Holocaustüberlebende: Einsatz gegen das Vergessen
Sie alle haben eines gemeinsam: Als Juden oder Sinti und Roma hat man sie verfolgt und ins Konzentrationslager deportiert. Unsagbares erlebten sie. Ihre Erinnerung geben oder gaben sie an die Nachfolgenden weiter.
Ruth Klüger (1931-2020)
Erst mit 60 Jahren brach sie das Schweigen und schrieb ihre Erinnerungen auf: "Weiter leben - eine Jugend" (1992). Auch die Gedichte, mit denen Ruth Klüger die Zeit im KZ durchgestanden hat, sind darin gesammelt. Klüger war eine der wenigen Holocaust-Überlebenden, die darüber erzählt hat. Wir stellen Ihnen noch andere Zeitzeugen vor, die, wie sie, die Erinnerung daran wach halten oder hielten.
Leslie Schwartz (1930-2020)
1944. Die Wehrmacht besetzt Ungarn. Leslie Schwartz und seine Familie werden nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort muss er ins Arbeitslager Birkenau und schließlich ins KZ Dachau. In "Durch die Hölle von Auschwitz und Dachau. Ein Junge erkämpft sein Überleben" (2007) erzählt er von den Erlebnissen. Leslie Schwartz hielt viele Lesungen und Vorträge, um die Nachwelt zu informieren.
Esther Bejarano (1924-2021)
"Ich muss in dieses Orchester, sonst bin ich erledigt", sagte sich die damals 19-Jährige. Im Mädchenorchester von Auschwitz spielte sie Akkordeon - obwohl sie das Instrument noch nie in der Hand hatte. Es ist ihre Rettung. Später stand Bejarano auf der Bühne und sang für Toleranz und gegen Rassismus. Und sie besuchte Schulklassen, um von ihrer Vergangenheit zu erzählen.
Coco Schumann (1924-2018)
Jazz und Swing - das war seine Musik. Doch den Nationalsozialisten galten sie als "undeutsch", außerdem war Schumanns Mutter Jüdin. 1943 wurde Coco Schumann ins Ghetto Theresienstadt deportiert, ein Jahr später nach Auschwitz-Birkenau. Bis ins neue Jahrtausend wollte der Musiker nicht über die Lagerzeit reden. Dann verstand er: "Wer, wenn nicht er, soll den Menschen erzählen, was passiert ist."
Die Schwestern Renate Lasker-Harpprecht (1924-2021) und Anita Lasker-Wallfisch (*1925)
Ihre Eltern wurden 1942 deportiert und ermordet, die älteste Schwester konnte fliehen, Renate (li) und Anita Lasker landeten erst in Auschwitz, dann in Bergen-Belsen. Doch sie überlebten - nicht zuletzt weil Anita als Cellistin im Mädchenorchester von Auschwitz Privilegien genoss. Der deutschen Öffentlichkeit berichteten sie noch im fortgeschrittenen Alter über den Holocaust. Renate starb 2021.
Yehuda Bacon (*1929)
In Theresienstadt begegnete der damals 13-jährige Yehuda Bacon dem Künstler Peter Kien, dem es gelungen war, dort eine Zeichenstube aufzubauen. Es ist der Beginn von Bacons Künstlerkarriere. Nach der Befreiung 1945 malte er zunächst Porträts von Mithäftlingen, später auch Abstraktes. Als Überlebender sehe er sich in der Verantwortung, künftige Generationen durch seine Geschichte zu lehren.
Judith Kerr (1923-2019)
Die Familie Kerr musste 1933 aus Deutschland fliehen. Zunächst in die Schweiz, nach Frankreich und schließlich nach London. In "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" (1971) verarbeitete Judith Kerr das Emigrantenschicksal ihrer jüdischen Familie. Zwei weitere Romane folgten. 1974 erhielt Kerr für "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" den Deutschen Jugendliteraturpreis. Sie starb 2019 in London.
Saul Friedländer (*1932)
"Wohin die Erinnerung führt. Mein Leben" stammt vom emeritierten Professors aus Los Angeles und Tel Aviv, Saul Friedländer. Eine Fortsetzung seiner Memoiren, die verdeutlichen: Friedländers Leben bleibt das eines Entwurzelten. Zur jüdischen Geschichte und zur Shoah hat der Historiker zahlreiche einschlägige Werke verfasst, in denen er die Opfer verstärkt in den Mittelpunkt rückt.
Inge Deutschkron (1922-2022)
Im Januar 1943 tauchten Inge Deutschkron und ihre Mutter in Berlin ab, verstecken sich bei nichtjüdischen Freunden. Nur so überlebten sie den Holocaust. In ihrer Autobiografie "Ich trug den gelben Stern" (1978) erzählt die deutsch-israelische Autorin von dieser Zeit. Mit ihrer Literatur und mit Schulbesuchen leistete Deutschkron einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Erinnerung an die Nazi-Gräuel.
Philomena Franz (*1922)
Ein Jahr vor Kriegsende deportierte man Philomena Franz nach Auschwitz-Birkenau, von dort weiter ins KZ Ravensbrück - weil sie Sinti ist. Überlebt habe sie, um der Nachwelt von ihren Erlebnissen zu erzählen. Ihre Autobiografie "Zwischen Liebe und Hass" erschien 1985. Außerdem trat sie in Medien und Schulen auf, auch damit die rund 500.000 ermordeten Sinti und Roma nicht in Vergessenheit geraten.