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Höhere Hürden für Übernahmen

Brigitte Scholtes Frankfurt am Main
12. Juli 2017

Nur wenige Tage nach dem G20-Gipfel, auf dem Deutschland vehement für den freien Handel kämpfte, errichtet die Bundesregierung höhere Hürden, um strategisch wichtige Unternehmen vor unliebsamen Übernahmen zu schützen. 

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Deutschland KUKA Robotics
Bild: picture alliance/dpa/O. Berg

Die Bundesregierung will künftig Übernahmen sicherheitsrelevanter deutscher Unternehmen stärker prüfen. Nach der Verordnung kann der Bund künftig Übernahmen aus dem Ausland untersagen, wenn dadurch wichtiges Knowhow ins Ausland verloren ginge. Das soll gelten, wenn die öffentliche Ordnung durch eine Übernahme gefährdet ist, etwa wenn es um sogenannte "kritische Infrastruktur" geht. Darunter fasst die Bundesregierung Betreiber von Krankenhäusern bis hin zu Stromnetzen oder Wasserversorgern, aber auch Software-Firmen, die Programme für solche Unternehmen entwickeln oder für Flughäfen, Bahnhöfe, Telekommunikationsnetze sowie deren Betreiber.

Auch geplante Übernahmen von Cloud-Dienstleistern, den Herstellern von Computerprogrammen für Finanz- und Versicherungsleistungen sowie für die Bargeldversorgung sollen in Zukunft streng geprüft werden. Rüstungsunternehmen wurden bisher schon als kritisch erachtet. Nun sollen auch solche Rüstungsfirmen, "die bekannte Schlüsseltechnologien im Bereich der Vereidigung entwickeln oder herstellen", zu diesem Bereich gezählt werden - also der Bereich der elektronischen Kriegsführung gesichert werden. Die Veto-Regelung gilt jedoch nur für Investoren, die nicht aus der Europäischen Union kommen. Die Regierung kann sich für die Überprüfung der Verkaufspläne künftig vier Monate Zeit nehmen, doppelt so lange wie bisher.

Kuka und Aixtron gaben den Anstoss

Damit reagiert die Bundesregierung etwa auf die Übernahme des Roboter- und Anlagenbauers Kuka durch den chinesischen Haushaltsgeräte-Hersteller Midea im letzten Jahr. Die hatte sie verhindern wollen, aber kein Mittel dazu gesehen,. Der Grund für die Sorge seinerzeit: Die Chinesen könnten wertvolles Knowhow in diesem Bereich aus Deutschland abziehen. Auch der Kauf des Chipherstellers Aixtron durch einen chinesischen Investor war schon vereinbart, wurde aber im Dezember abgesagt, nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten die Übernahme von dessen US-Geschäft wegen Sicherheitsbedenken blockiert hatte.

Keine Einbahnstraße

"Das ist eine Lex Kuka", sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums Außenwirtschaft des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Damit versuche die Bundesregierung gegenüber China eine Verhandlungsmacht aufzubauen und das Land so zu kooperativerem Verhalten zu bringen. "Man hofft mit solchen Regeln auf Abschreckung", glaubt der Ökonom, ähnlich wie das bei der Welthandelsorganisation WTO sei: Wer sich nicht an die Regeln halte, werde sanktioniert. Denn umgekehrt können auch deutsche Investoren in China nicht ungehindert Firmen übernehmen oder neu aufbauen, sagt Christian Rusche, Außenhandelsexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Es gebe 5000 deutsche Firmen in China. Allerdings dürfen die nicht in bestimmten Sektoren aktiv sein. Nur mit chinesischer Beteiligung, also als Gemeinschaftsunternehmen, ist das im Bereich der Personenbeförderung wie der Eisenbahn möglich - bekanntes Beispiel ist der "Transrapid" in Shanghai. Auch bei den deutschen Firmen nehme der Einfluss des chinesischen Staates zu, beobachtet Gabriel Felbermayr vom ifo-Institut. Deshalb wachse durch die neue Verordnung die Verhandlungsmacht Deutschlands gegenüber China.

Warnung vor Protektionismus

Übernahmen - China auf Einkaufstour

Für schwierig halten die Ökonomen jedoch die Frage der Abgrenzung der "kritischen Infrastruktur". Das Vetorecht sei zwar in diesem Bereich sinnvoll, meint Christian Rusche vom IW. "Man muss jedoch auf eine klare und gerichtsfeste Abgrenzung und Definition dieser Bereiche achten." Schwierig sei auch der verlängerte Prüfungszeitraum von vier Monaten: Das erschwere für beide Seiten die Planungssicherheit, meint ifo-Volkswirt Felbermayr. Ein weiterer Nebeneffekt: Direktinvestitionen aus dem außereuropäischen Ausland könnten nun schnell unter Generalverdacht gestellt werden, fürchtet er. Dabei seien solche Investitionen häufig willkommen, etwa, wenn so Unternehmen in Schieflage (und damit Arbeitsplätze) gerettet werden könnten - oder wenn ein Familienunternehmer seine Nachfolge regeln wolle. "Wenn sich aber dubiose Finanzinvestoren über einen Luxemburger Fonds in deutsche Unternehmen einkaufen  wollten, würden diese Regeln nicht greifen", kritisiert der Ökonom.

Auch die deutsche Wirtschaft fürchtet, die Neuregelung könnte sich als Investitionshindernis erweisen. "Wir fordern, dass Deutschland sich klar als ein für ausländische Investoren offenes Land präsentiert", hieß es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Wenn "kritische Infrastruktur" zu breit definiert werde, mache das den Investitionsstandort Deutschland weniger attraktiv. Deutschland mache sich unglaubwürdig, kritisierte der CDU-Wirtschaftsrat. Erst am Wochenende habe man auf dem G20-Gipfel für Freihandel geworben, jetzt baue man Schranken auf. "Es gibt die Gefahr protektionistischer Tendenzen", bestätigt auch Ökonom Felbermayr. Deshalb sei eine präzise., klare Sprache wichtig - auch für die deutschen Unternehmen.