imm cologne: Wohnen als Lifestyle
15. Januar 2019Ohne die vielen Pflanzen wäre es auf dieser Möbelmesse etwas trist in einigen Hallen. Die Trendfarben Grau, Beige und jegliche Pastelltöne wirken auf großer Fläche schnell eintönig, auch wenn samtige Stoffe, glänzende Metalle und schummriges Licht für ein wohnliches Ambiente sorgen. Geradezu frisch wirken dagegen die bunten Stoffe am "BauhausNowhaus"-Stand der Firma Tecta, wo sich junge Designer nicht nur an dem Sessel F51 von Architekt und Bauhausgründer Walter Gropius ausprobiert haben, sondern auch dem Evergreen, dem klappbaren Stahlrohr-Clubsessel von Marcel Breuer, einen neuen bunten Look verpasst haben.
Bauhaus auf der imm
100 Jahre Bauhaus, die in diesem Jahr gefeiert werden, gehen auch an derimm cologne, der internationalen Kölner Möbelmesse, nicht spurlos vorüber. Für die weltberühmten Stahlrohrsessel und Stühle von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe haben verschiedene Firmen Lizenzen. Bei Thonet sind sie noch ganz klassisch zu haben, allerdings mit veränderter Sitzhöhe. "Die Leute sind heute größer als in den 20er Jahren", sagt Designerin Susanne Korn vom Marketing. "Statt 44 Zentimetern beträgt die Sitzhöhe heute 46 Zentimeter. Wir passen die Möbel an die heutigen Maßstäbe und Sicherheitsbedingungen an."
Bevor Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe in den 20er Jahren auf die Firma Thonet zukamen, um Stahlrohre zu biegen und ihre Stühle zu vertreiben, war man dort auf Holzstühle mit Flechtwerk spezialisiert. Extra für Thonet entwarf Marcel Breuer damals einen freischwingenden Stuhl mit Korbgeflecht. Bis heute ist es der meistverkaufte Stuhl der Firma.
"Das Bauhaus war eine Idee, die für die Zukunft angelegt war, ein großes Experiment, das sich ständig verändert hat", sagt der Kölner Architekt und Bauhaus-Sammler Thomas Schriefers. Er hat eine kleine Bauhaus-Ausstellung mit eigenen Zeichnungen für die Messe aufgebaut. Die Bauhäusler, allen voran Bauhaus-Gründer Walter Gropius, hatten schon früh verstanden, sich als Marke zu etablieren. Ihre funktionalen Möbel und Gebrauchsgegenstände, die den Leuten das Leben einfacher machen sollten, wurden schon bald industriell in Serie gefertigt. "Sie hatten ein eigenes Zeichen, eine eigene Schrift und machten in Büchern und Schriften für sich Werbung", sagt Thomas Schriefers. "Sie hatten eine Idee, ein Konzept und ein Produkt und waren später international vernetzt. Das sind Strategien eines modernen Marketings."
Multifunktionale Möbel auf der imm im Trend
Funktional und praktisch sollten die Bauhaus-Möbel sein, etwa die klappbaren Stühle von Bauhausmeister Marcel Breuer, die Einbauküchen oder die einfachen Bauklötze für Kinder. Heute sind die Erwartungen an Möbel weitaus differenzierter. Sie sollen nicht nur funktional, sondern gleich multifunktional sein, am besten dabei noch digital steuerbar. "Auffällig ist der hohe Singleanteil in den Städten, der bei 44 Prozent liegt", sagt Ursula Geismann, Trendexpertin des Verbands der Deutschen Möbelindustrie. "Die Wohnungen werden immer kleiner und in den Mikro-Appartements braucht man praktische und multifunktionale Möbel, um Platz zu sparen." Möbel, die sich auf Rädern zur Seite schieben lassen, vom Tisch zum Hocker umfunktioniert werden können oder nach Gebrauch in einem Schrank verschwinden wie der tragbare Dunstabzug von Jungdesigner Maxime Augay aus Frankreich.
