Hängepartie in NRW geht weiter
12. Juni 2010Der Vorstand der nordrhein-westfälischen SPD erteilte nicht nur einer großen Koalition eine Absage, sondern sprach sich auch gegen eine rot-grüne Minderheitsregierung aus. Das teilte SPD-Landeschefin Hannelore Kraft am Freitag (11.06.2010) nach einer Sitzung des Gremiums in Düsseldorf mit. Damit ist gut einen Monat nach der Landtagswahl noch immer unklar, wie das bevölkerungsreichste Bundesland künftig regiert wird.
Kein Politikwechsel möglich
Kraft sagte, bei den Sondierungsgesprächen mit der CDU habe ihre Partei feststellen müssen, dass eine Regierungsbildung und ein Politikwechsel mit der CDU "nicht möglich war". "Das Reden ist beendet, jetzt gilt das Handeln", unterstrich Kraft. "Wir werden jetzt den Politikwechsel aus dem Parlament heraus betreiben." Dazu werde die SPD entsprechende Gesetzentwürfe einbringen. So könnte ihre Partei mit der CDU Landeshilfen für Opel beschließen. Eine weitere Idee Krafts: Mit einer linken Mehrheit im Parlament die Studiengebühren abschaffen.
Die SPD will zur Empfehlung ihres Landesvorstandes nun die Parteibasis befragen. Am Wochenende sind dazu landesweit vier Regionalversammlungen geplant, am Montag tagt dann der Landesparteirat in Dortmund.
Nicht genug Gemeinsamkeiten für Ampelkoalition
Die Sondierungsgespräche über ein Bündnis von SPD, Grünen und FDP waren in der Nacht zum Freitag gescheitert. FDP-Landeschef Andreas Pinkwart sagte nach den zehnstündigen Beratungen in Düsseldorf, die drei Parteien hätten in zentralen landespolitischen Fragen "keine hinreichenden Gemeinsamkeiten" gefunden. Als zentralen Knackpunkt nannte er die Schulpolitik. Dagegen hielten die Grünen der FDP vor, sie habe keine einheitliche Linie erkennen lassen.
Parallel zum Scheitern der Ampel-Pläne hatte der CDU-Landeschef und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in der "Bild"-Zeitung seine Bereitschaft erneuert, mit der SPD zu verhandeln. Kraft nannte dies einen "Affront" und betonte, es entspreche nicht einem Wechsel der politischen Kultur, Gesprächsangebote über die Medien zu machen. Gleichwohl kamen führende Vertreter der SPD am Mittag noch einmal in Düsseldorf mit der CDU-Spitze unter Rüttgers zusammen. Eine Wende sei dabei aber nicht erreicht worden, berichtete Kraft.
Grüne empfehlen Minderheitsregierung
Die Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Renate Künast, plädierte derweil für eine rot-grüne Minderheitsregierung. "Jetzt kann der Weg nur über eine Minderheitsregierung führen, die sich darauf beschränkt, die ersten notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise die Stärkung der kommunalen Finanzen und die Abschaffung der Studiengebühren", sagte Künast der "Rheinischen Post". Rüttgers sei abgewählt und dürfe "nicht länger als Vertreter Nordrhein-Westfalens im Bundesrat agieren".
Linken-Chef Klaus Ernst forderte nach dem Scheitern der Ampelgespräche die SPD zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Es müsse alles versucht werden, um den schwarz-gelben Sozialabbau über den Bundesrat zu stoppen, erklärte Ernst in Berlin.
Gesprächsmarathon bisher erfolglos
Die schwarz-gelbe Koalition hatte bei der Wahl am 9. Mai ihre Mehrheit verloren. SPD und CDU verfügen über je 67 der 181 Sitze im Landtag. Die CDU hat aber einige Tausend Stimmen mehr auf sich vereinigen können. Daraus leitete sie ihren Anspruch ab, im Falle einer Koalition mit der SPD erneut den Regierungschef zu stellen.
Kraft hatte in den vergangenen Wochen vergeblich versucht, eine tragfähige Regierung auszuloten. Gespräche mit der CDU über eine große Koalition blieben ohne Durchbruch, Sondierungen von Rot-Grün mit der Linkspartei scheiterten bereits beim ersten Treffen. Am Mittwoch war der neue Landtag erstmals zusammengetreten. Bis zur Bildung einer neuen Regierung bleibt Rüttgers amtierender Ministerpräsident.
Autor: Reinhard Kleber (afp, rtr, dpa, apn)
Redaktion: Michael Wehling