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Hoher Exportüberschuss ist keine Stärke

Zhang Danhong21. März 2014

Deutschland exportiert deutlich mehr Waren als es importiert und steht deswegen am Pranger. Wem nützt der Überschuss, wem schadet er? Experten haben eine klare Meinung.

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Mechatroniker installieren einen Roboter in der neuen Karosseriefertigung des Sportwagenbauers Porsche in Leipzig (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Eine Klarstellung vorneweg: Der Exportüberschuss ist nicht mit der Exportstärke zu verwechseln. Saudi Arabien beispielsweise steht weltweit auf Platz drei der Exportüberschüsse, die das Land ausschließlich dem Öl zu verdanken hat. "Das ist nicht die besonders ausgefeilte und attraktive Exportindustrie, die das treibt, sondern das ist einfach der Rohstoff", sagt Andreas Freytag, Wirtschaftsprofessor an der Universität Jena.

Im Falle von Deutschland zeugt der Überschuss natürlich von der Überlegenheit der Produkte mit dem Label "Made in Germany". 2013 sicherte sich Deutschland in dieser Disziplin sogar erstmals den Weltmeistertitel: Mit rund 200 Milliarden Euro Differenz zwischen Export und Import hat die Bundesrepublik die größte Exportnation China weit hinter sich gelassen. Diese Summe entspricht rund sieben Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung - ebenso rekordverdächtig. Eine EU-Regel besagt, dass ein Überschuss jenseits von sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein Ungleichgewicht darstellt, das gefährlich werden kann.

Streit über deutsche Exportstärke

Wenn Deutschland viele Waren in die Welt verkauft, ist das sicherlich gut für die Exportunternehmen und die dort Beschäftigten. Ist die Exportstärke eine Gefahr für die Eurozone? Nein, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Interview mit der Deutschen Welle: "Alle anderen europäischen Länder profitieren davon, denn wir beziehen Vorleistung aus den anderen europäischen Ländern, zum Beispiel aus Spanien oder Italien für die Automobilproduktion oder für den Maschinenbau." Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat dies sogar in Zahlen belegt: Wenn die deutschen Exporte um zehn Prozent steigen, dann steigen die Vorleistungsexporte der europäischen Partner nach Deutschland um neun Prozent.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher (Foto: DIW)
DIW-Präsident Marcel FratzscherBild: Marcel Fratzscher/DIW

Exportüberschuss = Kapitalexport

Das heißt, die deutsche Exportstärke schadet niemandem, auch ein Überschuss an sich ist nichts Verwerfliches. Problematisch wird es, wenn dieser Überschuss so wie im Moment überdimensional wird. Denn das bedeutet, dass sehr viel deutsches Geld ins Ausland fließt, das dann logischerweise nicht hier investiert wird. Dass einem Exportüberschuss immer ein Kapitalexport gegenüber steht, "das ist letztlich, wenn man so will, ein Grundgesetz der Zahlungsbilanz", sagt Jürgen Matthes vom IW. Umgekehrt heißt es: Wenn ein Land Handelsbilanzdefizit aufweist, muss es Kredite von anderen nehmen, um den Import zu bezahlen. "Von daher bedeutet es für die Deutschen, dass sie letztlich dem Ausland Kredite geben, mit denen das Ausland dann die Warenkäufe finanziert", sagt Matthes im Gespräch mit der DW.

Das beste Beispiel liefert die Symbiose zwischen den USA und China. Die Chinesen haben in den letzten 20 Jahren fleißig produziert und exportiert. Die Amerikaner haben den größten Teil der Made-in-China-Produkte gekauft mit dem Geld, das sie vorher von China bekommen haben. Letztendlich haben die Amerikaner auf Pump konsumiert, während die Chinesen einen Exportboom feierten und nun jede Menge US-Staatsanleihen besitzen, deren Wert schmilzt. Auch ein Teil der deutschen Überschüsse ist in Anleihen überschuldeter Staaten angelegt, deren Rückzahlung ungewiss ist.

Deutschland ist Verlierer der eigenen Überschüsse

Mit anderen Worten, wenn das geliehene Geld woanders nicht vernünftig investiert, sondern verkonsumiert wird, dann steht das Überschussland letztlich als der Dumme da. "Der Überschuss ist keineswegs ein Ruhmesblatt und auch keine Erfolgsgeschichte", sagt deshalb Andreas Freytag. Deutschland könnte sogar zum Verlierer des eigenen Erfolges werden.

Prof. Andreas Freytag (Foto: privat)
Andreas Freytag von der Universität JenaBild: Andreas Freytag

Warum wird der Überschuss dann nicht hierzulande investiert? Weil die Investitionsmöglichkeiten in Deutschland nicht als sehr attraktiv wahrgenommen würden, so Freytag zur DW. In der Energiewende sieht er im Moment das größte Hindernis für Investitionen. "Die Energiepreise steigen, die Ausnahmen für die Industrie werden wahrscheinlich weniger, weil sie auch ständig von der Europäischen Union angezweifelt werden. Und dann ist man im Vergleich zu anderen Ländern nicht mehr konkurrenzfähig." Hier ist die Bundesregierung gefordert, eine bessere Standortpolitik zu machen und Anreize für Investitionen zu schaffen.

Der Staat kann auch selber für mehr Investitionen sorgen, in Infrastruktur beispielsweise. Dort ist der Investitionsbedarf enorm. Das Geld, das der Bund für Infrastruktur ausgibt, reicht nicht mal für die Werterhaltung aus. Mit anderen Worten: Deutschland fährt auf Verschleiß.

Die Bundesregierung könnte den Knoten lösen

Wenn der deutsche Staat also den Investitionsstau auflöst und zudem auch noch durch eine kluge Wirtschaftspolitik Privatinvestitionen anschiebt, dann wird es nicht nur in Deutschland zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen. Auch das Ausland hätte Grund zur Freude, meint IW-Experte Matthes: "Da die deutsche Wirtschaft besonders stark mit dem Ausland verflochten ist, bedeutet ein Anstieg der Investition auch immer ein Anstieg von deutschen Importen, weil letztlich Zulieferungen aus dem Ausland in die Investitionsgüter mit einfließen."

Jürgen Matthes Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) (Foto: IW)
Jürgen Matthes von Institut der deutschen Wirtschaft KölnBild: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Ein höherer Import mindert den Exportüberschuss. So wird die deutsche Volkswirtschaft ausgeglichener, ohne die Exportstärke einzubüßen.