Debatte um Dengue-Fieber-Impfstoff geht weiter
3. September 2014"Die zweite Phase-III-Studie eines Dengue-Fieber-Impfstoffs hat mit einer Wirksamkeit von 60,8 Prozent das ursprüngliche Ziel erreicht", heißt es in der Pressemitteilung von Sanofi Pasteur. Das Pharmaunternehmen hat am Mittwoch die Ergebnisse seiner klinischen Impfstoffstudie in Lateinamerika bekannt gegeben.
Forscher hatten gespannt darauf gewartet. Im Juli waren bereits die Ergebnisse aus dem ersten Teil der klinischen Studie in Asien veröffentlicht worden. Der Impfstoff mit dem kryptischen Namen CYD-TDV bot Kindern zwischen 2 und 14 Jahren einen Schutz von 56,5 Prozent gegen Infektionen mit dem Dengue-Virus.
Aber einige Experten sahen die Ergebnisse kritisch. Ob der Impfstoff etwas tauge, ließe sich erst beurteilen, wenn Daten aus dem zweiten Teil der klinischen Studie in Lateinamerika bekannt seien, hieß es. Mehr als 20.000 Kinder zwischen 9 und 16 Jahren in Brasilien, Kolumbien, Honduras und Puerto Rico haben an dieser Studie teilgenommen.
Phase III ist das letzte und teuerste Stadium in der Impfstoffentwicklung. Ist es zufriedenstellend abgeschlossen, kann ein Impfstoffhersteller die Zulassung beantragen und den Impfstoff auf den Markt bringen. Für Dengue-Fieber war das die bisher erste Phase-III-Impfstudie überhaupt.
"Nicht perfekt, aber vielversprechend"
Eine Wirksamkeit von 60,8 Prozent bedeutet, dass der Impfstoff die Zahl der Dengue-Infektionen mehr als halbiert. Vor allem aber reduziert er laut Sanofi die Zahl der schweren Krankheitsfälle, die eine Einweisung ins Krankenhaus nötig machen, um 80,3 Prozent. Jedes Jahr erkranken etwa eine halbe Million Menschen, vor allem Kinder, an dieser schweren Form, hämorrhagisches Dengue-Fieber genannt. Einige sterben daran.
Die Ergebnisse aus dem lateinamerikanischen Teil der Studie stimmen mit denen aus Asien überein, sagt Annelies Wilder-Smith von der Nanyang Technological University in Singapur im DW-Interview. Sie war an der Entwicklung des Impfstoffs beteiligt, allerdings nicht an der jetzt abgeschlossenen Phase III. Die neuen Daten seien "sogar noch ermutigender", meint sie. Denn sie zeigten eine noch höhere Wirksamkeit, sowohl insgesamt als auch gegen eine ganz bestimmte Unterart des Dengue-Virus. "Es ist kein perfekter Impfstoff, aber ein vielversprechender", fasst sie zusammen.
Nicht alle Dengue-Viren sind gleich
Es gibt vier Subtypen von Dengue-Viren, Serotypen 1, 2, 3 und 4. Sie kommen nebeneinander vor, und Menschen können sich mit jedem von ihnen im Laufe ihres Lebens infizieren. Wenn jemand aufgrund einer früheren Erkrankung gegen einen Typ immun geworden ist, besteht trotzdem kein Schutz gegen die anderen drei Virusarten. Das Verhältnis, in denen diese Serotypen nebeneinander vorkommen, variiert von Region zu Region, also auch zwischen Asien und Lateinamerika.
In der Studie in Asien schützte Sanofi Pasteurs Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 75 Prozent gut gegen die Serotypen 3 und 4. Der Schutz gegen Serotyp 1 war mit 50 Prozent mittelmäßig - und gegen Serotyp 2 mit 35 Prozent nur gering. In Lateinamerika sehen die Ergebnisse ähnlich aus: Mit einer Wirksamkeit von 74 und 77,7 Prozent besteht ein hoher Schutz gegen die Serotypen 3 und 4, aber mit 50,3 Prozent ein geringerer Schutz gegen Serotyp 1. Mit 42,3 Prozent war die Wirksamkeit gegen Serotyp 2 in Lateinamerika etwas höher als in Asien.
"Ernüchternd"
Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, sagt im DW-Interview, er denke noch immer, dass "der Impfstoff nicht das Gelbe vom Ei ist." Bereits im Juli hatte er gewarnt, dass der Schutz gegen die vier Unterarten des Virus nicht gleich gut sei und das gefährlich werden könne. Der Impfstoff könnte einige Subtypen zurückdrängen; der eine, gegen den nur geringer Schutz besteht, könnte sich durchsetzen. Das würde die Situation in Dengue-endemischen Ländern noch verschlimmern, fürchtete er.
"40 oder 50 Prozent Schutz sind sehr ernüchternd", bestätigt Schmidt-Chanasit erneut, nachdem die Ergebnisse aus Lateinamerika bekannt wurden. Man brauche mindestens 80 oder 90 Prozent Wirksamkeit.
Schmidt-Chanasit kritisiert zudem, dass die Impfung drei Impfdosen benötige - das sei für den Einsatz in Entwicklungsländer sehr unpraktisch und zudem teuer.
Die meisten Daten zur Studie sind allerdings noch gar nicht einsehbar. Sanofi Pasteur verkündete, die kompletten Ergebnisse auf der Jahrestagung der US-amerikanischen Gesellschaft für Tropenmedizin und Hygiene Anfang November bekannt zu geben.
Eine Frage des Geldes
Wie viel der Impfstoff kosten wird, ist noch nicht bekannt. Guillaume Leroy, Leiter von Sanofi's Dengue-Impfstoff-Projekt, lehnte es noch am Mittwoch (03.09.2014) gegenüber der Presseagentur Reuters ab, sich zum Preis zu äußern.
Es heißt, Sanofi Pasteur habe über 1,3 Milliarden Euro und zwei Jahrzehnte Forschung in das Projekt investiert. Nach Angaben von Reuters will Sanofi im ersten Quartal 2015 die Zulassung für den Impfstoff beantragen. Ziel sei es, die ersten Impfdosen in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 auf den Markt zu bringen. Dafür hat das Unternehmen eine Anlage bei Lyon in Südostfrankreich gebaut. Sie kann 100 Millionen Impfdosen pro Jahr produzieren.
Aber Schmidt-Chanasis meint, die Länder, in denen Dengue-Fieber endemisch ist, müssten eine genaue Kosten-Nutzen-Kalkulation durchführen. "Anstelle Milliarden in diesen Impfstoff zu investieren, ist es vielleicht besser, wenn die Länder das Geld in ihre Gesundheitssysteme stecken", sagt er. So ließen sich möglicherweise mehr Dengue-Tote verhindern als mit einem teuren Impfstoff.