Banken müssen gerettet werden
9. Oktober 2011Seit Wochen warnen der Internationale Währungsfonds und zahlreiche Experten vor einem Schreckgespenst, dass die Politik in Europa nicht so richtig sehen wollte und jetzt nicht mehr ignorieren kann: die neue Bankenkrise. Die Lage der Banken in Europa ist schlimmer als sie es nach der Lehmann-Krise 2008 war. Erst nach und nach geben Bundeskanzlerin Merkel und andere Spitzenpolitiker zu, dass die Banken in Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich und vielleicht auch Deutschland frisches Geld vom Staat brauchen werden, viel Geld, und zwar schnell.
Die Banken sitzen auf faulen Staatsanleihen, deren Rückzahlung unsicherer wird. Schon allein die bloße Vermutung, dass durch einen Schuldenschnitt in Griechenland herbe Verluste für einzelne Banken drohen, führt zu einer rasanten Verschärfung der Krise. Das erste Opfer war die belgisch-französische Dexia-Bank, die jetzt wahrscheinlich mit viel Steuergeld zum zweiten Mal gerettet und in ihre Einzelteile zerlegt wird. Die Banken leihen sich untereinander kein Geld mehr, weil sie einander misstrauen. Die Europäische Zentralbank und andere Notenbanken springen ein, geben den Banken Geld, damit das System überhaupt weiter funktioniert. Dieses Spiel wird nur noch ein paar Wochen, vielleicht nur wenige Tage gut gehen, warnen Experten.
Wo sind die Konzepte?
Der Chef der Weltbank, Robert Zoellick, hat leider Recht, wenn er sagt, die Europäer hätten kein Konzept, sondern kauften sich nur Zeit mit fantasievollen Rettungsschirmen. Zoellick hat aber nicht gesagt, dass es auch in den USA kein schlüssiges Konzept gibt. Dort druckt die Federal Reserve, die Notenbank, einfach Geld. Folgen ungewiss.
Dass Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy nach ihrem Treffen in Berlin ankündigten, dass sie erst Ende Oktober eine Lösung für die drängende Banken-Krise präsentieren wollen, ist ein riskantes Spiel. Merkel will Griechenland entschulden und braucht dazu die Zustimmung Frankreichs. Sarkozy will nur mitmachen, wenn Geld für die Rettung französischer Banken aus dem Rettungsfonds EFSF entnommen werden kann. Dagegen hatte sich Deutschland gesperrt, schließlich sollten deutsche Steuerzahler nicht die Fehlentscheidungen französischer Bank-Manager ausbügeln. Doch für diese prinzipiellen Überlegungen ist jetzt keine Zeit mehr, es muss gehandelt werden. Die These Merkels, die Banken sollten sich zunächst selbst Kapital am Markt besorgen, ist abenteuerlich und nicht mehr haltbar. Denn, wenn die Banken dies könnten, wären sie ja nicht in der Klemme.
Banken-Rettung wird viel Steuergeld kosten
Bundeskanzlerin Merkel hat als Vertreterin der größten Volkswirtschaft in Europa jetzt die Chance, einen mutigen Schritt nach vorne zu machen und die Stabilisierung des Bankensystems und damit der gesamten Wirtschaft voranzutreiben. Gleichzeitig muss sie ihren Wählern und Steuerzahlern aber sagen, dass dieser Schritt nicht billig ist und wahrscheinlich zu neuen Staatsschulden in Deutschland führen wird. Die Ratingagenturen haben Italien und Spanien abgewertet, weil sie ahnen, dass die Bankenrettung die Kreditwürdigkeit dieser Länder weiter schwächen wird. Für Belgien ist eine Abwertung absehbar. Frankreich könnte sie ebenfalls blühen. Je nachdem, wie groß die Belastungen aus Schuldenschnitt für Griechenland und Bankenrettung werden, ist auch das Dreifach-A-Land Deutschland vor einer Herabstufung seiner Bonität nicht gefeit.
Schon jetzt ist klar, dass einer der größten Besitzer von Staatsanleihen in Europa, die Europäische Zentralbank, frisches Kapital braucht, wenn es zu einem Schuldenschnitt in Griechenland kommt. Die EZB müsste Abschreibungen vornehmen, die Verluste müssen die 27 Anteilseigner der EZB, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, decken. Deutschland wäre mit 19 Prozent der mutmaßlichen Milliardensumme in der Pflicht. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Griechenland Kredite gewährt hat, muss ebenfalls Verluste verkraften.
Handeln ist gefragt
Man kann die Hilflosigkeit der Politik und die Macht der Finanzmärkte beklagen, aber im Moment ist dafür keine Zeit. Die Realität diktiert, was zu tun ist. Erst muss der Zusammenbruch verhindert werden, dann ist es Zeit für ernsthafte Reformen des Bankensektors. Diese Chance wurde nach der Lehmann-Pleite verpasst. Diesmal muss sie genutzt werden. Der Sektor der Investment-Banken ist in Europa und weltweit viel zu groß. Eine geordnete Abwicklung und Rückführung auf eine gesunde Größe wird in den nächsten Jahren unvermeidlich sein. Aber zunächst muss jetzt die aktuelle Krise gemeistert werden. Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU am kommenden Wochenende ist dafür wahrscheinlich die letzte Chance.
Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Hans Sproß