Hongkonger sollen Chinas Hymne respektieren
16. März 2018Ende 2017 hatte Chinas Nationaler Volkskongress das "Chinesische Gesetz über die Nationalhymne" dem Anhang 3 des Hongkonger Grundgesetzes hinzugefügt. Am Freitag leitete die Hongkonger Regierung das Gesetzgebungsverfahren ein, um das besagte Gesetz in das lokale Hongkonger Recht zu überführen.
Nach dem Entwurf soll der Chef der Sonderverwaltungszone das Recht haben zu entscheiden, bei welchen Anlässen die chinesische Nationalhymne zu Gehör zu bringen ist. Das dürfte bei seinen Beamten kein Problem sein, jedoch ist das eine winzige Minderheit. Die Mehrheit der Hongkonger spricht Kantonesisch und hat eventuell Probleme beim Text in Mandarin.
Trotzdem meint die Hongkonger Regierung, es sei sehr "unwahrscheinlich", dass ein Bürger Hongkongs "unabsichtlich" gegen das Gebot des Respekts vor der Nationalhymne verstoßen werde. Die entscheidende Passage lautet: Wer den Text beziehungsweise die Melodie "öffentlich und bewusst ändert oder das Lied in verzerrender oder herabwürdigender Weise darbietet", dem drohen bis zu drei Jahren Haft beziehungsweise eine Geldstrafe von umgerechnet 6000 Euro. Die erste Lesung des Gesetzentwurfs soll im Juli im Hongkonger Parlament (Legco) stattfinden, wo die Regierung über die Mehrheit verfügt.
Des weiteren müssen die Schüler die Nationalhymne, ihre Geschichte und ihren "Geist" lernen. Laut Hongkonger Regierung ist das allerdings schon jetzt von der Schulbehörde vorgeschrieben und sei insofern nichts Neues.
Schluss mit Protesten im Fußballstadion
Anlass für das Gesetz lieferten die Hongkonger Fußballfans. Schon bei vielen offiziellen Spielen der Hongkonger Mannschaft waren Buhrufe und Pfiffe zu hören, um die chinesische Nationalhymne zu übertönen. Hongkong ist zwar ein Vollmitglied des Fußballweltverbands FIFA. Vor jedem Spiel der Mannschaft muss aber seit der Rückgabe an China 1997 die chinesische Nationalhymne gespielt werden.
Der Hongkonger Fußballverband HKFA erwartet möglichst bald rechtliche Klarheit. Pui Kwan Kay, Vize-Verbandchef, will eine schwarze Liste für buhende Fußballfans erstellen, sobald das Gesetz in Hongkong in Kraft tritt. Politische Proteste müssten in Stadien verboten werden, fordert Pui, der als knallharter Parteigänger der KPCh in Hongkong gilt. Pfeifende Fans müssten vom Spiel ausgeschlossen werden.
Laut "South China Morning Post" haben Hongkonger Fans in der Vergangenheit bei 14 Spielen in Folge gebuht, als die chinesische Hymne erklang. Wegen solcher Vorfälle musste der Hongkonger Fußballverband im Jahr 2015 3000 US-Dollar an die FIFA zahlen.
Trauriges Ende des Autors der Hymne
Die chinesische Nationalhymne heißt "Marsch der Freiwilligen und der Mutigen" und entstand in den 1930er Jahren im Krieg gegen Japan, noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Der Beginn des Textes lautet: "Steht auf! Alle, die keine Sklaven werden wollen. Lass uns mit unserm Blut und Fleisch die neue Mauer bauen. Die chinesische Nation ist in Gefahr geraten. Der Unterdrückten letzter Schrei ertönt." Autor war der Dramatiker Tian Han, der als "Rechtsabweichler" während der Kulturrevolution (1966-1976) in Ungnade fiel und 1968 wahrscheinlich an der Folge von Misshandlung in Gefängnis starb. Erst 1979 wurde er post mortem rehabilitiert.
"Abschreckungsmaßnahme"
"Respekt vor der Nationalhymne soll tief im Herzen entstehen und kann nicht einfach per Gesetz verordnet werden", sagt Andrew Wan Siu-kin von der oppositionellen Demokratischen Partei. "Der neue Gesetzesentwurf ist lediglich eine Diskussionsgrundlage", beschwichtigt dagegen Starry Lee Wai-king, Vositzende der prochinesischen Demokratischen Allianz (DAB), ein. "Die Bürger haben nun die Möglichkeiten, ihre Bedenken zu äußern."
Das hohe Strafmaß sei eine Abschreckungsmaßnahme der Zentralregierung, glaubt Chung Kim-wah, Soziologe an der Technischen Universität Hongkong. "Sobald die politischen Machtsymbole wie Nationalflagge oder -hymne in Frage gestellt werden, sehen die Staatsführer ihre persönliche Autorität bedroht." Die Strafverfolgung wegen Nationalhymne könne jeden treffen, der etwas singen wolle, sagt Chung. Strafverfolgung wegen Verbrennung der Nationalflagge könne schwieriger sein, denn nicht jeder in Hongkong habe eine chinesische Flagge. Aber singen könne jeder jederzeit.