Imame für die Bundeswehr?
10. Februar 2019Rund 1500 muslimische Soldatinnen und Soldaten dienen in der Bundeswehr. Eine von ihnen ist Nariman Reinke. Sie wurde 1979 als Tochter marokkanischer Eltern in Deutschland geboren. Seit 2005 gehört sie zur Truppe, zweimal war sie im Einsatz in Afghanistan. Als Muslimin in der Bundeswehr sei es nicht immer leicht, erzählt sie der DW: "Ich führe mir immer vor Augen, dass ich bei meinen Einsätzen ums Leben kommen könnte. Damit ich als Muslimin meiner Religion entsprechend beerdigt werden kann und nicht wie meine christlichen Kollegen in Uniform in einen Sarg gelegt werde, habe ich selbst sämtliche Vorkehrungen getroffen. Damit mein Leichnam gewaschen und in ein Leichentuch gewickelt werden kann, hatte ich bei meinen Afghanistan-Einsätzen mein Leichentuch in meiner Tasche immer dabei" erzählt sie.
Für ihre katholischen und protestantischen Kameraden stellt die Bundeswehr Seelsorger zu Verfügung. Für muslimische Soldaten gibt es dieses Angebot noch nicht. Schon öfter, erzählt Nariman Reinke, die heute Leutnant zur See ist, habe sie diesen Notstand zur Sprache gebracht. Dass bislang niemand auf ihre Forderungen eingegangen ist, sei für sie und ihre muslimischen Kollegen frustrierend, erklärt sie.
Im Schutz des Grundgesetzes
Das deutsche Grundgesetz garantiert nicht nur den Schutz der Religionsfreiheit, es sieht auch vor, dass alle Religionen vor dem Gesetz gleich behandelt werden und dass jeder Mensch seine Religion ohne Hindernis ausüben kann. Nach den Christen sind Muslime die größte Religionsgemeinschaft in der Bundeswehr. In Anbetracht dieser Prinzipien des Grundgesetzes fordern die muslimischen Soldaten daher die Einstellung von Imamen als Bundeswehrseelsorger.
Reinke ist selbst stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Deutscher.Soldat e.V.", der Bundeswehrsoldaten mit und ohne Migrationshintergrund offen steht und sich für eine gelungene Integration in der Gesellschaft einsetzt. In dieser Funktion habe sie dieses Thema bereits bei Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen persönlich angesprochen. Allerdings, kritisiert Reinke, sei man in den vergangenen sieben Jahren keinen Schritt weitergekommen.
Verteidigungsministerium: Verhandlungen laufen
Auf Nachfrage der DW erklärte das Verteidigungsministerium, es befinde sich derzeit noch in Verhandlungen mit der Deutschen Islamkonferenz (DIK). Man spreche über die Notwendigkeit muslimischer Seelsorger bei der Bundeswehr und die Bedingungen der Beschäftigung. Die DIK hingegen erklärte, die Regierung verfolge dieses Anliegen nur mit angezogener Handbremse. Burhan Kesici ist Vorsitzender des Islamrates, eines der größten deutschen muslimischen Dachverbände, der auch an der Deutschen Islamkonferenz teilnimmt. Ihm zufolge habe sich die Bundesregierung bereits vor einiger Zeit an die DIK gewandt. Diese sollte Mitglieder für eine Beratungsgruppe benennen, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Doch danach habe die Regierung nichts mehr von sich hören lassen. "Es scheint, als wolle man bei diesem Thema keine Fortschritte machen. Das ist zumindest meine Beobachtung", schlussfolgert Kesici.
Kritik von der Opposition
Immer wieder betont die Regierung, dass sie die kulturelle Vielfalt der Bundeswehrsoldaten unterstützt und das Eintreten von Menschen mit Migrationshintergrund fördert. Dass die Bundesregierung bei der Beschäftigung muslimischer Seelsorger noch immer keine Fortschritte macht, stößt allerdings bei den Oppositionsparteien auf Kritik.
"Es ist an der Zeit, die Glaubensvielfalt zu akzeptieren und zu würdigen", sagt Tobias Lindner, der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag. "Es muss gewährleistet werden, dass die Soldaten religiöse Unterstützung bekommen, egal, welcher Religion sie angehören", so Lindner. "Was Frau von der Leyen seit sieben Jahren überprüfen lässt, ist für alle ein Rätsel", kritisiert er die Verteidigungsministerin.
Ungeklärte Details
Auch die SPD spricht sich offen dafür aus, muslimische Seelsorger einzustellen. Fritz Felgentreu, verteidigungspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten, erklärte jedoch, dass es zunächst noch Klärungsbedarf gebe - etwa bei der Frage, wer die Imame einstellt oder wer die Gehälter zahlt. "Die wichtigste Frage ist: Woher findet die Bundeswehr Imame, denen die Soldaten vertrauen und die sie akzeptieren?", so Felgentreu.
Er erinnert außerdem daran, dass es Staatsverträge mit der katholischen und protestantischen Kirche gibt, auf deren Grundlage christlichen Soldaten Seelsorger zu Verfügung gestellt werden. "Die Muslime in Deutschland sind jedoch ganz anders organisiert als die Kirchen. Das hat theologische und traditionelle Gründe. Anders als bei den Christen haben wir bei den Muslimen nicht einen einzelnen Ansprechpartner, sondern viele verschiedene Organisationen. Aus diesem Grund lässt sich das Modell, wie wir es bei den Christen haben, nicht eins zu eins auf die Muslime übertragen", erklärt Felgentreu.
Suche nach Imamen in Deutschland
Die meisten in Deutschland lebenden Muslime gehören der DITIB an, einer der größten sunnitisch-islamischen Organisationen in Deutschland. Noch bis vor einigen Jahren war für deutsche Behörden die DITIB einer der wichtigsten Ansprechpartner für muslimische Angelegenheiten. Doch seit einiger Zeit haben sich die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara verschlechtert. Außerdem verdichtete sich der Verdacht, die DITIB mische sich immer mehr in die Politik ein und werde zudem von der türkischen Regierung gesteuert. Das alles führte dazu, dass die Bundesregierung die Zusammenarbeit auf Eis legte. Bundeskanzlerin Angela Merkel plädierte ebenso wie Innenminister Horst Seehofer, dafür, Imame anders als bisher in Deutschland auszubilden, um auf diesem Weg unabhängiger zu werden.
Nariman Reinke ist allerdings der Ansicht, dass die Beschäftigung von Imamen in der Bundeswehr nicht noch weiter von derartigen Diskussionen aufgehalten werden sollte. Sie erinnert daran, dass in den vergangenen Jahren viele islamische Theologen an deutschen Universitäten ausgebildet wurden. "Natürlich verstehe ich, dass es Sicherheitsbedenken gibt und dass man nicht möchte, dass bestimmte politische Strömungen in die Bundeswehr gelangen. Aber diese Bedenken erklären nicht, weshalb man bis heute keinen Schritt weitergekommen ist. Mittlerweile gibt es Theologen, die an der Universität Osnabrück ausgebildet wurden und die keine Verbindungen zu einem anderen Land haben", sagt Reinke. "Die könnten ohne Bedenken entsprechend ausgebildet und eingestellt werden".