Hotspot Nürnberg im Advent 2020
12. Dezember 2020Der Hauptmarkt in der Nürnberger Altstadt macht einen traurigen Eindruck. Wo sonst in der Adventszeit Bude an Bude steht, tausende Lichter leuchten und Menschen dicht an dicht Glühwein trinken oder gebrannte Mandeln essen, sieht man jetzt nur ein paar mickrige Weihnachtsbäumchen und vor allem: kaum Menschen.
Der hier sonst stattfindende Weihnachtsmarkt, der Nürnberger Christkindlesmarkt, ist einer der ältesten weltweit. Wie so viele andere wurde auch er wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt.
Maskenpflicht wird streng kontrolliert
Doch nicht nur das. Schon Anfang Dezember wurde für die Traditionsstadt in Bayern eine Ausgangssperre verhängt. Raus darf nur, wer einen guten Grund hat und zum Beispiel zur Arbeit, zum Arzt oder Lebensmittel einkaufen muss. Der Grund: Nürnberg hat sich zu einem Corona-Hotspot, die Sieben-Tage-Inzidenz lag dort zuletzt bei fast 300. Das heißt, innerhalb von einer Woche haben sich dort fast 300 Menschen pro 100.000 Einwohner neu mit dem Virus angesteckt. Die bayerische Landesregierung griff deshalb zu sehr harten Maßnahmen.
Einzig der Verkauf von Lebensmitteln auf dem Marktplatz ist erlaubt. Das schöne, bunte Obst und Gemüse am Stand von Daimi Dogan macht eigentlich gute Laune. Doch der Händler sieht besorgt aus. "Für uns läuft es ganz schlecht, kein Weihnachtsgeschäft, keine Touristen." Er zeigt auf den Platz: "Sie sehen ja, auf dem Markt ist absolute Ruhe."
Auch Dogan trägt eine Maske. Sie ist Pflicht fast in der gesamten Innenstadt. Die Polizei kontrolliert das - ebenso wie das Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Am anderen Ende des Platzes reiten zwei Polizisten Streife. Doch sie geben sich sehr viel Mühe, nicht zu streng zu wirken. Wer will, darf auch mal die Pferde streicheln.
Die Stadt Nürnberg hat die Polizeipräsenz erhöht - auch um die Corona-Auflagen durchzusetzen. "Es gibt Leute, die vorsätzlich gegen die Bestimmungen verstoßen", erzählt Michael Konrad von der Nürnberger Polizei. "Es kommt hier auch zu Widerstandshandlungen gegen Streifenbeamten, die die Maskenpflicht durchsetzen wollen." Doch das seien glücklicherweise Ausnahmefälle.
"Voll vertretbarer Zustand"
Eine spontane Straßenumfrage bestätigt die Einschätzung des Polizisten. "Wir sind der Meinung, dass der Zustand voll vertretbar ist", antwortet ein Pärchen. Es gebe keine Alternative. Auch eine weitere Verschärfung fänden beide okay, wie sie sagen. Eigentlich sei es an der Zeit, "nochmal zu verschärfen wie beim Lockdown im Frühjahr", meint eine andere Frau. "Ich finde das total in Ordnung", sagt eine Passantin, "weil so viele drunter leiden. Die das alle so locker sehen, sollten mal schauen, wie es in den Krankenhäusern aussieht."
In Nürnberg wurden vor einigen Tagen erstmals COVID-19-Patienten in umliegende Krankenhäuser der Region transportiert. In den Krankenhäusern der Stadt reichte der Platz nicht mehr für neue Patienten, die intensivmedizinische Betreuung brauchen. Derzeit müssen rund 180 Patienten versorgt werden - das ist die Kapazitätsgrenze.
Digitales Nürnberger Christkind
Dort, wo Dogan seinen Stand hat, wäre normalerweise noch eine spezielle Adventsattraktion zu bestaunen: das Nürnberger Christkind. In einem engelsgleichen Kostüm mit goldenen Flügeln und blonder Lockenperücke würde es mehrmals die Woche auf dem Markt unterwegs sein, mit den Kindern Karussell fahren und ein offenes Ohr für Wünsche, Sorgen und Nöte haben - eine spezielle Nürnberger Tradition.
In diesem Jahr findet das alles ebensowenig statt wie die sonst üblichen rund 100 Auftritte in Pflegeheimen, Kindertagesstätten oder Krankenhäusern.
Doch die Nürnberger haben sich etwas einfallen lassen. Ihr Christkind grüßt täglich aus dem Internet in einem digitalen Adventskalender, zweimal die Woche ist es auch telefonisch erreichbar. Immerhin.
In diesem Jahr ist eben alles anders im Advent 2020 in Nürnberg.