent, um sich in der internationalen Politik gegenseitig den Rücken zu stärken - nicht zuletzt zur Unterstützung der indischen Kampagne für einen festen Sitz im UN-Sicherheitsrat.
Die von Modi angekündigte Ausweitung der Entwicklungshilfe in Afrika sieht Experte Michael äußerst kritisch: Genau wie China gehe es der Regierung in Neu Delhi vor allem um die Sicherung der Rohstoffversorgung - da spielten Demokratie und Menschenrechte nur eine untergeordnete Rolle. Der Sudan sei dafür ein ganz zentrales Beispiel: Zwar schiebe die Regierung in Neu Delhi dort und anderswo auch Entwicklungsprojekte an. Doch dabei stehe immer das eigene wirtschaftliche Interesse im Vordergrund. Indien sei ein typischer 'Emerging Donor', "ein Entwicklungshilfe-Geberland, das gleichzeitig ein Entwicklungshilfe-Empfängerland ist, aber seine Entwicklungshilfe nicht von irgendwelchen demokratischen Strukturen abhängig macht."
Das "neue China"?
Was ist also von der Ankündigung Indiens zu halten, das Land werde auf dem afrikanischen Kontinent in die Fußstapfen Chinas treten? Während Indien seit 2008 knapp sieben Milliarden Euro auf dem Kontinent investiert hat, pumpte China allein 2013 nach eigenen Angaben Direktinvestitionen in Höhe von 23 Milliarden Euro nach Afrika. Straßenbau und Infrastruktur im Tausch gegen den Zugang zu Märkten und Rohstoffen - so funktioniert im Kern das chinesische Konzept.
Auch Indien will vor allem Rohstoffe - darüber sind sich die Experten einig. Daneben wolle das südasiatische Schwellenland aber auch seine jetzt schon starke Stellung im Telekommunikationsbereich weiter ausbauen und als Anbieter von IT-Leistungen in Afrika punkten.
Doch bis Indien China auf dem Kontinent den Rang ablaufen kann, wie Modi es propagiert, werde noch viel Zeit verstreichen, ist Arndt Michael überzeugt: "China hat einen so großen Vorsprung, dass solche Aussagen verfrüht sind. Die Chancen stehen gut, etwa bei IT-Dienstleistungen das Afrika-Geschäft kräftig zu steigern. Doch die Zahlen sprechen für sich: Indiens Handelsvolumen mit Afrika rangiert bei 70 Milliarden - das chinesische Afrika-Geschäft bei erstaunlichen 200 Milliarden US-Dollar."