Auch die Kompaktküche von Peter Sorg, die nur aus einem Spülstein und einem unsichtbaren Kochfeld besteht, spart Platz und lässt sich leicht verschieben. Mit seinem Produkt gewann er in der Sektion "Living Kitchen" den ersten Preis des Wettbewerbs "Pure Talents Contest", den die Kölner Möbelmesse in diesem Jahr bereits zum 16. Mal ausgeschrieben hatte.
Glänzende Metalle sorgen für Wohnambiente
Ernst Kállai, Redakteur der Zeitschrift "Bauhaus", schrieb 1930: "Heute weiß jeder Bescheid, Wohnungen mit viel Glas und Metallglanz: Bauhausstil. Desgleichen mit Wohnhygiene ohne Atmosphäre: Bauhausstil. Stahlrohrgerippe: Bauhausstil. Gewürfelte Tapeten: Bauhausstil. Kein Bild an der Wand: Bauhausstil."
Stahlkonstruktionen für Regale, Tapeten mit Würfelmuster, Glastische und Metallglanz, all das liegt derzeit wieder im Trend und begegnet den Besuchern überall auf der imm cologne. Hinzu kommen Naturmaterialien wie Holz und Marmor, die auch in diesem Jahr auf der Möbelmesse wieder stark vertreten sind.
Die Möbel sind zwar funktional mit einfachen Formen, die Wohnräume aber dennoch atmosphärisch gestaltet. Retro-Deko und Pflanzen sorgen nicht nur auf der Messe, sondern auch in den Wohnungen für die typisch deutsche "Gemütlichkeit" und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten. "Die kleinen Wohnungen der jungen Leute sind wie Jugendzimmer strukturiert", so Trendexpertin Geismann. "Naturmaterialien wie Flokati-Teppiche, Tierfelle oder Treibholzstücke sind für das Wohnambiente wieder sehr beliebt." Vorbilder sind die sogenannten "Boutique-Hotels", die ihre Zimmer und Aufenthaltsräume mit Deko und Kissen wohnlich gestalten, damit man sich als Gast auch im Hotel zu Hause fühlt.
Das offene Wohnkonzept wird in Deutschland noch entdeckt
Kleine, aber auch große Wohnungen arbeiten immer stärker mit offenen Wohnräumen. Möbelhersteller wie "Hülsta" wagen sich an Bäder und Küchenhersteller wie "Sachsenküchen" an Wohnmöbel heran. Warum nicht die Badewanne ins Schlafzimmer stellen, wenn das Bad zu klein ist? Man kann das Bad auch gleich zum Schlafzimmer hin offen gestalten. Eine offene Küche ist schon lange Trend, aber jetzt sollen sich die Küchenmöbel unauffällig in den Wohnraum integrieren lassen. "Im Ausland sind solche offenen Wohnkonzepte längst etabliert", sagt Management-Direktor Elko Beeg von Sachsenküchen. "Wir sind hier in Deutschland noch etwas hinterher."
Wohnen in Deutschland ist Lifestyle. Eine Wohnung mitsamt ihrem Inventar zu verkaufen wäre in Deutschland - anders als in den USA - undenkbar, sagt Ursula Geismann. Individuelle Gestaltung sei den Deutschen besonders wichtig. Rund 79 Prozent der Bevölkerung legt nach einer Umfrage des Verbands der Deutschen Möbelindustrie Wert darauf, dass ihre Wohnung nach ihren Bedürfnissen eingerichtet ist. In Zukunft wird sich die Branche deshalb noch mehr mit dem "smart home" und mit Fragen des demografischen Wandels beschäftigen.
Das Wohnverhalten der Deutschen fasst Trendexpertin Ursula Geismann in zwei Sätzen zusammen: "Ich nenne das den digitalen Neandertaler, der auf der einen Seite alles auf dem Smartphone und dem Tablet erledigt, dabei aber gerne gemütlich auf dem Sofa sitzt. Das Seelenleben ist noch nicht in der digitalen Welt angekommen. Und ich denke, das wird auch so bleiben."