Höfliche Attacken bei TV-Duell in Istanbul
17. Juni 2019Die Kandidaten für die Bürgermeisterwahl in Istanbul am kommenden Sonntag haben sich ein dreistündiges kontroverses TV-Duell geliefert. Der Bewerber der islamisch-konservativen Partei AKP, Binali Yildirim, bezichtigte seinen Gegner Ekrem Imamoglu von der Mitte-Links-Partei CHP wiederholt der Lüge.
Imamoglu wiederum sprach seinem Konkurrenten das Recht ab, Versprechungen zu machen - weil dessen Partei die Stadt seit Jahrzehnten regiere. Er warf der AKP vor, in ihrer Zeit im Rathaus Steuergelder verschwendet zu haben. Angesichts der aufgeheizten, polarisierten Stimmung in der Türkei verlief die Debatte aber überraschend sachlich und höflich.
Gewinner muss gehen
Imamoglu hatte die Bürgermeisterwahl Ende März knapp gewonnen und zwei Wochen später sein Amt angetreten. Dies war auch eine Niederlage für den Präsidenten und AKP-Vorsitzenden Recep Tayyip Erdogan, der früher selbst Bürgermeister in der Millionenmetropole war.
Die AKP prangerte daraufhin Unregelmäßigkeiten an. Unter dem Druck der Regierungspartei annullierte die Wahlkommission Anfang Mai die Abstimmung und ordnete eine Wiederholung an. Am 23. Juni wird erneut gewählt.
Yildirim, der in Umfragen hinter dem Kandidaten der größten Oppositionspartei liegt, erneuerte in dem TV-Duell den Vorwurf, die Wahl sei "gestohlen" worden. Wen er konkret bezichtigt, sagte er nicht. Imamoglu bezeichnete im Gegenzug die Annullierung der Wahl als Rechtsbruch.
Wer kannte die Fragen?
Es war das erste TV-Duell seit 2002, als die AKP in der Türkei an die Macht kam. Bis in die 1990er Jahre waren Streitgespräche zwischen Kandidaten im Fernsehen noch üblich. Zuletzt zogen es AKP-Politiker allerdings vor, sich den Wählern in TV-Interviews zu präsentieren. Die Debatte wurde daher mit Spannung erwartet.
In zahlreichen Cafés in Istanbul fanden sich Zuschauer vor dem Fernseher zusammen. Keiner der großen Sender hatte es sich entgehen lassen, dass Duell live zu übertragen. Für das Publikum waren nicht nur die Inhalte des Abends wichtig - sondern auch die Bedingungen des Streitgesprächs. Alle Beteiligten bestritten, dass der Moderator seine Fragen vorher mit den Kandidaten abgesprochen habe.
jj/wa (dpa, afp)