Hollande schafft sich Kritiker vom Hals
25. August 2014Es geschah alles innerhalb von wenigen Minuten, und deshalb liegt die Vermutung nahe, das Manöver sei zwischen Präsident Francois Hollande und seinem relativ neuen Ministerpräsidenten Manuel Valls abgestimmt. Dieser bot am Vormittag dem Präsidenten den Rücktritt seiner Regierung an, und Hollande beauftragte Valls sozusagen postwendend, eine neue Regierungsmannschaft zusammenzustellen.
Eine Linie überschritten
Auslöser der jüngsten Turbulenzen war ein Streit um die richtige Finanz- und Wirtschaftspolitik. Mit regierungskritischen Äußerungen trat am Wochenende ausgerechnet der Mann hervor, der für die wichtigen wirtschaftspolitischen Reformen im mittlerweile krisengeschüttelten Frankreich verantwortlich zeichnen sollte: Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg (im Artikelbild rechts) verlangte eine Abkehr von der Sparpolitik in Frankreich und bemängelte, Deutschland habe unter Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz Europa einen solchen Sparkurs aufgezwungen.
Aus dem Umfeld des Regierungschefs hieß es, der dem linken Lager der Sozialisten angehörende Wirtschaftsminister habe damit eine Grenze überschritten. Dabei dürfte er nur ausgesprochen haben, was viele Parteifreunde denken. Zahlreiche sozialistische Abgeordnete sehen die Wirtschaftskrise durch Hollandes Sparbemühungen noch verschlimmert.
Montebourg wird dem künftigen Kabinett nicht angehören. Er machte deutlich, dass er keinen Posten in der neuen Regierung anstrebt und legte am Montag noch einmal nach: Der Sparkurs in der Eurozone sei "absurd", er würge das Wachstum ab, vergrößere dadurch das Defizit der Staaten und sei "ungerecht", sagte der Sozialist in Paris. "Meine Aufgabe als Wirtschaftsminister ist es, Alternativen aufzuzeigen." Er habe Hollande und Valls aber nicht überzeugen können. Daher sei nun der Zeitpunkt gekommen, "meine Freiheit wiederzugewinnen".
Allerdings hatte Präsident Hollande selbst in gewisser Abgrenzung zum europapolitischen Kurs der Kanzlerin seine Wahlen und sein Amt gewonnen. Anschließend aber musste er einsehen, dass Frankreich um schmerzhafte Einschnitte nicht herumkommt. Vor kaum fünf Monaten hatte der Präsident erst sein Kabinett umgebildet. Doch statt wie erhofft in dem von industriellem Niedergang und hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Land das Ruder herumzureißen, zerreiben sich die Sozialisten in Lagerkämpfen.
Bisher ist es Regierungschef Valls jedenfalls nicht gelungen, ein Rezept gegen die hartnäckige Arbeitslosigkeit in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone zu finden. Auch die Sanierung der Staatsfinanzen kommt nicht wie vorgesehen voran. Vergangene Woche hatte die Regierung durchblicken lassen, das Bruttoinlandsprodukt könne in diesem Jahr mit 0,5 Prozent nur halb so stark zulegen werde wie bislang angenommen. Nach Angaben von Finanzminister Michel Sapin ist es zudem unwahrscheinlich, dass es 2015 zu einem Wachstum von deutlich mehr als einem Prozent reichen werde. Bislang waren 1,7 Prozent veranschlagt worden. Gute Wirtschaftsnachrichten klingen anders.
ml/rb (rtr, dpa, afp)