"Ich muss einfach nach Hause"
23. März 2016Beim Betreten des "Thalys Store & More" gegenüber des Kölner Hauptbahnhofs müssen Besucher, die ein Ticket für den europäischen Thalys-Schnellzug kaufen wollen, normalerweise zunächst eine Nummer ziehen. Wie beim Einwohnermeldeamt zeigt eine Digitalanzeige an, wer als nächstes dran kommt. An diesem Mittwochmorgen, gut 24 Stunden nach den Anschlägen von Brüssel, ist das jedoch nicht nötig. Die in edlem rubinrot und weiß gehaltene Schalterhalle des Thalys, der zahlreiche Metropolen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Frankreich verbindet, ist fast menschenleer. Fast alle Schalter sind frei.
"Die Situation in Brüssel ist nicht gut"
Eine der wenigen Kundinnen ist Juliet Coucart. Sie wollte ursprünglich mit dem Thalys über Brüssel nach Paris fahren. Doch nun hat sie ihre Fahrt storniert. "Die Situation in Brüssel ist nicht gut", sagt die junge Frau. "Ich will da nicht durch." Coucart lebt in Paris und erlebte die Terroranschläge im November letzten Jahres mit. "Es war schrecklich. Ich will so etwas nicht nochmal erleben." Statt mit dem Zug fährt sie nun mit der Mitfahrzentrale, auch wenn das viel länger dauern wird.
Wegen der Terrorattacken in Brüssel habe es einige Stornierungen und Umbuchungen gegeben, sagt ein Mitarbeiter des "Thalys Store & More", im Vergleich zu anderen Ereignissen jedoch relativ wenige. "Bei Streiks ist das mehr", sagt der Mann.
Nach den Anschlägen am Brüsseler Flughafen und in der Metrostation Maelbeek im Europaviertel der belgischen Hauptstadt hatte Thalys den Betrieb vorübergehend eingestellt. Doch mittlerweile fahren die meisten Züge wieder. Laut Internetseite des Unternehmens fallen an diesem Mittwoch lediglich vier Fahrten aus, ein Zug fährt nicht die komplette Strecke.
Es könne jedoch wegen Sicherheitsmaßnahmen in Brüssel und an den Grenzen zu Verspätungen kommen, sagt der Thalys-Mitarbeiter. Deshalb rate man Reisenden, mehr Zeit einzuplanen. Zudem sei am Brüsseler Bahnhof nur ein Eingang geöffnet. Das Unternehmen rät den Kunden zudem, wegen möglicher Sicherheitskontrollen den Personalausweis dabeizuhaben.
Züge fahren wieder
Der Thalys von Brüssel nach Köln ist an diesem Vormittag pünktlich. Um 11.15 Uhr rollt der dunkelrote Zug planmäßig unter die Kuppel des Kölner Hauptbahnhofs. Die Waggons sind gut gefüllt, zahlreiche Menschen steigen aus. In Brüssel und an allen Bahnhöfen unterwegs seien viele Polizisten zu sehen gewesen, sagt ein Reisender, der in Brüssel umsteigen musste. "Ansonsten war die Fahrt normal." Im Zug selbst seien ihm keine Sicherheitskräfte aufgefallen. Auch Grenzkontrollen habe es nicht gegeben, so der junge Mann.
Auch die Deutsche Bahn hatte am Dienstag alle Verbindungen nach Brüssel gestoppt. Ursprünglich wollte das Unternehmen den Zugverkehr nach Brüssel auch am Mittwoch aussetzen, entschied sich dann jedoch anders. Mittlerweile rollen die ICE's größtenteils wieder. "Ich freue mich, dass ich heute fahren kann und die Reise nicht verschieben musste", sagt eine Reisende, die auf einen ICE nach Brüssel wartet. Ihren Namen will sie nicht nennen. Ihr Ziel ist London und dazu muss sie in Brüssel in den Eurostar umsteigen, der den europäischen Kontinent mit Großbritannien verbindet. Ein ungutes Gefühl bei der Fahrt über Brüssel habe sie nicht. "Ich denke, es mach keinen Sinn sich große Sorgen zu machen. Es kann immer etwas passieren, wo auch immer man ist."
"Brüssel ist heute vermutlich der sicherste Ort in Europa"
Ähnlich sieht es auch Malcolm Duffey aus London. Angst habe er nicht, sagt der Mann aus Großbritannien. "Brüssel ist heute vermutlich der sicherste Ort in Europa." Abgesehen davon habe er keine Wahl. "Ich muss einfach nach Hause." Er rechne allerdings dass die Sicherheitskontrollen bei Umstieg in den Eurostar strenger seien. Deshalb fahre er etwas früher los.
Mit zehn Minuten Verspätung fährt der ICE nach Brüssel schließlich am Kölner Hauptbahnhof los. Augenscheinlich ist der Zug gut gefüllt. Auch wenn bei einigen möglicherweise eine gewisse Sorge mitfährt, der Terror hält sie vom Reisen nicht ab.