Huawei und der Kalte Krieg in Lateinamerika
30. Juli 2020Der Diplomat gab sich ganz und gar undiplomatisch. "Wenn Huwai in Brasilien die Lizenz für die Einführung der 5G-Technologie bekommt, dann wird dies Folgen haben", erklärte Todd Chapman, US-Botschafter in Brasilien, am Mittwoch in einem Interview mit der brasilianischen Zeitung "O Globo".
Einen Tag zuvor hatte der chinesische Botschafter in Brasilien, Yang Wanming, angekündigt, der Technologiekonzern Huawei werde gemeinsam mit dem brasilianischen Mobilfunktanbieter "Telefónica Vivo de Brasil" ein Labor für die 5G-Technologie in der Hauptstadt Brasília eröffnen.
In der Zwickmühle
Der Streit um die 5G-Technologie in Brasilien offenbart den wachsenden geostrategischen und politischen Disput zwischen China und den USA im größten Land Lateinamerikas. Das Land befindet sich in einer Zwickmühle. Zwar verfolgt Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro politisch die gleiche Agenda wie US-Präsident Donald Trump. Doch wirtschaftlich ist das Land mittlerweile mehr von China als von den USA abhängig.
Seit 2009 hat China die USA als größten Handelspartner Brasiliens abgelöst. China investiert massiv in den Ausbau der Infrastruktur nicht nur in Brasilien, sondern in ganz Lateinamerika. 2019 exportierte Brasilien Waren im Wert von 62 Milliarden US-Dollar nach China. Die drei wichtigsten Exportgüter sind Soja, Rohöl und Eisenerz.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres legten die Ausfuhren erneut um 30 Prozent zu. "Statistisch kommen auf jeden US-Dollar, der in die USA exportiert wird, sieben US-Dollar, die nach China gehen", heißt es in einer Mitteilung des brasilianischen Agrarministeriums vom 24. Juli.
Investionen aus Peking
Brasilien ist mit seiner wachsenden wirtschaftlichen Abhängigkeit von China nicht allein. "Viele Regierungen in Lateinamerika sind sich darüber klar, dass die Bewältigung der Corona-Pandemie und der daraus folgenden Wirtschaftskrise über Peking führt", sagt Oliver Stuenkel, China Spezialist in Lateinamerika und Professor für internationale Beziehungen an der Universität "Fundação Getúlio Vargas" in Sao Paulo.
Doch Stuenkel befürchtet auch, dass die wachsenden Spannungen zwischen den USA und China negative Konsequenzen für die Region haben könnten. "Es gibt keine Koordination zwischen den Ländern des Mercosur", erklärte er gegenüber der argentinischen Wochenzeitung "Perfil".
Traditionell hätten sich bisher Argentinien und Brasilien immer abgesprochen, um Krisen innerhalb des gemeinsamen südamerikanischen Marktes zu bewältigen. Doch dies sei zurzeit nicht mehr der Fall.
Mercosur bröckelt
Die Krise der Mercosur-Staaten sei nicht nur ein Einfallstor für den geostrategischen Machtkampf zwischen China und den USA in der Region. "Es kann auch zu einer technologischen Spaltung kommen", warnt Stuenkel und spielt damit auf die Errichtung unterschiedlicher Mobilfunknetze mit der neuen 5G-Technologie an, die untereinander nicht kompatibel sein könnten.
Trotz aller verbaler Gefechte zwischen dem chinesischen Botschafter in Brasilien, Yang Wanming, und Präsidentensohn Eduardo Bolsonaro, der noch im März China für den Ausbruch der Pandemie verantwortlich gemacht hatte, stehen Chinas Chancen, an der weltweit größten Ausschreibung für 5G-Technik in Brasilien teilzunehmen, nicht schlecht.
Denn die brasilianische Regierung kündigte bereits im April dieses Jahres an, bei der Ausschreibung der Lizenzen keine Restriktionen gegen Huawei zu erlassen. Schon jetzt stammt bereits die Hälfte der Hardware im brasilianischen Mobilfunknetz von dem chinesischen Konzern. Der brasilianische Mobilfunkanbieter, der bei Ausschreibung den Zuschlag erhält, könnte dann bei der Erstellung der Infrastruktur die Technologie von Huawei einsetzen.
"Geopolitische Überlebensfrage"
Der argentinische Journalist Leandro Dario von der Wochenzeitung "Perfil" geht davon aus, dass Argentiniens Präsident Alberto Fernández sich bei der 5G-Technologie für den günstigeren Anbieter, sprich Huawei, entscheiden wird. Erste Gespräche zwischen Vertretern des Außenministeriums und Huaweis Argentinien-Chef Steven Chen fanden bereits Anfang Juli in Buenos Aires statt.
"Es handelt sich um eine geopolitische Überlebensfrage", scheibt Dario. "Wenn Argentinien und Brasilien sich nicht verstehen und miteinander kooperieren, dann kann der Streit zwischen Adler und Drache für beide schädlich ausgehen. Noch nicht einmal zu Zeiten des Kalten Krieges war die Vorherrschaft des Adlers in Lateinamerika so bedroht."