Hongkongs Polizei lässt weiter Tränen fließen
28. Juli 2019Auf den Straßen Hongkongs ist es erneut zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Regierungsgegnern gekommen. Bereitschaftspolizisten feuerten Tränengas und Gummigeschosse auf Demonstranten, die nach einem nicht genehmigten Protestmarsch an mehreren Stellen in der Stadt Barrikaden errichtet hatten. Es war der zweite Tag in Folge mit gewaltsamen Auseinandersetzungen. An den Protesten im Zentrum der chinesischen Sonderverwaltungszone nahmen wieder Tausende Menschen teil.
"Hongkong, gib Gas!"
Gewaltsame Auseinandersetzungen lieferten sich Demonstranten und Sicherheitskräfte unter anderem in der Nähe des Verbindungsbüros der chinesischen Führung. Dort feuerten Polizisten nach Warnungen Tränengas ab. Das Gebäude war bereits in der Vorwoche zum Ziel wütender Demonstranten geworden, die es mit Eiern und schwarzer Farbe bewarfen. Andere Demonstranten errichteten Absperrungen und besetzten Straßen in Causeway Bay, einer Einkaufsgegend im Herzen Hongkongs. Auf ihrem Weg durch die Stadt riefen Tausende: "Hongkong, gib Gas!"
Bei einer ebenfalls verbotenen Demonstration hatte es am Samstag heftige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei gegeben. Im Hongkonger Vorort Yuen Long setzte die Polizei zunächst Tränengas und später auch Gummigeschosse ein. Nach Krankenhausangaben wurden 24 Menschen verletzt. Zwei von ihnen liegen noch mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. 13 Menschen waren nach Polizeiangaben festgenommen worden, darunter auch der junge Aktivist Max Chung, der die Demonstration angemeldet hatte. Ihm wird Anstiftung zu einer illegalen Versammlung vorgeworfen.
"Der Ruf nach Demokratie wird nie aufhören"
Die Kundgebung am Samstag richtete sich gegen Mitglieder der chinesischen Mafia, die sogenannten Triaden. Am vergangenen Wochenende hatten mutmaßliche Triaden in Yuen Long regierungskritische Demonstranten mit Eisenstangen und Stöcken attackiert. Dabei wurden mindestens 45 Menschen verletzt.
Die Protestbewegung kritisierte das Vorgehen der Polizei. Der bekannte Hongkonger Aktivist Joshua Wong sagte in einem Interview der DW, die Behörden handelten nur noch im Interesse der chinesischen Führung, nicht im Interesse der Menschen in Hongkong. "Die Polizei wird weiterhin Pfefferspray und Gummigeschosse verwenden und auf Aktivisten schießen." Deshalb spiele es für die Protestbewegung keine Rolle mehr, ob Kundgebungen von der Polizei genehmigt würden oder nicht, so Wong. Die Proteste gingen auf jeden Fall weiter. "Der Ruf nach Demokratie wird nie aufhören."
Die bisher überwiegend friedlichen Massenproteste gegen Hongkongs pro-chinesische Regierung dauern bereits seit sieben Wochen an. Der Unmut der Bevölkerung hatte sich an einem inzwischen auf Eis gelegten Auslieferungsgesetz entzündet, das erstmals Überstellungen an Festland-China ermöglicht hätte. Regierungschefin Carrie Lam hat das Gesetz zwar für "tot" erklärt. Die Forderung der Demonstranten nach einer vollständigen Streichung des Vorhabens aus der parlamentarischen Agenda lehnt sie aber ab.
Regierungschefin Lam kaum noch zu sehen
Inzwischen haben sich die Proteste ausgeweitet: Die Demonstranten fordern demokratische Reformen, ein allgemeines Stimmrecht und den Rücktritt der pekingtreuen Lam. Die Zentralregierung in Peking hatte die Proteste in den vergangenen Wochen in zunehmend scharfem Ton verurteilt. Lam hat bislang kein Einlenken gezeigt. In der Öffentlichkeit war die Regierungschefin in den vergangenen Wochen kaum noch zu sehen.
sti/jj (afp, dpa)