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Hooligans hinter dem Bahndamm

Kersten Knipp25. Oktober 2015

In Köln hat die rechtsradikale Aktionsgruppe "Hooligans gegen Salafisten", kurz "Hogesa", demonstriert. Gegen ihren Aufmarsch gingen Tausende auf die Straße. Doch die Demo der Rechten blieb klein. Aus Köln Kersten Knipp.

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HOGESA Köln Demonstration Deutschland
Bild: Reuters/W.Rattay

Der Barmer Platz in Köln verfügt über Fähigkeiten, die man sonst nur aus Märchen kennt: Er kann ein Ereignis in ein Nicht-Ereignis verwandeln, es wie von Zauberhand im Nichts verschwinden lassen. In der zeitgenössischen Variante dieser Zauberkraft hat er die Kraft, eine Demonstration im Nichts enden, ins Leere laufen zu lassen. Genau das hatte er am Sonntagnachmittag mit der Hogesa-Demonstration getan.

Isolierter Kundgebungsplatz

Jedenfalls fast. Dass die Demonstration der Hooligans und Neonazis am Ende doch zu einem Ereignis wurde, lag definitiv nicht an dem Platz. Es lag an dem Rummel, der in der Öffentlichkeit um diese Demonstration entstanden war. Denn hatte man die dichten Polizeiabsperrungen einmal passiert, den Tunnel am äußersten Rand der Hohenzollernbrücke, Kölns zentraler Eisenbahnbrücke, einmal durchquert - dann war man fast allein. Allein mit einigen hundert Hooligans, vielen Polizisten und einigen Pressekollegen. Und vor allem war man an einem vergleichsweise ruhigen Ort. Denn der Eisenbahnwall, über den sämtliche Züge in den Kölner Hauptbahnhof auf der anderen Rheinseite einfahren, bildete zusammen mit dem Polizeikordon eine unüberwindliche Barriere zwischen den beiden Kundgebungen.

HOGESA Gegendemonstration Köln Polizei Demonstranten
Der Bahnhof Deutz wurde abgeriegelt, um Krawalle zwischen Linken und Rechten zu vermeidenBild: Reuters/W.Rattay

So waren beide Gruppen von Anfang an perfekt voneinander getrennt. Und weil es auch für die Journalisten nicht ganz einfach war, den Platz zu erreichen, drängte sich eine Frage geradezu auf: Was, wenn die Medien dieses Mal nicht berichtet und die Kölner es unterlassen hätten, gegen die Rechtsradikalen zu demonstrieren? Auf dem Barmer Platz lag die Antwort auf der Hand: Die Hogesa-Demonstration wäre im Nichts verschwunden. Es wäre so, als hätte es sie gar nicht gegeben. Köln, hätte man sagen können, wäre im Grunde Hogesa-frei.

"Möglichst nicht alkoholisiert und nicht vorbestraft"

Die wenigen Hogesa-Demonstranten reichten jedenfalls nicht einmal im Ansatz, um den weitflächigen Platz zu füllen. Verstreute Grüppchen hier und dort, einige weitere stoßen hinzu, am Ende sind es gerade einmal tausend Menschen. Sie müssen sich gedulden, denn erst müssen sich noch 50 Freiwillige als Ordner melden. "Im Idealfall nicht alkoholisiert und nicht vorbestraft", ruft einer der Organisatoren scherzend in die Menge. Aber das ist offenbar nicht so einfach. 50 Freiwillige sind nach einiger Zeit zwar gefunden, aber die Polizei, bei der sie sich melden müssen, akzeptiert nicht alle. Zehn der freiwilligen Helfer sortiert sie wieder aus.

HOGESA Köln Demonstration Deutschland
Auch Anhänger der "Kögida", einem Kölner Ableger von "Pegida", waren dabeiBild: Reuters/W.Rattay

So dauert es noch einmal, bis es kurz vor 16 Uhr endlich los geht. "Uh, uh, uh", rufen die Demonstranten immer wieder, eine Parole aus dem Film "300", der sich dem Kampf der alten Griechen gegen die Perser widmet. Jenseits der Hollywood-Inspirationen teils Bekanntes: "Wir wollen keine Salafistenschweine", die Losung, die die Teilnehmer schon im letzten Jahr gegrölt hatten. Von "stolzen Patrioten" ist auf der Bühne die Rede, der Rücktritt Merkels wird gefordert, vor dem "in Teilen verfassungsfeindlichen" Koran gewarnt.

"Wir sind nicht gegen Ausländer und auch nicht gegen Kriegsflüchtlinge", behauptet Edwin Wagensfeld, ein in Deutschland lebender Niederländer. Zustimmung aus der Menge. Es fällt schwer, das zu glauben. Irgendwann nach ihm tritt eine blonde Dame auf die Bühne. Sie traue sich in ihrem Viertel bei Dunkelheit nicht mehr auf die Straße, behauptet sie, denn Frauen und Mädchen würden "von Negern vergewaltigt". Überhaupt machten ihr die "kriminellen Ausländer" Angst. Auch hier Zustimmung aus der Menge.

Entspannte Stimmung auf der Gegen-Demo

Auf der anderen Seite gaben sich die Demonstranten entspannter. Jedenfalls die überwiegende Mehrheit, die sich an der großen Bühne in einigen hundert Metern Entfernung zum Polizeikordon eingefunden hatte. Sie unterschied sich deutlich von den teils vermummten Gestalten des "schwarzen Block", die es auf Randale mit der Polizei angelegt hatten. Eine über Stunden angespannte Stimmung, die zuvor bereits in Gewalt umgeschlagen war. Rund 150 Antifa-Demonstranten hätten Polizisten angegriffen, auch ein Polizeiwagen sei mit Steinen beworfen worden, berichtet Polizeisprecher Martin Held im Gespräch mit der DW.

Doch von all dem ist im Umfeld der Bühne wenig zu spüren. Am späten Nachmittag tritt der Kölner Liedermacher Ludwig Sebus auf die Bühne. Sebus ist Jahrgang 1925. Damals, am Ende des Zweiten Weltkriegs, hätte es mit der Integration gut geklappt, erzählt er dem Publikum. Auch die Flüchtlinge aus Osteuropa hätten mit angepackt. So wäre Köln zur Heimat für alle geworden. Riesiger Applaus vom Publikum.

HOGESA Gegendemonstration Köln
Die Polizei rechnete mit bis zu 23.000 TeilnehmernBild: picture-alliance/dpa/M. Becker

Eine deutsche Veranstaltung

Am Barmer Platz ist kaum noch etwas zu hören. Die dortigen Demonstranten machen sich auf den Weg nach Hause. "Hogesa 2.0" fiel mehr als bescheiden aus. Wie, fragt man sich, wäre es gewesen, wenn man die Veranstaltung, statt gegen sie zu demonstrieren und über sie zu berichten, einfach ignoriert hätte? Kaum jemand hätte sie bemerkt, der Barmer Platz hätte sie ins Leere laufen lassen.

Von Salafisten, gegen die die Hooligans ja protestierten, war an diesem Nachmittag nichts zu sehen. Von Flüchtlingen im Übrigen auch nicht. Die Auseinandersetzung für und gegen die multikulturelle Republik war eine sehr deutsche Veranstaltung.