Holzdeppe erlebt WM-Debakel
8. August 2017Raphael Holzdeppe packte sich an den Kopf und zog fassungslos sein Trikot aus, dann musste er sich erstmal setzen: Beim Angriff auf seinen zweiten Weltmeistertitel hat Deutschlands bester Stabhochspringer das größtmögliche Debakel erlebt. In London legte der 27-Jährige am Dienstagabend einen klassischen Salto nullo hin und scheiterte dreimal an seiner Einstiegshöhe. "Im Endeffekt habe ich es einfach nicht hinbekommen", befand der 27-jährige. "Das ist sehr frustrierend." Erstmals Weltmeister wurde Sam Kendricks aus den USA, der seine Siegeshöhe von 5,95 Metern im dritten Anlauf nahm. Dem französischen Olympiasieger Renaud Lavillenie blieb auch dieses Mal ein WM-Titel verwehrt: Der Hallen-Weltrekordler erhielt mit 5,89 Metern Bronze. Mit der gleichen Höhe, aber weniger Versuchen wurde der Pole Piotr Lisek Vize-Weltmeister.
Im Olympiastadion mühte sich der Weltmeister von 2013 vergeblich an 5,50 Meter ab und kassierte zwölf Monate nach dem bitteren Qualifikations-Aus bei Olympia in Rio die zweite Enttäuschung bei einem Großereignis in Folge. Trotz einer durchwachsenen Saison hatte sich Holzdeppe, der bei den Sommerspielen 2016 schon in der Qualifikation gescheitert war, vor der WM noch höchst zuversichtlich gezeigt, Gold als erklärtes Ziel ausgegeben. "Ich will meinen Titel zurückhaben", hatte er gesagt. Zwar lief dann schon die Vorausscheidung am Sonntag recht hakelig, als er für 5,70 Meter drei Versuche brauchte. Zwei Tage später klappte dann aber gar nichts mehr. Rund 40 Minuten nach Wettkampfbeginn hatte Holzdeppe schon Feierabend - der Kampf um die Medaillen hatte da noch nicht einmal im Ansatz begonnen. Holzdeppe, Weltmeister 2013 und WM-Zweiter 2015, hat keine leichte Zeit hinter sich. Die olympische Saison war auch als Folge hartnäckiger Verletzungen ein mittleres sportliches Desaster, bei den Sommerspielen in Rio verabschiedete sich Holzdeppe schon in der Qualifikation.
Kein großer Wurf
Im Speerwurf gab es ebenfalls nicht die erhoffte Medaille für das deutsche Team: Katharina Molitor, Weltmeisterin vor zwei Jahren, musste sich mit 63,75 Meter und Platz sieben zufrieden geben. "Irgendwie ist das genau falsch herum gelaufen - 63 Meter in der Qualifikation und 65 Meter heute im Finale wären mir lieber gewesen", sagte Molitor und ergänzte: "Aber ich bin jetzt weder glücklich noch unglücklich und eigentlich ganz zufrieden." Gold gewann Weltrekordlerin Barbora Spotakova aus Tschechien (66,76 Meter) - zehn Jahre nach ihrem ersten WM-Titel. Silber und Bronze gingen an China, Li Lingwei landete mit 66,25 Meter vor Lyu Huihui (65,26), die vor zwei Jahren hinter Molitor Vizeweltmeisterin war. Erstmals seit sechs Jahren blieben die DLV-Speerwerferinnen damit ohne WM-Medaille.
Unterdessen hat der Südafrikaner Wayde van Niekerk den ersten Teil seiner Double-Mission erfüllt. Der Olympiasieger und Weltrekordler verteidigte in 43,98 Sekunden seinen Titel über 400 Meter erfolgreich. Hinter dem 25-Jährigen gewann Steven Gardiner von den Bahamas (44,41) Silber, Bronze ging an Abdalelah Haroun aus Katar (44,48). Der stark eingeschätzte Isaac Makwala aus Botswana hatte das Finale wegen Magen-Darm-Problemen verpasst. An der Themse strebt van Niekerk Doppel-Gold an - nach den 400 Meter will er auch über 200 Meter am Donnerstag gewinnen. Das hat seit dem US-Amerikaner Michael Johnson 1995 kein Sprinter mehr geschafft. Titelverteidiger Usain Bolt aus Jamaika verzichtet in London auf einen Start über die halbe Stadionrunde.
Überrraschungssieger Bosse
Pierre-Ambroise Bosse hat als erster Franzose Gold über 800 Meter gewonnen und die afrikanische Dominanz über die zwei Stadionrunden durchbrochen. Der 25-Jährige setzte sich in 1:44,67 Minuten vor dem polnischen Europameister Adam Kszczot (1:44,95) durch, der wie vor zwei Jahren in Peking Silber holte. Dritter wurde der Kenianer Kipyegon Bett (1:45,21). Über die 3000 Meter Hindernis gewann dagegen wie erwartet ein Ostafrikaner: Favorit und Olympiasieger Conseslus Kipruto aus Kenia. Der 22-Jährige setzte sich nach 8:14,12 Minuten gegen Soufiane Elbakkali aus Marokko (8:14,49) durch, Bronze ging an den Jahres-Weltbesten Evan Jager aus den USA(8:15,53). Damit hat zum 14. Mal in Serie ein gebürtiger Kenianer WM-Gold über die Hindernis-Distanz gewonnen.
sw (dpa, sid)